Syrische Flüchtlinge spielen im Stuttgarter Theaterhaus Foto: Leif Piechowski

Die Mozart-Oper „Così fan tutte“ zählt zum europäischen Kulturgut. Ein Flüchtlingsprojekt inszeniert das Stück nun mit Syrern, die aus ihrer Heimat vor dem Krieg geflohen sind.

Stuttgart - In Mozarts umstrittener Oper „Così fan tutte“ gibt es eine Szene, in der sich zwei Offiziere von ihren Frauen verabschieden, um in den Krieg zu ziehen. Das ist einer jener Momente, in dem sich die Bühnenhandlung und die erlebte Biografie der Sänger plötzlich seltsam annähern: 30 Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien sind an dem Opernprojekt beteiligt, das am 5. Oktober im Theaterhaus Stuttgart seine Premiere feiert.

Bei Mozart geht es zwar nur um einen scheinbaren Krieg, im Vordergrund stehen Liebschaften, Affären und Ehebruch, was die Oper in ihrer Zeit umstritten machte. Dennoch überschneiden sich die Lebenswelt im Flüchtlingsheim und das Spiel auf der Bühne häufiger, als es wohl so manch Außenstehender vermuten würde.

Das sagt zumindest Cornelia Lanz, die künstlerische Leiterin des Opernprojekts, das knapp drei Dutzend Flüchtlinge einspannt, die derzeit in einer Unterkunft in Oggelsbeuren (Landkreis Biberach) leben. Und Cornelia Lanz muss es wissen. Sie arbeitet schon seit mehren Monaten mit den Flüchtlingen zusammen, die in einem ehemaligen Kloster unterkommen.

„Zum Beispiel das Motiv der Langeweile und der Untätigkeit“, sagt Lanz. Die im Jahr 1789 komponierten Oper in zwei Akten erzählt von der Wette dreier Männer. Don Alfonso wettet gegen die zwei jungen Offiziere, dass deren Ehefrauen nicht treu bleiben würden – und gewinnt die Wette schließlich. „Zumindest auf den zweiten Blick spielen Affären und Liebschaften auch in einem Flüchtlingsheim eine große Rolle. Das ist ein abseitiger Aspekt, man kann ihn aber nicht verleugnen“, sagt Cornelia Lanz.

Mozarts „Così fan tutte“ wurde nicht so modern inszeniert, dass das Original nicht mehr wiederzuerkennen ist. Eingestreut sind jedoch immer wieder syrische Tänze und Lieder. Als Orchester treten die Stuttgarter Symphoniker an. „Spannend bei der Konzeption war vor allem, einerseits mit hochprofessionalisierten Musikern zusammenzuarbeiten, andererseits aber auch Laien einzuspannen, die noch nie in ihrem Leben mit Oper zu tun gehabt haben“, sagt Cornelia Lanz.

Zumal die syrischen Flüchtlinge erst ein paar Monate in Deutschland leben. Seit dem Frühjahr hat die Stiftung Heimat, die das Projekt gemeinsam mit dem Stuttgarter Verein Zuflucht Kultur angestoßen hat, für Bürgerkriegsflüchtlinge im Landkreis Biberach einen Zufluchtsort eingerichtet. Mehrere Dutzend Verfolgte leben in dem ehemaligen Franziskanerinnenkloster in Oggelsbeuren.

Den ganzen August lang hat das Team um Cornelia Lanz in den alten Mauern geprobt. Unter Anleitung von Opernsängern und Künstlern wurden so 30 Flüchtlinge aus Syrien in die Welt der Oper eingeführt: Einige von ihnen sind für das Bühnenbild verantwortlich, andere kümmern sich um die Maske und wieder andere um die Beleuchtung. Zwei Drittel, 20 Syrer, treten selbst auf der Bühne auf und schlüpfen in die Rollen von Sängern oder Schauspielern.

„Es wird außerdem ein kleines Programm geben, bevor die Oper beginnt“, sagt die künstlerische Leiterin Cornelia Lanz. Eine kleine Gruppe von Flüchtlingen trägt eigene Gedichte vor, die unter anderem von dem Krieg und Leben in der Fremde handeln.

Die Idee, Flüchtlinge auf die Bühne zu holen, um sie zu integrieren, ist nicht neu. Am Thalia-Theater in Hamburg zum Beispiel läuft derzeit Elfriede Jelineks Stück „Die Schutzbefohlenen“, in dem die Österreicherin scharf den Umgang ihres Landes mit Flüchtlingen kritisiert. Cornelia Lanz vom Mozart-Projekt beteuert jedoch, dass dies die bisher einzige Oper sei, die mit der Unterstützung von Flüchtlingen auf die Bühne gebracht werde. Garantiert sei sie die erste, die mit einer eigens komponierten Ouvertüre aufwarte, die die Flüchtlinge singen. „Janna“ heißt sie. Das bedeutet so viel wie „Paradies“.

Premiere von „Così fan tutte“ am Sonntag, 5. Oktober, 19.30 Uhr, Theaterhaus, Karten unter Telefon 07 11 / 4 02 07 20.