Rudin Ali, ihr Mann Fayez al Sayed mit ihren Kindern im Spielzimmer der Unterkunft an der Helene-Pfleiderer-Straße Foto: Cedric Rehman

Der Syrer Fayez al Sayed sucht nach einer Wohnung. Bisher vergeblich. Zurzeit lebt er mit seiner Familie im Asylheim in Stuttgart-Degerloch. Helfer erklären, warum Flüchtlinge so große Probleme haben, eigene vier Wände zu finden.

Filder - Sobald Fayez al Sayed und seine Frau Rudin Ali die Unterführung an der Stadtbahn-Haltestelle Degerloch hinter sich lassen, beschleicht sie oft ein seltsames Gefühl. „Manchmal würden wir am liebsten wieder umdrehen und in die Stadt zurückfahren“, sagt Rudin Ali. Das syrische Ehepaar kurdischer Herkunft will nicht falsch verstanden werden. „Wir sind unglaublich dankbar für alles, was Deutschland für uns tut“, sagt der 33-jährige al Sayed. Auch die Unterkunft an der Helene-Pfleiderer-Straße sei modern. Aber nach einem Jahr würden sich ihre Gespräche eben doch darum drehen, wie lange das Provisorium Asylheim noch ein Dauerzustand bleiben soll. „Unsere Kinder wachsen seltsam auf. Sie sprechen inzwischen Arabisch, Kurdisch und Deutsch. Alles ein Mischmasch“, sagt al Sayed.

Die babylonische Sprachverwirrung, die er seinem Nachwuchs attestiert, scheint ihn weniger zu amüsieren als zu beunruhigen. Die Suche nach einer eigenen Wohnung gestaltet sich derweil frustrierend. „Wenn ich eine Mail schreibe wegen einer Wohnung, bekomme ich keine Antwort. Wenn ich irgendwo anrufe, wird aufgelegt, sobald ich meinen Nachnamen sage.“ Für al Sayed steht fest, dass es an dem Klang seines Namens liegt. Der klingt arabisch, obwohl al Sayed Kurde ist.

Vermieter können auswählen

Björn Gieseler und Ibtissam Khanafer vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) sitzen mit dem kurdischen Ehepaar an einem Tisch im Spielzimmer der Degerlocher Unterkunft. Das DRK betreibt das Heim, und die beiden Mitarbeiter bekommen mit, wie schwierig sich die Wohnungssuche der Bewohner gestaltet. Für die Vermieter gebe es Gründe, warum sie nicht an Flüchtlinge vermieten wollen, sagt Björn Gieseler. Der wichtigste sei, dass Vermieter in Stuttgart angesichts des hohen Bedarfs die freie Auswahl haben und sich ihre Kandidaten wie Rosinen herauspicken könnten. „Da haben es Flüchtlinge schon allein deshalb schwer, weil viele sich schlecht verständigen können“, sagt Gieseler. Das Argument, dass Flüchtlinge als Mieter zumindest verlässliche Einkünfte versprechen, sofern sie Leistungen vom Jobcenter in Anspruch nehmen, werde aus Sicht von Vermietern durch etwas anderes aufgewogen. „Wer nicht arbeitet, ist ständig daheim, und das bedeutet eine stärkere Abnutzung der Wohnung“, sagt Gieseler.

Letztlich spiele auch die Stimmung eine Rolle, die sich nach einer Phase der Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen im Jahr 2015 inzwischen eher in Richtung Skepsis entwickelt habe. „Auch Deutsche mit arabischem Namen haben es schwer, eine Wohnung zu finden“, meint Ibtissam Khanafer.

Helferin rät zu Zuversicht

Monika Althoff vom Möhringer Freundeskreis Flüchtlinge glaubt nicht, dass eine latente Ablehnung von Flüchtlingen Ursache für deren Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche sei. „Ich bin Ende der 80er Jahre aus der DDR übergesiedelt. Für uns gab es auch keine Wohnungen. Der Wohnungsmarkt in einer Großstadt ist eben schwierig“, sagt Althoff. Die Helferin rät den Flüchtlingen, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. „Ich sage ihnen, dass es wichtig ist, wie sie auftreten und wie sie sich kleiden. Und natürlich geht es nicht, wenn Müll vor dem Heim liegt. Das ist dann kein Aushängeschild für mögliche Vermieter“, sagt Althoff. Sie rät den Flüchtlingen, nicht auf eine Zukunft in der Großstadt zu bauen. „Sie sollten sich umorientieren in Richtung ländliche Regionen. Da gibt es bezahlbare Wohnungen“, sagt Althoff. Doch so einfach sei das nicht, sagt Björn Gieseler. Im vergangenen Jahr wurde die Aufenthaltspflicht für Flüchtlinge in ihren Kommunen wieder eingeführt. „Der Gedanke war damals, dass nicht alle Flüchtlinge in die Ballungszentren ziehen. Jetzt verhindert das Gesetz aber, dass Flüchtlinge aus den Großstädten auf dem Land Wohnungen suchen“, sagt er.

Der Weg zu einer eigenen Bleibe sei vorgezeichnet, meint Gieseler. „Erst müssen die Flüchtlinge Deutsch lernen, dann einen Job finden. Wenn sie arbeiten, haben sie auch eine Chance, aus der Aufenthaltspflicht entlassen zu werden.“ In Zahlen bedeutet das, dass ein alleinstehender Flüchtling mehr als 710 Euro netto verdienen muss, um im Umland eine Wohnung anmieten zu dürfen. Für viele dürften die Unterkünfte wohl noch eine Weile ihr Zuhause bleiben.