Im Herbst sind viele Flüchtlinge in die Zeltstadt im Reitstadion eingezogen. Jetzt wandelt sich die Unterkunft zum Quartier für Nordafrikaner Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

In der Zeltstadt im Stuttgarter Reitstadion leben derzeit nur 75 Menschen – allesamt Algerier, die anderswo auffällig geworden sind. Nach neuen Plänen sollen künftig alle Nordafrikaner, die neu im Regierungsbezirk ankommen, nach Stuttgart verlegt werden.

Stuttgart - In der vergangenen Woche hat die Zeltstadt im Stuttgarter Reitstadion neue Bewohner bekommen. 40 Männer stiegen aus einem Bus, der aus Ellwangen gekommen war. Die Passagiere waren allesamt Nordafrikaner, die in der dortigen Erstaufnahmestelle des Landes zuvor einen Großeinsatz miterlebt hatten: Weil sie sich nicht hatten registrieren lassen wollen, rückte die Polizei an. Mindestens die Hälfte der 40 Männer sei als „auffällig beziehungsweise straffällig einzustufen“, teilte das zuständige Regierungspräsidium (RP) Stuttgart danach mit. Um in Ellwangen Ruhe zu schaffen, wurden sie nach Stuttgart gebracht.

Nicht ohne Grund: Denn im Reitstadion leben bereits seit einigen Wochen weitere Nordafrikaner, die zuvor in Ellwangen und Wertheim Ärger gemacht hatten. Stand heute sind auf dem Cannstatter Wasen 75 Männer untergebracht – allesamt Algerier. Zwar will man beim RP den Eindruck vermeiden, das Notquartier werde zur Unterkunft für schwierige Fälle umgebaut, ganz von der Hand weisen lässt sich der allerdings nicht: „Das Gelände bietet sich an, weil es umzäunt ist. Wir haben den Sicherheitsdienst noch einmal aufgestockt, 40 Leute sind jetzt rund um die Uhr da. Das ist einiges“, sagt Sprecherin Katja Lumpp. Und: Flüchtlinge aus anderen Regionen sollen dort vorerst nicht mehr einziehen. Die bunte Mischung aus dem Herbst ist Vergangenheit.

Aus Ellwangen nach Stuttgart

Doch bei den 75 Bewohnern wird es wohl dennoch nicht bleiben. Am Dienstag hat es in Ellwangen eine Besprechung gegeben. Das Ergebnis: Alle Nordafrikaner, ob auffällig oder nicht, die künftig in die dortige Erstaufnahmestelle kommen, sollen binnen 48 Stunden alle Verfahrensschritte durchlaufen: erkennungsdienstliche Behandlung, Registrierung, Gesundheitsprüfung sowie Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Danach sollen sie umgehend ins Reitstadion verlegt werden. „Wir reden nicht von großen Zahlen“, sagt RP-Sprecherin Lumpp. Klar ist aber: Auf dem Wasen werden in nächster Zukunft ausschließlich Nordafrikaner leben.

Das hat seinen Grund. Das Land plant, Nordafrikaner erst gar nicht mehr an die Stadt- und Landkreise zu überstellen, sondern in den Erstaufnahmen zu belassen, bis über ihren Asylantrag entschieden ist. Dort können sie bis zu sechs Monate bleiben. Das ist der Situation geschuldet, dass Männer aus diesen Ländern zuletzt überdurchschnittlich häufig als Straftäter oder Störenfriede aufgefallen sind.

„Es handelt sich vorwiegend um Algerier, Tunesier und Marokkaner, aber auch um einige Libyer und Ägypter“, sagt ein Sprecher des Innenministeriums. Es sei „grundsätzlich beabsichtigt“, diese Nationalitäten an mehreren Orten im Land zu konzentrieren. Eine genaue Konzeption werde derzeit erarbeitet. „Klar ist aber, dass es keine einzelne Einrichtung geben soll, in der ausschließlich Problemfälle untergebracht sind“, so der Sprecher. Auch das Reitstadion sei dafür nicht vorgesehen. Die Nordafrikaner seien dort derzeit schlicht deshalb untergebracht, „weil durch die Lage der Unterkunft eine gute Aufsicht gewährleistet ist“.

Derzeit gibt es keine Vorfälle in der Zeltstadt

Die derzeitige Sicherheitslage im Reitstadion sei kein Problem, betont man beim Regierungspräsidium. „Bisher läuft alles gut“, sagt Katja Lumpp. Auch das zuständige Polizeirevier vermeldet keine Auffälligkeiten: „Es ist alles ruhig, bisher gibt es keine Zwischenfälle, die die Polizei interessieren müssten“, sagt ein Sprecher. Straftaten habe man zumindest in der Unterkunft nicht registriert: „Das scheint zu funktionieren.“

Bei der Stadt Stuttgart äußert man sich zurückhaltend zu den Plänen. „Wir als Stadt tun unser Möglichstes, die Flüchtlingskrise zu meistern. Es ist daher nur konsequent, eng mit dem Land zusammenzuarbeiten und ihm auch städtische Flächen bereitzustellen“, sagt Sprecher Sven Matis. Wie die Menschen in den Erstaufnahmestellen verteilt werden, sei Sache des Landes. Allerdings lässt Matis auch Kritik durchklingen: „Wir würden es aber begrüßen, wenn wir rechtzeitig davon wüssten, wenn das Land auffällig gewordene Flüchtlinge verstärkt in einer der beiden Erstaufnahmestellen in Stuttgart unterbringen will.“

Hintergrund: Erstaufnahmen des Landes in Stuttgart

Das Land Baden-Württemberg hat derzeit in Stuttgart zwei Notquartiere für die Erstaufnahme von Flüchtlingen eingerichtet. Es handelt sich um eine Zeltstadt im Reitstadion sowie um die ehemalige Logistikhalle der Deutschen Post am Nordbahnhof. Beide sind keine vollwertigen Erstaufnahmestellen (Lea) wie in Karlsruhe oder Ellwangen, weil dort nicht alle Verfahrensschritte absolviert werden können. Die Quartiere dienen vorwiegend als Reserve für großen Andrang. Sie haben nichts mit den zahlreichen kommunalen Unterkünften der Stadt zu tun.

Das Reitstadion auf dem Cannstatter Wasen wird seit November für große Zelte genutzt. Dort haben bis zu 1160 Menschen Platz. Voll ausgelastet gewesen ist die Zeltstadt allerdings bisher noch nicht, zeitweise stand sie sogar komplett leer. Das Reitstadion steht nur bis Juni zur Verfügung. Danach wird es für den Aufbau der Kinderspielstadt Stutengarten benötigt, die dort immer in den Sommerferien steht.

Anders verhält es sich bei der früheren Logistikhalle der Post am Rande des Nordbahnhofsgeländes. Das Land hat das Areal, das an den Rosensteinpark angrenzt, für zunächst fünf Jahre angemietet. 1500 Asylsuchende könnten dort unterkommen – zur Not wäre auch ein weiterer Ausbau denkbar. Bisher hat dort noch niemand gewohnt, denn die Ausbauarbeiten laufen noch immer. Die Fertigstellung soll laut dem Stuttgarter Regierungspräsidium in etwa zehn Tagen sein. Allerdings könnten auch dann nur 500 Menschen einziehen, weil die Fluchtwege nicht abschließend geklärt sind. Derzeit geht man beim Land aber nicht davon aus, dass man sofort auf die Plätze wird zugreifen müssen. (jbo)