Im Südwesten werden zur Bewältigung der Flüchtlingskrise Pensionäre aus dem Ruhestand zurückgeholt. (Symbolbild) Foto: dpa

Angesichts der steigenden Zahl von Flüchtlingen im Südwesten kommen Polizei und Behörden an ihre Grenzen. Ruheständler könnten helfen.

Stuttgart - Zur Bewältigung der Flüchtlingskrise holen die Regierungspräsidien im Südwesten Pensionäre aus dem Ruhestand zurück. Auf eine Anfrage des Stuttgarter Regierungspräsidiums hätten sich bisher 40 Pensionäre gemeldet, teilte die Behörde der Deutschen Presse-Agentur mit. Von November an sollen die ehemaligen Mitarbeiter in der Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen (Ostalbkreis) eingesetzt werden. „Hier benötigen wir dringend Unterstützung bei der Registrierung der Flüchtlinge“, schreibt die Behörde.

Das Regierungspräsidium in Freiburg hat insgesamt 280 ehemalige Mitarbeiter angeschrieben, wie ein Sprecher sagte. „84 Rückmeldungen haben wir bekommen.“ Das Problem sei jedoch, dass viele Rentner eher punktuell Hilfe leisten wollten - beispielsweise immer mal wieder ein oder zwei Stunden pro Tag. „Wir brauchen aber ein verlässlicheres Engagement“, sagte der Sprecher. „Wir können nur Leute nehmen, die bereit sind, ein gewisses Stundenkontingent zu machen, in der Regel 20 Stunden pro Woche.“ In Einzelgesprächen würden nun die Details mit den Interessierten geklärt, um Verträge abzuschließen. Acht Pensionäre sind demnach bereits im Einsatz, sie helfen zum Beispiel in der Verwaltung.

Auch die Polizei habe ehemalige Mitarbeiter angefragt, auf entsprechende Rundschreiben hätten sich bislang 34 Pensionäre gemeldet, sagte der Sprecher. Im Bereich des Karlsruher Regierungspräsidiums sind bereits 13 ehemalige Polizisten im Einsatz. Sie arbeiten in der Regel mit 40 Prozent bis 50 Prozent der normalen Arbeitszeit. Beim Tübinger Regierungspräsidium wiederum haben 29 Pensionäre Bereitschaft signalisiert, in einer Erstaufnahmestelle fir Migranten mitzuarbeiten.

Kiesewetter hatte für sein Schreiben Kritik erhalten

Senioren sollen aber nicht nur in der Verwaltung helfen: Beim Unterricht für Flüchtlingskinder im Südwesten setzen die Behörden auf ehemalige Lehrer. Das Kultusministerium rechnet mit rund 30 000 schulpflichtigen Kindern aus anderen Ländern, die in diesem Jahr nach Baden-Württemberg kommen, wie ein Sprecher kürzlich in Stuttgart sagte. Ursprünglich war das Land von halb so vielen ausgegangen und hatte einen Bedarf von rund 560 zusätzlichen Lehrern genannt. Nun müssten weitere 400 bis 500 dazukommen.

Beim Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Baden-Württemberg ist die Reaktion auf den Einsatz der pensionierten Lehrer verhalten. Man befürwortet deren Reaktivierung keinesfalls, heißt es beim Verband. In Anbetracht der besonderen Notlage und der Dringlichkeit der Situation habe man aber Verständnis dafür. Allerdings dürfe der Einsatz von Pensionären kein Dauerzustand werden.

Der Präsident des Reservistenverbandes, Roderich Kiesewetter (CDU), hatte zudem ehemalige Bundeswehrsoldaten dazu aufgerufen, sich in der Flüchtlingshilfe aktiv einzubringen. „Fast 300 Reservisten haben sich allein beim Reservistenverband in Bonn und in den Geschäftsstellen landesweit gemeldet“, sagte der baden-württembergische CDU-Politiker am Donnerstag. Wie viele bei den jeweiligen Truppenteilen und den Landeskommandos Rückmeldung gegeben hätten, sei nicht bekannt. „Vermutlich noch weit mehr.“

Kiesewetter hatte für sein Schreiben im Internet zum Teil heftige Kritik erhalten. „Was in den sozialen Netzwerken rund um das Thema Flüchtlinge immer wieder zu lesen ist, ist zum Teil beschämend“, sagte der CDU-Politiker. Gebraucht werde „eine echte, lebendige Debatte, statt dumpfer Vorurteile und Gewaltandrohungen“.