Auch hinter Gittern bekommen Untersuchungsgefangene ein monatliches Taschengeld, wenn sie selbst bedürftig sind – doch die Höhe geht bisher stark auseinander. Foto: dpa

Untersuchungshäftlinge, die knapp bei Kasse sind, bekommen Geldleistungen für ihren persönlichen Bedarf. Allerdings nicht alle im gleichen Umfang. Oftmals kommen Asylbewerber besser weg. Das Land will das nun ändern.

Stuttgart - Das Thema Flüchtlinge treibt derzeit viele um. Besonders die Verwaltungen in den Stadt- und Landkreisen, die sich um wesentliche Dinge wie Unterkunft, Sach- und Geldleistungen kümmern müssen. Dabei treten auch immer wieder Missstände zutage, die vor der großen Flüchtlingskrise offenbar nicht aufgefallen sind.

Ein Mitarbeiter eines Sozialamts in der Region Stuttgart, der aus Angst um seinen Arbeitsplatz anonym bleiben will, kann jedenfalls nur staunend den Kopf schütteln. „Ich kenne Fälle, in denen Asylbewerbern in Untersuchungshaft die vollen 145 Euro Taschengeld im Monat ausbezahlt werden, die sie auch draußen bekommen würden“, sagt er. Finanzschwache Einheimische, die in U-Haft sitzen, erhielten dagegen deutlich weniger Taschengeld. „Da wird mit zweierlei Maß gemessen“, kritisiert der Mann.

Für bedürftige Häftlinge gibt es ein Taschengeld

Tatsächlich hat er recht. „Die Höhe der finanziellen Zuwendungen in der Untersuchungshaft kann bisher variieren“, sagt Steffen Ganninger, Sprecher des Justizministeriums. Das liegt an unterschiedlichen Rechtsgrundlagen. Generell bekommen Gefangene in U-Haft ein monatliches Taschengeld, wenn sie selbst über keine Geldmittel verfügen. Bei Nichtasylbewerbern richtet sich der Satz nach Sozialgesetzbuch XII. Der monatliche Betrag beläuft sich laut Ministerium auf rund 50 Euro. Bei Flüchtlingen greift dagegen das Asylbewerberleistungsgesetz. Das sieht 145 Euro im Monat vor. Ob der volle Betrag auch in U-Haft ausbezahlt oder gekürzt wird, entscheidet das jeweils zuständige Sozialamt. Es gibt also unterschiedlichste Regelungen – und meistens werden Asylbewerber deutlich bessergestellt als Sozialhilfeempfänger.

Solche Fälle gibt es nicht nur in Baden-Württemberg. In Kassel etwa ist vor kurzem die Geschichte eines 30 Jahre alten Somaliers durch die Medien gegangen. Er sitzt dort wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung in mehreren Fällen und versuchten Totschlags in U-Haft. Dafür bekommt er monatlich gut 100 Euro bezahlt. So wie alle Flüchtlinge im betroffenen Kreis. Und damit mehr als andere finanziell schwache Untersuchungsgefangene ohne Asylbewerberstatus.

Solche Ungleichheiten sollen nun ein Ende haben. Und das nicht nur in Baden-Württemberg. „Das Justizministerium ist Anfang 2015 an das Integrationsministerium herangetreten und hat eine Angleichung der Geldbeträge angeregt“, sagt Sprecher Ganninger. Mittlerweile sei „länderübergreifend“ eine neue Rechtsgrundlage beschlossen worden, heißt es beim Integrationsministerium. Künftig sollen Asylbewerber in Untersuchungs- oder Abschiebehaft weniger Bargeld bekommen als bisher – nämlich so viel wie Sozialhilfeempfänger. „Die Umsetzung dieses Beschlusses soll in Kürze erfolgen“, sagt Sprecher Christoph Häring. Verantwortlich dafür seien die „zuständigen Leistungsbehörden“, also Regierungspräsidien, Stadtverwaltungen und Landratsämter.

In Stuttgart ist das Problem behoben

In der Landeshauptstadt ist man da schon einen Schritt weiter. „Wir haben bereits im vergangenen Jahr nachgesteuert“, sagt Sozialamtsleiter Stefan Spatz. Hartz-IV-Bezieher in Untersuchungshaft erhalten seither zehn Prozent des Regelsatzes, also 40,40 Euro im Monat. Asylbewerber hinter Gittern bekommen ein Taschengeld in Höhe von ebenfalls zehn Prozent aller monatlichen Gesamtleistungen – damit kommen sie auf 36,40 Euro. „In Stuttgart herrscht in diesem Punkt Gerechtigkeit“, sagt Spatz.

Die Angleichung scheint auch deshalb überfällig, weil es sie bei regulärer Strafhaft bereits gibt. Wer rechtskräftig verurteilt hinter Gittern sitzt, muss dort normalerweise arbeiten und bekommt dafür einen Stundenlohn in Höhe von 1,31 bis 2,18 Euro. Wer ohne eigenes Verschulden nicht arbeiten kann und bedürftig ist, erhält ein Taschengeld von 37 Euro pro Monat – unabhängig davon, ob er Asylbewerber ist oder nicht.

Wie viele Asylsuchende derzeit in Baden-Württemberg in Untersuchungshaft sitzen und damit von der bisher unterschiedlichen Leistungshöhe betroffen sind, vermag man im Justizministerium nicht zu sagen. Dort wird nur eine Statistik über die Nationalitäten geführt, nicht aber über den Status der Gefangenen. Zuletzt erfasst worden sind die Herkunftsländer im Frühjahr 2015. Damals hatten von 1520 Menschen in U-Haft 878 keinen deutschen Pass. Inzwischen ist die Zahl der Untersuchungsgefangenen im Land auf 1756 gestiegen.

Gefangene in Baden-Württemberg

Ende Februar saßen in den Gefängnissen in Baden-Württemberg 4889 Strafgefangene ein. Dazu kamen 1756 Menschen in Unter-suchungshaft und 58 Sicherungsverwahrte. Die Zahl der Untersuchungsgefangenen ist damit binnen Jahresfrist deutlich gestiegen. Im März 2015 sind es nur 1520 gewesen – und dazu 4984 Strafgefangene sowie 67 Sicherungsverwahrte.

Die letzte Erhebung über die genaue Zusammensetzung der Häftlinge stammt aus dem vergangenen Frühjahr. Demnach war der weitaus größte Teil männlich. Knapp zwei Drittel der Strafgefangenen, aber nur 42 Prozent der Untersuchungsgefangenen hatten einen deutschen Pass.

Bei den damals insgesamt 2576 Straf- und Untersuchungsgefangenen ausländischer Herkunft lagen folgende Nationalitäten vorn: Türkei (478), Rumänien (237), Italien (174), Kosovo (167), Georgien (154), Polen (118), Algerien (111), Kroatien (78), Serbien (69), Albanien (65) sowie Gambia (61).

In Baden-Württemberg gibt es derzeit 17 Gefängnisse mit 22 Außenstellen sowie zwei Jugendarrestanstalten. (jbo)