Dies ist ein Muster für eine Geldkarte für Flüchtlinge, vorgestellt auf dem Zukunftskongress Migration und Integration in Berlin Foto: dpa

Eigentlich wollte Grün-Schwarz die Sachleistungskarte einführen, um Bargeld als Fluchtanreiz abzuschaffen. Doch angesichts der rückläufigen Flüchtlingszahlen wären die Kosten offenbar deutlich höher als der Nutzen.

Stuttgart - Laut baden-württembergischen Innenministerium wohnen derzeit etwas mehr als 7000 Asylsuchenende in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes. Sollte die Zahl auf diesem vergleichsweise niedrigen Niveau bleiben, bringt die Landesregierung die sogenannte Sachleistungskarte für Flüchtlinge nach Informationen unserer Zeitung doch nicht auf den Weg. Demnach wäre die Einführung der Geldkarte unter den aktuellen Umständen zu teuer, die Kosten stünden nicht im Verhältnis zum Nutzen.

Das Staatsministerium wollte das vorläufige Aus der Sachleistungskarte nicht bestätigen. Der stellvertretende Regierungssprecher sagte lediglich, es gebe noch Klärungsbedarf. Offenbar entwickelt das Staatsministerium einen Plan B und rechnet durch, ab welcher Anzahl an Flüchtlingen die Einführung in Erstaufnahmestellen finanziell vertretbar wäre – um vorbereitet zu sein, falls die Zahl der Neuankömmlinge wieder steigt. Für diesen Fall wären auch inhaltliche und technische Fragen noch zu klären. Zum Beispiel, ob und wie es möglich ist, das nicht genutzte Geld auf der Karte am Monatsende verfallen zu lassen.

Ein Flüchtling erhält 145 Euro Taschengeld pro Monat

Bis auf Weiteres erhält ein alleinreisender Flüchtling in der Erstaufnahmestelle wie bisher ein Taschengeld in Höhe von 145 Euro pro Monat – bar auf die Hand. Um zu verhindern, dass Asylsuchende dieses Geld ansparen und es Angehörigen in der Heimat schicken, hatte sich schon die alte Landesregierung im November des vergangenen Jahres auf die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen in baden-württembergischen Erstaufnahmeeinrichtungen verständigt. Das grün-rote Kabinett beauftragte damals das Staatsministerium, das Projekt Sachleistungskarte an Kreditunternehmen auszuschreiben.

Im Zuge des Regierungswechsels bekräftigten Grüne und CDU noch einmal, dass die Sachleistungskarte für Flüchtlinge kommen soll. „Der persönliche Bedarf soll in der Erstaufnahmestelle künftig nicht mehr bar ausgezahlt, sondern mit Hilfe einer Sachleistungskarte gewährleistet werden“, heißt es im grün-schwarzen Koalitionsvertrag. Die Karte werde monatlich aufgeladen. Eine Auszahlung von Barbeträgen, eine Übertragung von Beträgen am Monatsende oder an andere Nutzer erfolge jedoch nicht.

Gleichwohl sollte die Karte ermöglichen, dass Flüchtlinge beim Friseur, in einem Supermarkt, an einem Kiosk oder einem Imbiss bargeldlos bezahlen können und nicht auf Gutscheine zurückgreifen müssen.

Zahl der neuankommenden Flüchtlinge geht deutlich zurück

Die Karten-Idee entpuppte sich als kniffliger als zunächst gedacht. Mittlerweile ist die Frist der Ausschreibung abgelaufen. Laut Staatsministerium haben mehrere Kreditinstitute auch ein Angebot für diese bestimmte Geldkarte, die nicht die Anmutung einer Kreditkarte haben sollte, abgegeben. Weil die Zugangszahlen in den Erstaufnahmeeinrichtungen in den vergangenen Monaten deutlich zurückgegangen sind, wurde das Thema im Staatsministerium zuletzt jedoch nicht mehr mit höchster Priorität vorangetrieben.

Von Anfang Januar bis Ende August dieses Jahres kamen nach Angaben des Innenministeriums 26 526 Asylsuchende nach Baden-Württemberg. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 38 106 neuankommende Flüchtlinge gewesen, im gesamten Jahr 2015 durch die Einreisewelle im Herbst sogar 97 822.

Ändert sich an der rückläufigen Zugangsentwicklung nichts, ist die Sachleistungskarte vom Tisch. Davon betroffen sind auch die Stadt- und Landkreise. Denn hätte sich die Karte in der Erstaufnahme als praktikabel erwiesen, wäre der Plan gewesen, die Karte auch auf Flüchtlinge in kommunaler Unterbringung ausweiten.