Auch im KfZ-Handwerk erhalten Geflüchtete eine Chance. Foto: dpa

Kleine Unternehmen sind genauso bereit, Flüchtlingen eine Chance zu geben, wie die großen. Was alle Betriebe gemeinsam haben, ist die nach wie vor unsichere Rechtslage, meint Wirtschaftsredakteur Thomas Thieme.

Stuttgart - Alles war schlimm, die Wüste ist scheiße, aber mit 110 Leuten in einem kleinen Boot übers Mittelmeer zu fahren auch.“ Diese Worte spricht Simon Zeru zwar leise, aber in beinahe einwandfreiem Deutsch. Der junge Mann ist gerade 19 Jahre alt, als er ohne Wissen seiner Familie vor einer Zukunft im Militärdienst aus Eritrea flieht. Er wird ein Dreivierteljahr lang unterwegs sein. Während dieser Flucht durchleidet er Qualen, die ihn irgendwann auch am Wert des Lebens zweifeln lassen. Drei Jahre später steht er in den Startlöchern eines neuen Lebens. Er wohnt in der Region Stuttgart, hat eine Einstiegsqualifizierung zur Vorbereitung auf eine Lehre absolviert und einen Ausbildungsvertrag bei einem Energiekonzern in der Tasche.

Der junge Eritreer ist einer von mehreren Tausend jungen Menschen, die bereits eine Chance erhielten und sie auch genutzt haben. Vor allem als Reaktion auf den starken Anstieg der Flüchtlingszuwanderung seit 2015 haben große Unternehmen im Land Programme zur Qualifizierung und Integration initiiert, oft mit Hinweis auf ihre gesellschaftliche Verantwortung versehen. Im Zuge der Programme stellten sie zunächst ein Heer von Praktikanten ein.

Eine erste Befragung der Unternehmen, die die StZ vor Jahresfrist vorgenommen hat, kam zu dem ernüchternden Ergebnis von lediglich 18 Festanstellungen – dem standen mehr als 830 Praktikumsplätze gegenüber. Nun, ein Jahr später, sind die absoluten Zahlen zwar immer noch gering, aber sie weisen mit 157 Festanstellungen einen deutlichen Aufwärtstrend auf. Angesichts von mehr als 10 000 Mitarbeitern bei jedem der befragten Unternehmen ist dies zwar noch keine Erfolgsbilanz. Dennoch zeigen sowohl das Resultat der Umfrage als auch positive Einzelfälle, dass die Anstrengungen Früchte tragen.

Konzerne wie Daimler vermitteln Praktikanten auch weiter

Beispiele wie das des Brückenpraktikums von Daimler belegen, dass auch die Vielzahl von Praktika einen Nutzen haben – und zwar nicht nur für den Autobauer selbst. Die Stuttgarter haben zahlreichen jungen Menschen aus Afrika oder dem arabischen Raum die Möglichkeit gegeben, sich für 14 Wochen im Job zu bewähren. Daraus sind nach Angaben des Konzerns seit 2015 nicht nur 90 Festanstellungen im eigenen Haus hervorgegangen. Teilnehmer erhielten auch Jobangebote von anderen Betrieben aus dem Mittelstand und dem Handwerk sowie von Zeitarbeitsfirmen.

Kleineren Unternehmen fehlen oft die Mittel und Möglichkeiten, um eigene Programme zu starten. Doch gerade sie sind auf Zuwanderer als künftige Arbeitskräfte angewiesen. Während ein Konzern wie Bosch neue Azubis aus mehr als 20 000 Bewerbern auswählen kann, suchen manche Handwerker, aber auch kleinere Industrie- und Dienstleistungsbetriebe längst vergeblich nach ausbildungswilligem Nachwuchs.

Die Rechtslage ist für große wie kleine Betriebe unsicher

Dabei sind die kleinen Betriebe mindestens genauso bereit, Flüchtlingen eine Chance zu geben und sie beim schwierigen Einstieg in die Arbeit zu unterstützen. Ihnen kommt es weniger auf gute Noten oder perfekte Grammatik an. Vernünftige Umgangsformen und Freude an der Arbeit mit den Händen sind da schon eher gefragt.

Was alle Betriebe gemeinsam haben, ist die nach wie vor unsichere Rechtslage. Für abgelehnte Asylbewerber (Geduldete) sollte seit Inkrafttreten des Integrationsgesetzes 2016 die sogenannte 3+2-Regelung gelten, die ihnen ein Bleiberecht für die Dauer ihrer Ausbildung und bei einer Übernahme auch darüber hinaus garantiert. Bundesländer wie Bayern oder Baden-Württemberg erweisen sich bei der Auslegung der Regelung als andere jedoch rigider: Zu oft reißen Abschiebungsbescheide Lehrlinge mitten aus ihrer Ausbildung. Die betroffenen Betriebe nehmen das grummelnd zur Kenntnis, die Kammern im Land klagen schon lauter. Dass dies die Einstellungsbereitschaft nicht fördert, liegt auf der Hand.