Tausende Flüchtlinge haben Ungarn Richtung Deutschland verlassen - auch Baden-Württemberg bereitet sich auf die Ankunft von 1300 Menschen in Sonderzügen vor. Sie sollen auf sechs Orte verteilt werden. In Stuttgart stellt man eine Unterkunft zur Verfügung, die eigentlich erst im Oktober bezogen werden sollte.

Stuttgart - Nach der Ausreise von mehreren tausend Flüchtlingen aus Ungarn wird ein Teil von ihnen am Samstagabend in Baden-Württemberg erwartet. Sie reisen nach dem neuesten Stand nicht mit Zügen über Stuttgart, sondern mit Bussen über Ulm ein. Die Fahrzeuge mit etwa 750 Menschen an Bord sollen direkt vom Burgenland in Österreich nach Baden-Württemberg fahren, hieß es am Samstag aus dem Staatsministerium. Die Flüchtlinge werden frühestens um Mitternacht im Südwesten erwartet.

Siehe auch: In der Olgastraße muss es jetzt schnell gehen

Die Flüchtlinge sollen in Donaueschingen (Schwarzwald-Baar-Kreis), Sinsheim (Rhein-Neckar-Kreis), Stuttgart, Heidelberg, Sigmaringen und Sasbachwalden (Ortenaukreis) unterkommen. Das Land habe Katastrophenalarm ausgelöst und wolle die Situation mit Hilfe der Feuerwehr, des Deutschen Roten Kreuzes und des Technischen Hilswerks bewältigen, sagte der Chef der Staatskanzlei, Klaus-Peter Murawski.

Der Transport sei umorganisiert worden, weil die Züge für längere Strecken etwa nach Norddeutschland benötigt würden, sagte ein Sprecher des Integrationsministeriums. Nach Baden-Württemberg müssten die Flüchtlinge nur eine relativ kurze Strecke zurücklegen.

Von München geht es weiter

Am Samstagmittag hatte ein Sonderzug mit den ersten Flüchtlingen München erreicht. Die Behörden rechnen mit mehreren tausend Menschen, die im Laufe des Wochenendes am Münchner Hauptbahnhof eintreffen werden. Allein am Samstag könnten es bis zu 7000 sein, hieß es. Die Männer, Frauen und Kinder, hauptsächlich aus Syrien, Pakistan und Afghanistan, hatten tagelang in Budapest festgesessen und durften in der Nacht zum Samstag nach Österreich weiterreisen. Österreich meldete, dass mindestens 10.000 Menschen in zehn Bahnzügen auf dem Weg nach Deutschland seien. Von München aus sollen sie innerhalb Bayerns und und auf andere Bundesländer weiterverteilt werden.

Murawski kündigte an, dass möglicherweise auch die geplante Flüchtlingsunterkunft in der bisherigen Hochschule für Polizei in Wertheim (Main-Tauber-Kreis) vorzeitig aufgemacht werde, um Platz für die Menschen zu schaffen.

„Die Ereignisse überschlagen sich“

Der Flüchtlingsstrom aus Ungarn stellt die Regierungspräsidien, die für die Unterbringung der Menschen zuständig sind, vor große Herausforderungen. „Die Ereignisse überschlagen sich“, sagte die Freiburger Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer. Die Reaktionszeiten hätten sich auf wenige Stunden verkürzt. Das Regierungspräsidium Freiburg bringt die Flüchtlinge unter anderem in einem Hotel in Sasbachwalden und in ehemaligen französischen Soldatenwohnungen in Donaueschingen unter.

Die Stadt Stuttgart stellt kurzfristig ein Haus des Caritasverbands zur Verfügung, das ursprünglich erst im Oktober bezogen werden sollte und 150 Menschen Platz bieten soll. Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer sagte, die Stuttgarter Feuerwehr werde das Haus mit Betten ausstatten und das Deutsche Rote Kreuz für Essen sorgen. Die Betreuung übernehme der Caritasverband.

Unterdessen ist in Baden-Württemberg ein Streit um die geplante Gesundheitskarte für Flüchtlinge entbrannt. Der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl im März 2016, Guido Wolf, sprach sich dagegen aus und erntete Kritik von den Grünen und der SPD. Der „Stuttgarter Zeitung“ sagte Wolf, er teile „die Bedenken derer die sagen, eine solche Gesundheitskarte ist natürlich ein weiterer Anreiz, nach Deutschland zu kommen, um sich hier einer medizinischen Rundumversorgung zu unterziehen“.

Sckerl: Es geht um medizinische Grundversorgung

Der innenpolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Uli Sckerl, warf Wolf vor, Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen. Es gehe um eine medizinische Grundversorgung, sagte er. „Wir wollen einfach nicht, dass jemand mit Schmerzen auf dem Amt erst einen Behandlungsschein beantragen muss.“

SPD-Generalsekretärin Katja Mast sagte, Wolfs Ablehnung der Gesundheitskarte sei „sach- und weltfremd“. Bislang müssen Flüchtlinge erst zum Sozialamt, wenn sie akut erkrankt sind. Mit der Gesundheitskarte sollen sie direkt zum Arzt gehen können.