Teilrente und bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten: Das Interesse daran wächst. Foto: dpa

Bis zum Schluss mit Vollgas arbeiten und dann gar nichts mehr tun – das mag nicht jeder. Seit diesem Jahr haben Beschäftigte mehr Möglichkeiten, Teilrente zu beziehen und trotzdem weiter zu arbeiten. Das Interesse daran wächst.

Stuttgart - Die Flexirente trifft offenbar den Nerv vieler angehender Ruheständler. Bei der gesetzlichen Rentenversicherung steigen die Anfragen für einen Beratungstermin. „Unsere Versicherten berichten von einem zunehmenden Interesse der Arbeitgeber, ältere Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen“, sagt Elisabeth Benöhr, Mitglied der Geschäftsführung der baden-württembergischen Rentenversicherung. „Die Flexirente schafft einen Anreiz, neben einer Vollrente oder einer Teilrente weiter zu arbeiten. Bisher hat sich das oft nicht gerechnet.“

Ab Juli 2017 verbessern sich die Hinzuverdienstmöglichkeiten. Bei einer Teilrente können 6300 Euro jährlich hinzu verdient werden, ohne dass der Hinzuverdienst auf die Rente angerechnet wird. Wer mehr verdient, muss 40 Prozent davon auf seine Rente anrechnen lassen. Auch wer mit Abschlägen vorzeitig in den Ruhestand gegangen ist, kann weiterarbeiten und erwirbt damit Beiträge, die seine Rente erhöhen.

Beiträge können freiwillig aufgestockt werden

Seit Anfang des Jahres können Versicherte auch mit freiwilligen Beiträgen ihre Rente aufstocken. In einer Zeit, in der auf Sicherheit bedachte Sparer für ihre Geldanlage keine Zinsen bekommen, kann dies durchaus eine Überlegung wert sein. Bisher konnten freiwillige Beiträge zum Rückkauf von Abschlägen erst ab dem 55. Lebensjahr geleistet werden, seit Jahresbeginn ist dies schon ab dem 50. Lebensjahr möglich. Mit diesen Zahlungen lassen sich mögliche Rentenabschläge ausgleichen für den Fall, dass man nicht bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, die ja schrittweise bis 67 angehoben wird, arbeiten möchte. Wer doch bis zur Regelaltersgrenze durchhält, hat mit den Zahlungen dann seine Rente aufgestockt. „Das ist eine feine Sache“, zeigt sich Benöhr überzeugt. Wer Geld übrig hat, dem biete sich hier eine gute Möglichkeit, seine Rentenbezüge aufzubessern. Ob sich so eine Anlage rechnet, zeigt sich erst am Ende des Lebens. Stirbt jemand früh, war es ein schlechtes Geschäft, bezieht man lange Rente, war es lukrativ. „Je älter ich werde, desto mehr habe ich davon“, sagt Benöhr.

Für monatlich 30 Euro mehr Rente müssen 6938 Euro freiwillig eingezahlt werden

Seit Jahresbeginn können auch Frührentner mit freiwilligen Beiträgen ihre Rente aufstocken. Wer sich etwa mit 63 Jahren aus dem Arbeitsleben verabschiedet hat, kann bis zum Erreichen der Regelsaltersgrenze freiwillige Beiträge zahlen und damit seine Rente erhöhen. Bisher war das ausgeschlossen. Die monatliche Beitragshöhe kann zwischen 84,15 Euro und 1187,45 Euro frei gewählt werden (Zahlen für 2017). Ein Beispiel: um seine Rente monatlich um rund 30 Euro zu erhöhen, müssen rund 6938 Euro an freiwilligen Beiträgen in die Rentenkasse eingezahlt werden.

Im heraufziehenden Bundestagswahlkampf ist zunehmend vom Rentenniveau die Rede. Im Jahr 2000 lag es bei 53 Prozent, heute sind es 48 Prozent. „Viele denken, dass sich die Prozentzahl auf den letzten Lohn bezieht. Das ist aber nicht so“, sagt Benöhr. „Das Rentenniveau ist eine Modellmessung.“ Es setzt die Rente, die jemand bezieht, der 45 Jahre durchschnittlich verdient hat, ins Verhältnis zum Durchschnittsentgelt vor Steuern. Das Bundesministerium für Soziales hat zum Jahresende einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, wonach das Rentenniveau bis 2045 nicht unter 46 Prozent fallen soll. Die Finanzierbarkeit wird diskutiert.

Juristin zuversichtlich, dass die nötige Balance gefunden wird

„Die Stellschrauben sind die Einnahmen und die Ausgaben der Rentenversicherung“, sagt Benöhr. Entweder steigen zum Beispiel die Beiträge oder die Ausgaben werden gekürzt. Mit Blick auf den Generationenvertrag sagt die Geschäftsführerin: „Die einen dürfen nicht unter der Beitragslast ächzen, die anderen brauchen eine auskömmliche Rente.“ Sie sei zuversichtlich, dass „die Balance gefunden wird“.

Betroffen macht die Juristin, dass Altersarmut oft in einem Atemzug mit Rente genannt wird. Nur etwas mehr als drei Prozent der Rentner beziehen eine staatliche Grundsicherung. Nicht immer stehe hinter einer geringen Rente ein Problem, betont Elisabeth Benöhr. Dahinter verbergen sich auch Beamte, die vor ihrer Beamtentätigkeit nur wenige Jahre versicherungspflichtig beschäftigt waren. Oder Selbstständige, die nur eine Zeit lang Beiträge entrichtet haben. Oder bestimmte Berufsgruppen wie Ärzte oder Architekten, die sich von der gesetzlichen Rentenversicherung haben befreien lassen und in eine berufsständische Versorgungseinrichtung einzahlen. Wenn Frauen wegen der Kindererziehung aus dem Berufsleben ausgeschieden sind, hängt die finanzielle Situation vom Familieneinkommen ab.

Beratung zur Zusatzversorgung erfolgt „streng produktneutral“

Problematisch wird es, wenn die Ehe nicht hält oder die Selbstständigkeit scheitert. „Wenn man sich aus der Rentenversicherung ausgeklinkt hat und kaum Beitragszahlungen vorweisen kann, dann kommt auch nur eine geringfügige Rente zustande“, sagt Benöhr. Grundlage für eine auskömmliche Rente sei eine „möglichst lange, versicherungspflichtige Erwerbsbiografie“.

Die Rentenreformen der Vergangenheit machen es gleichwohl notwendig, sich nicht allein auf die Rente zu verlassen. Mit einem besonderen Beratungsangebot will die Rentenversicherung ihre Versicherten unterstützen. Prosa heißt das Angebot und steht für „Pro Sicherheit im Alter“. „Wir erarbeiten mit dem Ratsuchenden zusammen, welche Art der zusätzlichen Vorsorge sich für ihn speziell lohnt“, erklärt die Geschäftsführerin. Das alles „streng produktneutral“. 90 Minuten dauert eine entsprechende Beratung, für Ehegatten nehmen sich die Berater doppelt so lange Zeit. „Wir versuchen, das Bewusstsein der Menschen zu schärfen, dass zusätzliche Vorsorge sinnvoll ist“, sagt Benöhr.