Immer häufiger greift die Polizei an den Landesgrenzen Schleuser auf Foto: dpa

Mit interaktiver Grafik - Immer mehr Flüchtlinge versuchen auf illegalem Weg nach Baden-Württemberg zu kommen. Dabei werden sie von Kriminellen ausgenommen. Die Bundespolizei hat im Land im ersten Halbjahr 2014 bereits 66 Schleuser festgenommen – vier Mal so viele wie im selben Zeitraum des Vorjahres.

Stuttgart - Da staunen die Beamten des Stuttgarter Bundespolizeireviers vor einigen Tagen nicht schlecht. Um die Mittagszeit betreten vier Männer die Räumlichkeiten. Mit Händen und Füßen erklären sie, dass sie aus Syrien kommen und in Deutschland Asyl suchen. Ausweispapiere haben sie nicht dabei. Offenbar haben sie sich aus Italien nach Baden-Württemberg durchgeschlagen – erst mit dem Bus, dann in einem Auto.

Normalerweise müssen Asylbewerber im ersten Land, in dem sie die Europäische Union betreten, Asyl beantragen. Viele reisen aber illegal in andere Länder weiter – entweder, weil sie lieber dorthin wollen, oder weil sie anderswo bereits abgelehnt worden sind. „Irregulär migriert“ nennen die Behörden das im Fachjargon. Und sehen sich einem Phänomen gegenüber, das angesichts des Flüchtlingsstroms immer größere Ausmaße annimmt.

Und das beileibe nicht nur an den Außengrenzen der Bundesrepublik. Allein in Stuttgart und Ulm, vorwiegend an den dortigen Bahnhöfen, sind in der vergangenen Woche über 50 Flüchtlinge aufgegriffen worden. Am selben Tag, an dem die Syrer auf dem Stuttgarter Revier vorstellig geworden sind, stieß die Bundespolizei in einem Zug auf dem Weg in die Landeshauptstadt auf sechs Eritreer. Die vier Erwachsenen und zwei kleinen Kinder hatten keine Fahrscheine und keine Ausweise bei sich. Auch aus dem Gaza-Streifen und dem Sudan landen derzeit viele Flüchtlinge auf verschlungenen Pfaden an.

„Die Leute gehen ganz unterschiedlich vor“, sagt der Stuttgarter Bundespolizeisprecher Jonas Große. „Manche werden in Zügen kontrolliert und fallen dabei auf, andere gehen von selbst gezielt auf Polizisten zu.“ Manche wollten eigentlich weiter Richtung Skandinavien, andere gezielt nach Baden-Württemberg. Meist haben sie höchstens eine Reisetasche mit ihren gesamten Habseligkeiten bei sich.

Wer erwischt wird oder auf sich aufmerksam macht, bekommt eine sogenannte Anlaufbescheinigung. Mit der können die Flüchtlinge sich in der zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber in Karlsruhe melden, um ihren Antrag zu stellen. „Wer Geld hat, kauft sich ein Zugticket dorthin, ansonsten bezahlen wir das“, so der Polizeisprecher. Dass die Leute wirklich dorthin fahren, kann keiner garantieren. „Wir gehen aber davon aus, dass Menschen, die zu uns kommen, hier auch ein Asylverfahren wollen“, sagt Große.

Die illegalen Einreisen nehmen dramatisch zu. Allein die Bundespolizeiinspektion Stuttgart ist im ersten Halbjahr dieses Jahres bereits auf 293 Flüchtlinge gestoßen. Im ersten Halbjahr 2013 sind es nur zwölf gewesen. Auch landesweit lässt sich ein ähnlicher Trend feststellen. Bis Ende Juni hat die Bundespolizei in Baden-Württemberg über 3200 Flüchtlinge bei der unerlaubten Einreise erwischt. Das sind 220 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Im gesamten vergangenen Jahr sind es nur 2800 Menschen gewesen. Die meisten von ihnen kommen derzeit aus Syrien und Eritrea.

Viele der Asylsuchenden kommen nicht ohne fremde Hilfe ins Land. Die Bundespolizei hat seit Jahresbeginn in Baden-Württemberg 66 Schleuser festgenommen, vier Mal so viele wie noch im ersten Halbjahr 2013. Die Kriminellen werden meist an der Grenze abgefangen.

Laut Polizei kommen viele von ihnen aus der organisierten Kriminalität. Ihre Methoden seien oft menschenverachtend. Das Wohl der Flüchtlinge sei ihnen egal, es gehe nur ums Geld. Oftmals müssen die Menschen ihre gesamte Habe für den Schleuser aufbringen oder stehen später gar jahrelang in seiner Schuld. Die Täter reagieren schnell auf veränderte Vorgehensweisen der Polizei. Die Mafia hat den Markt für sich entdeckt, weil dort zum Teil mehr Geld zu verdienen ist als im Drogenhandel.

Die Bundespolizei hat schon seit April ihre Kontrollen an den Grenzen des Landes erheblich verstärkt. Seither steigen die Zahlen der angetroffenen Flüchtlinge und Schleuser noch schneller als zuvor. Lösen wird das die Lage nicht. Die Beamten auf den Revieren werden sich darauf einstellen müssen, dass noch öfter plötzlich Flüchtlinge vor ihnen stehen. Und nach einer Reise auf verschlungenen Wegen auf eine Zukunft in Baden-Württemberg hoffen.