Alexis Tsipras fordert in der Flüchtlingskrise mehr Solidarität von Europa ein. Foto: Krohn

Die Probleme Griechenlands mit den Flüchtlingen werden nicht geringer. Premier Alexis Tsipras fordert Brüssel auf, finanziellen Druck auf jene Länder in der Europäischen Union auszuüben, die keine Flüchtlinge aufnehmen.

Athen - Die Zahl der Flüchtlinge nach Europa sinkt, doch die Krise ist nicht gelöst. Immer wieder kommt es in den Auffanglagern auf den griechischen Inseln zu Tumulten. Zuletzt mussten sich die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Asyldiensten auf der Insel Chios wegen der aufflammenden Spannungen zurückziehen. Auf Chios ist die Situation rein zahlenmäßig besonders schlimm – dort leben 4200 Migranten, obwohl es offiziell nur 1100 Unterkünfte gibt. Erst am Montag war es zu Aufständen im Hotspot der Insel Lesbos gekommen, wo Flüchtlinge und Migranten mehrere Büro-Container der EU-Asylbehörde EASO in Brand gesetzt hatten. Die Nerven liegen inzwischen nicht nur bei Flüchtlingen und Helfern blank.

Alexis Tsipras sieht sein Land angesichts der nicht enden wollenden Probleme von Europa im Stich gelassen. „In der Flüchtlingskrise hat Griechenland die größte Last auf sich genommen“, klagt der griechische Premierminister, „doch andere Länder haben zur gleichen Zeit die Grenzen geschlossen und Zäune errichtet.“ Für ihn steht fest: „Griechenland hat das menschliche Antlitz Europas gezeigt.“ In anderen Ländern habe es hingegen fremdenfeindliche Ausschreitungen mit Verletzten gegeben.

Der Regierungschef nennt im direkten Gespräch keine Namen, doch richtet sich seine Klage offenkundig gegen Länder wie Ungarn und Polen. Die Politiker in Warschau und Budapest fürchten nach eigenen Worten eine „Islamisierung“ ihrer Länder, weshalb sie auch keine Hilfesuchenden aus dem zerstörten Syrien aufnehmen wollen. Der griechische Regierungschef warnt: „Europa darf nicht ins Denken des 20. Jahrhunderts zurückfallen mit seinen fremdenfeindlichen Ideen und der Abschottung gegenüber anderen Staaten.“

Die Rückführung in die Türkei erweist sich als schwierig

Alexis Tspiras formuliert bei einem Treffen mit Journalisten in Athen eine sehr klare Forderung: „Die bestehenden Verträge in der Flüchtlingsfrage müssen von allen eingehalten werden.“ Er bezieht sich auf das Abkommen, das die EU mit der Türkei ausgehandelt hat. Der Deal sieht vor, die irreguläre Migration aus der Türkei in die Europäische Union zu beenden und sie stattdessen mit legalen Wegen der Neuansiedlung von Flüchtlingen in der EU zu ersetzen. So soll das Geschäftsmodell der Schleuser zerschlagen und den Migranten eine Alternative geboten werden, damit diese ihr Leben nicht aufs Spiel setzen. Regierungschef Tsipras betont, dass die Flüchtlingszahlen nach Abschluss des umstrittenen Abkommens mit der Türkei tatsächlich dramatisch gesunken sind. Kamen anfangs mehrere Tausend Menschen täglich über das Meer in Griechenland an, sind es inzwischen im Durchschnitt nur noch um die 100 Personen pro Tag.

Der Regierungschef räumt in Athen ein, dass trotz der ersten Erfolge viele Probleme bleiben. Die Asylverfahren laufen nur schleppend und sind kompliziert, ebenso ist die Rückführung der Flüchtlinge von Griechenland in die Türkei sehr schwierig. Ein zentrales Problem für Premier Tsipras ist allerdings die Weigerung vieler EU-Staaten, Flüchtlinge aufzunehmen, die eigentlich bei ihnen angesiedelt werden sollten. Das Abkommen sei sehr klar formuliert, unterstreicht Tsipras. „Für Griechenland heißt es: 66 000 Tausend Flüchtlinge sind in andere EU-Staaten umzusiedeln, bis jetzt sind es aber nur 5200.

Der Regierungschef fordert: „Verträge müssen eingehalten werden.“ Diese Feststellung ist ihm besonders wichtig, denn zugleich erinnert er daran, dass die einflussreichen Staaten der Europäischen Union genau diesen Grundsatz in der Schulden- und Eurokrise stets mit großem Nachdruck gegenüber Griechenland vertreten hätten. Was den Politiker offensichtlich ärgert, ist die von Ungarn entfachte Diskussion um eine „flexible Solidarität“.

Alexis Tsipras fordert, dass jene Mitglieder, die sich nicht an die Verträge halten, mit Druck dazu gebracht werden müssten. Ein probates Mittel für Brüssel sieht er darin, Druck über die Strukturfonds auszuüben. Wer sich in der Flüchtlingsfrage verweigere, müsse eben damit rechnen, weniger Geld aus den Kassen der EU zu bekommen, so seine Mahnung.