Enes, Sibela und Helin (v.l.) fühlen sich im Autohof sichtlich wohl – obwohl sie aus ihren Heimatländern flüchten mussten. Foto: Caroline Leibfritz

Die Flüchtlinge, die im früheren Hotel Autohof in Wangen leben, haben teils traumatische Erlebnisse hinter sich. Nun wünschen sie sich Anschluss an die Gesellschaft.

Wangen - Strahlend nehmen Sibela, Helin und der kleine Enes die bunten Malstifte in die Hand, die sie von ihren Betreuerinnen bekommen haben. Die zehnjährige Sibela malt einen Baum, die siebenjährige Helin eine Sonne und der vierjährige Enes sein Lieblingstier – einen Löwen. Dass die drei Kinder so unbelastet spielen und lachen können, ist alles andere als selbstverständlich. Denn sie alle mussten gemeinsam mit ihren Familien aus ihren Heimatländern fliehen.

Jetzt sind sie im ehemaligen Hotel Autohof in Wangen untergebracht. Insgesamt 84 Flüchtlinge leben dort zur Zeit. Und die Geschichten, die sie zu erzählen haben, lassen einem schier das Blut in den Adern gefrieren. Ein 40-jähriger Syrer – ein Jeside, der nicht namentlich in der Zeitung genannt werden möchte – erzählt, weshalb er aus Syrien flüchten musste. „Vor dem Krieg haben alle Religionen noch friedlich zusammengelebt“, sagt er. Dann habe sich alles verändert. „Wer nicht Moslem werden wollte, musste Schutzgeld bezahlen oder wurde geköpft. Deshalb sind wir geflohen.“

Der 40-Jährige musste Enthauptungsszenen mit ansehen

Enthauptungen seien in Syrien häufig gewesen, erzählt der Mann. Sogar ein Foto von abgetrennten Köpfen hat er mit nach Deutschland gebracht. „Sie haben auch einen guten Freund von mir ermordet, der Christ war, und ebenso dessen Kind“, sagt er unter Tränen. „Warum tun Menschen so etwas?“ Da er zur Zeit seiner Flucht nicht genug Geld hatte, nahm der 40-Jährige zunächst nur seinen Sohn mit nach Deutschland. 13 000 Euro, sagt er, habe er den Schleppern für die Überfahrt nach Europa bezahlen müssen. „Wir waren drei Tage lang auf einem Schiff – ohne Essen und Trinken“, erinnert er sich.

Frau und Kinder warten noch auf die Ausreiseerlaubnis

Seit etwas mehr als anderthalb Jahren sind er und sein neunjähriger Sohn nun in Deutschland und lernen die Landessprache. Sobald er seinen Deutschkurs bestanden hat, will der 40-Jährige in Stuttgart in seinem gelernten Beruf als Automechaniker arbeiten. Seine Frau und seine beiden Töchter haben es immerhin bis in die Türkei geschafft. Dort warten sie nun auf ihre Ausreiseerlaubnis, um ebenfalls nach Stuttgart kommen zu können.

Menschliche Schicksale wie diese beschäftigen die Betreuerinnen der Autohof-Flüchtlinge tagtäglich. Margit Lutz und Ewa Kozyra von der Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt (AGDW), die für die Betreuung der Flüchtlinge zuständig ist, unterstützen die Menschen, wo sie nur können. „Wir vermitteln die Flüchtlinge in Deutschkurse, helfen ihnen bei der Suche nach einem Studienplatz und unterstützen sie dabei, ihre Familien nach Deutschland zu holen“, sagt Margit Lutz. „Aber manchmal dauert es sehr lange bis die entsprechenden Anträge bewilligt sind und die Familien einreisen dürfen“, ergänzt ihre Kollegin Ewa Kozyra. Doch selbst wenn alles gut läuft und sich die Familien in Deutschland wiedersehen, heißt das noch lange nicht, dass sie auch gemeinsam leben dürfen. „Hier im Autohof sind die Plätze alle belegt“, erklärt Margit Lutz. Familien, die nach Stuttgart kommen, müssten sich also eigentlich an die Obdachlosenhilfe wenden – es sei denn, die Familie findet eine Wohnung. „Hier hoffen wir sehr auf die Bereitschaft der Stuttgarter Vermieter“, sagt Lutz. „Schließlich wird die Miete vom Jobcenter bezahlt, so lange die Menschen noch keinen Arbeitsplatz haben.“

Neben bezahlbarem Wohnraum und einem Job wünschen sich die Flüchtlinge vor allem eins: Anschluss an die Stuttgarter Gesellschaft zu finden, um sich auch in Deutschland heimisch fühlen zu können.