Der türkische Premierminister Ahmet Davutoglu (l.) und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker beim Gipfel in der Türkei. Foto: dpa

Bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise wollen die EU und die Türkei künftig enger zusammenarbeiten. Einige Teilnehmer des Gipfels in Brüssel sprachen von einem Durchbruch und einem Neustart in den Beziehungen von EU und Türkei.

Brüssel - Bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise wollen die Europäische Union und die Türkei künftig die Kräfte bündeln. Die EU-Staats- und Regierungschefs sagten Ankara bei einem Sondergipfel am Sonntag in Brüssel drei Milliarden Euro für die Versorgung der mehr als zwei Millionen Flüchtlinge zu, zudem soll die Türkei ihre Grenzen künftig besser kontrollieren. EU-Ratspräsident Donald Tusk und der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sprachen von einem Durchbruch.

Der französische Präsident François Hollande sagte, die EU werde „Schritt für Schritt“ überprüfen, wie die Türkei ihre Zusagen umsetzt. Die drei Milliarden Euro EU-Hilfe würden stufenweise ausgezahlt. Das Gesamtkonzept bestehe aus einem Umgang mit der Flüchtlingskrise, der Bekämpfung von Extremismus und Bemühungen, den Bürgerkrieg in Syrien mit einer politischen Lösung zu überwinden.

Keine harten Versprechungen

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte betonte: „Die Türkei muss ihr Äußerstes tun, um illegale Einwanderung nach Europa aufzuhalten und die Zahl der Flüchtlinge muss erheblich zurückgehen.“

Tusk sagte nach den vierstündigen Beratungen, nach Jahren des Stillstands und allenfalls schleppenden Fortschritts sollte der türkische Mitgliedsantrag nun schneller vorankommen. Davutoglu sagte, eine EU-Mitgliedschaft der Türkei werde „ein Gewinn sein“. Bei dem Sondergipfel habe es keine Meinungsverschiedenheiten gegeben. Tusk sagte, der Gipfel habe einen Neustart in den Beziehungen von EU und Türkei bewirkt.

Davutuglu sagte zur Massenflucht vor allem aus dem Bürgerkriegsland Syrien, sein Land und die EU zahlten den Preis für ein Versagen des Systems der Vereinten Nationen, den Konflikt zu lösen. Die Türkei habe zwei bis 2,2 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Die EU-Hilfe sei für die Flüchtlinge in der Türkei, nicht für die Türkei, betonte er. Seine Regierung sei entschlossen, der EU zu helfen, könne aber keine harten Versprechungen machen. „Ich wünsche, dass die Zahl der Migranten zurückgehen wird, aber wir können das nicht sagen, weil wir nicht wissen, was in Syrien passieren wird“, sagte er.

Merkel zeigt Verständnis für türkische Anliegen

Nach UN-Zahlen sind in diesem Jahr fast 900.000 Menschen vor Armut und Krieg aus den Nahen und Mittleren Osten, Afrika und Asien nach Europa geflohen. Allein mehr als 600.000 von ihnen gelangten über die Türkei zu nahe gelegenen griechischen Inseln als erster Station ihrer Reise zu den reichen EU-Mitgliedstaaten. Tusk sprach unter Berufung auf jüngste Zahlen sogar von „schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen“, die illegal dieses Jahr in die EU gekommen seien, ein Großteil über die Türkei.

Davutoglu sagte, er sei „allen europäischen Führern dankbar für diesen Neuanfang, der nicht nur der Beginn eines Treffens, sondern der Beginn eines neuen Prozesses ist, der sehr wichtig für unsere gemeinsame Verbundenheit in Europa ist“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte Verständnis für türkische Anliegen: Ankara könne mit Recht erwarten, dass die EU helfe, sagte sie. Der britische Premierminister David Cameron erklärte, ohne Ankara sei eine umfassende Lösung der Flüchtlingskrise nicht möglich.

Tusk sagte, falls die großen Flüchtlingsströme nicht unter Kontrolle kommen, könnte das Schengen-System des grenzfreien Reisens innerhalb der EU kollabieren. „Ich wiederhole das: Ohne Kontrollen unserer Außengrenzen wird Schengen Geschichte werden“, mahnte Tusk.