Protest gegen die Gartenkündigung: Einige Bürger versammelten sich vor der Sitzung des Bezirksbeirats auf dem Wilhelm-Geiger-Platz. Foto: Torsten Ströbele

Die Lokalpolitiker beklagen, sie würden bei der Auswahl der Standorte für die Flüchtlingsunterkünfte vor vollendete Tatsachen gestellt.

Feuerbach - Die meisten Gesichter im großen Saal des Bezirksrathauses sahen nach der Sitzung des Bezirksbeirats am Dienstagabend erschöpft und müde aus. Bei rund 30 Grad Raumtemperatur im großen Sitzungssaal wurden teilweise hitzige Debatten zum Thema Flüchtlingsunterbringung in Feuerbach geführt.

Die Bezirksbeiräte verschiedener Fraktionen kritisierten, dass die Stadt bei der Unterbringung der neu ankommenden Flüchtlinge fast ausschließlich auf den Bau von Fertigbauten setze: Es könne und dürfe nicht sein, dass Stuttgart mit Systembauten zugepflastert werde, sagte Roland Saur (SÖS-Linke-Plus). „Mir fehlt ein schlüssiges Gesamtkonzept“, meinte Gabriele Heise (FDP). Sie forderte, dass die politischen Entscheidungsträger bei der Standortsuche früher eingebunden und beteiligt werden. Das passiere aber nicht. Stattdessen müsse man aus der Zeitung (die Nord-Rundschau berichtete) erfahren, wo Systembauten aufgestellt werden sollen.

Aktuell hat die Verwaltung vorgeschlagen, im Rahmen der vierten Tranche drei neue Flüchtlingsheime an der Wiener Straße für bis zu 243 Asylbewerber bauen zu lassen – angrenzend an die Beachvolleyballplätze hinter dem Vitadrom der Sportvereinigung Feuerbach. Weichen müssten dafür rund 3500 Quadratmeter Gartenflächen, die der Stadt gehören und noch verpachtet sind. Vor allem das Schicksal der Familie Schütz, die seit 55 Jahren einen rund 2000 Quadratmeter großen Garten angemietet hat, ruft einige Verwaltungskritiker auf den Plan. Vor Beginn der Sitzung hatte eine Gruppe rund um Pächter-Sohn Stephan Schütz Bezirksvorsteherin Andrea Klöber Unterschriften von 509 Bürgern übergeben, die sich für den Erhalt der Gartenflächen ausgesprochen haben.

Vorschläge von Bernd Klingler wurden überprüft

Am Ende der Sitzung war zumindest die Mehrheit der Kommunalpolitiker derselben Ansicht. Von den zwölf Mitgliedern des Gremiums stimmten nur die drei Grünen der Vorlage der Verwaltung zu. Mehrheitlich (8:4) folgten die Bezirksbeiräte einem Antrag der SPD, der vorsieht, an der Wiener Straße nur zwei Systembauten zu erstellen, „die so angeordnet werden, dass ein Teil der Fläche für eine Gartennutzung erhalten bleibt“. Um diesen Vorschlag realisieren zu können, sollen die Beachvolleyballfelder weichen. Von dem Vorstoß der Sozialdemokraten wusste der Präsident der Sportvereinigung Feuerbach, Rolf Schneider, allerdings nichts. Gegenüber unserer Zeitung äußerte er sich am Mittwoch wie folgt: „Die Fläche gehört uns in Erbpacht. Deshalb wundert mich der Vorstoß schon. Ich nehme das jetzt mal zur Kenntnis.“

Am Dienstagabend ging es im Feuerbacher Rathaus aber auch noch um weitere Alternativen zu den Unterkünften an der Wiener Straße. AfD-Stadtrat Bernd Klingler hatte der Verwaltung am 22. Juni acht Vorschläge präsentiert, die geprüft wurden. Die Ergebnisse stellte nun Axel Wolf vom Amt für Liegenschaften und Wohnen vor: Die Verwaltung hielt keinen der Standorte für geeignet. Theoretisch sei es zwar möglich, auf dem Bolzplatz an der Ecke Triebweg/Wiener Straße zwei Systembauten zu erstellen. Der intakte Bolzplatz sei aber für die umliegenden Bewohner sehr wichtig und soll erhalten bleiben, heißt es bei der Verwaltung. Einfacher gestaltet sich die Argumentation bei den meisten der anderen sieben Vorschläge. Da wären zum Beispiel das Kiefer- und das Fahrion-Areal, die noch nicht einmal der Stadt gehören – genauso wie das Alte Postgebäude am Bahnhof. Oder der denkmalgeschützte Alte Friedhof, der erst 2014 umfangreich saniert wurde. Auch das frühere Polizeirevier an der ehemaligen Messe kommt für die Verwaltung nicht in Frage: Die Fläche liege in Stuttgart-Nord und nicht in Feuerbach. Zudem sei sie aus stadtklimatologischer Sicht nicht zu bebauen. Die ebenfalls auf der Liste stehenden Parkplätze oberhalb des Triebwegs sind an die örtlichen Sportvereine verpachtet und werden anscheinend dringend gebraucht. Die Fläche hinter dem Friedrichsbau Varieté am Pragsattel steht aufgrund konkreter Baupläne nicht zur Verfügung.

Bezirksbeiräten fehlt das Konzept der Verwaltung

Auch die Gemeinderatsfraktion der Freien Wähler hatte vor einigen Tagen noch mögliche Alternativen zur Wiener Straße benannt. Doch die beiden Flächen südlich und nördlich des Friedhofs an der Feuerbacher-Tal-Straße seien nahezu vollständig in Privateigentum. Zudem seien die Standorte nicht genehmigungsfähig, sagte Wolf. Mangels zeitlicher Verfügbarkeit werde auch die Friedhofsgärtnerei keine Rolle spielen, die sich auch nur teilweise in städtischer Hand befindet.

Jochen Heidenwag (Freie Wähler) kritisierte, dass in Sachen Standortsuche ständig „das gleiche Spielchen“ aufgeführt werde. „Bürger und Bezirksbeiräte machen Vorschläge, und die Verwaltung lehnt diese ab. Da bleibt bei mir ein schales Gefühl zurück, das ist kein fairer Prozess“, sagte Heidenwag. Dirk Teichmann (CDU) betonte, der Bezirksbeirat habe schon bei früheren Verfahren bemängelt, dass die Stadtverwaltung die Prüfung der Alternativen nicht in der gebotenen Gründlichkeit ausführe. Der jetzt ins Spiel gebrachte Standort befinde sich in einem hoch verdichteten Wohngebiet. Er könne sich dort maximal ein oder zwei Bauten vorstellen, sagt Teichmann. Es sei nicht erkennbar, welches Suchraster die Stadt bei der Grundstücksauswahl anlege, kritisierte Gabriele Heise (FDP): „Warum müssen wir jedes Mal die Entscheidung einfach nur hinnehmen?“ Martin Härer (SPD) schlug vor, die Stadt solle einen Gesamtplan von Feuerbach vorlegen und darin die städtischen Flächen markieren. Mehr Transparenz bei der Entscheidungsfindung forderte auch Reiner Götz (Grüne/Bündnis 90). Die Stadt habe – nur um ein Beispiel zu nennen – ein Grundstück an der Burgherrenstraße mit gültigem Baurecht. Auch dieser Standort hätte wieder in die Diskussion gebracht werden können. Axel Wolf vom Liegenschaftsamt betonte, diese Fläche sei bereits mehrheitlich abgelehnt worden.