25 verschiedene Fledermausarten fliegen deutschlandweit durch die Nacht, darunter die Zwergfledermaus. Eine davon lernen Sie in unserer Bildergalerie näher kennen. Foto: dpa-Zentralbild

Fledermäuse jagen so manchem einen Schreck ein – zu viele Gruselgeschichten sind über die angeblichen Vampire im Umlauf. In Kontakt zum Menschen treten sie nur ungewollt. Gerade im August kommen solche Begegnungen allerdings häufig vor. Was zu tun ist, wenn sie auf eines der Tiere treffen, erfahren Sie im Text.

Stuttgart - Es ist Montagmorgen um kurz vor sieben im Stuttgarter Süden. Julia Raisch ist auf dem Weg zur Arbeit und will noch eben den Müll hinausbringen. Als sie vor die Tür tritt, entdeckt sie ein kleines schwarzes Häufchen am Boden. Auf den zweiten Blick stellt sie fest: Das Häufchen atmet. Vor ihr liegt eine kleine Fledermaus, ihres Zeichens nach Zwergfledermaus.

Begegnungen mit den Flattermännern sind zur Zeit nicht ungewöhnlich: Im August ist Fledermaus-Hochsaison. „Die Tiere werden meistens zwischen Mai und Juni geboren. Dann dauert es etwa fünf Wochen, bis sie selbstständig fliegen und viele Jungtiere unterwegs sind. Das ist gerade wieder der Fall“, erklärt Petra Gatz, die für den Naturschutzbund in einer deutschlandweiten Fledermaus-Hotline arbeitet. „Weil sie noch jung sind, kommt es vor, dass sie sich beim Fliegen übernehmen und erschöpft sind. Dann hängen sie sich einfach irgendwo hin oder liegen auch mal am Boden“, sagt Gatz. Wenn sie an diesem Ort gefährdet seien, beispielsweise durch Kinder oder Hunde, solle man sie in Sicherheit bringen.

Ein Zwischenquartier für die Zwergfledermaus

Auch Raisch möchte das kleine Lebewesen nicht hilflos am Boden liegen lassen. Vorsichtig nimmt sie das Tierchen auf die Hand und quartiert es gemeinsam mit ihrem Freund in einer kleinen Holzkiste ein. Im Internet liest sie sich durch viele Seiten, um herauszufinden, was die Fledermaus nun braucht. Das Tier bekommt daraufhin einen Sprudeldeckel voller Wasser und ein Küchentuch mit in die Kiste. Das zierliche Lebewesen ist so klein, dass man eine Murmel in den Sprudeldeckel legen muss, damit es nicht darin ertrinkt. Abends möchte Raisch den mittlerweile auf „Egon“ getauften Flattermann wieder aussetzen. Laut Fledermaus-Expertin Gatz ist das genau richtig: „Sobald die Fledermaus wieder zu Kräften gekommen ist, sollte man sie abends wieder an den Ort zurückbringen, an dem sie gefunden wurde.“

Der kleine Egon möchte seine Kiste allerdings nicht verlassen, er kann scheinbar einen Flügel nicht richtig bewegen. Raisch tritt den Rückzug an, füttert das Tier am nächsten Tag weiter mit Wasser und zu Brei zerstampften Mehlwürmern. Behalten können sie und ihr Freund das Tier natürlich nicht, deswegen starten sie einen Aufruf über Facebook: Gesucht – ein Fledermaus-Experte. Durch Freunde werden sie fündig und bringen das Tier schließlich zu einer Fledermaus-Auffangstation in Tübingen.

Neugierige Jungtiere auf Erkundungstour

Raisch und ihr Freund sind nicht die einzigen, die momentan in Kontakt mit den fliegenden Säugern geraten. Vielen flattern die kleinen Säugetiere durch das geöffnete Fenster geradewegs in die Wohnung. Auch das sei ganz normal und weise nicht auf eine Verhaltensauffälligkeit hin, sagt Expertin Gatz: „Die Jungtiere erkunden ihre Umgebung, sind sehr neugierig und testen noch ihre Flugmanöver und ihre Orientierung durch Echo aus.“ Wenn eines davon in die Wohnung flattere, sei das also ein Irrtum – die Tiere wollen eigentlich keinen näheren Kontakt zum Menschen. Dass sich viele Leute vor den flauschigen Flattermännern erschrecken, sei unbegründet. „Es sind immer noch sehr viele Gruselgeschichten über die Tierchen im Umlauf. Dabei sind Fledermäuse absolut friedlich und unproblematisch“, sagt Gatz.

Für alle, denen einer der unerwarteten Gäste durch das Fenster flattert, hat sie eine Reihe von Tipps. „Zunächst sollte man die Zimmertür zum Rest der Wohnung schließen, so dass man die Fledermaus auf einen Raum beschränkt. Wenn ein Vogel in die Wohnung fliegt, neigen viele Leute dazu, mit einem Tuch oder Schal zu wedeln und ihn so hinauszutreiben“, schildert Gatz. Bei Fledermäusen sei das eher kontraproduktiv. „Da sie sich per Echo orientieren, ist es ganz normal, dass sie sieben, acht Runden durch den Raum fliegen, um das offene Fenster zu orten und hinauszufliegen. Am besten stellt oder setzt man sich ruhig in eine Ecke des Raumes und schaut zu, ob das Tier tatsächlich rausfindet“, sagt die Fledermaus-Expertin.

Die Flattermänner sind kleine Ausbruchskünstler

Treffe man auf ein verletztes oder geschwächtes Tier, solle man es am besten mit einem weichen Tuch aufnehmen und in einer Kiste einquartieren – genau, wie auch Raisch es gemacht hat. Eine andere gute Behausung: Einfach einen Jutebeutel nehmen, das Tier hineinsetzen und an die Garderobe hängen – schließlich hängen sich die Flattermänner auch in der freien Natur zum Ausruhen auf. Ein weiterer Vorteil: Aus dem Beutel können die Tiere nicht so leicht ausbrechen. „Sobald sie wieder fit werden, sind das richtige kleine Ausbruchskünstler. Also darauf achten, dass sie nicht ungewollt entwischen“, sagt Gatz. Deutschlandweit gebe es insgesamt 25 Fledermausarten. Die Zwergfledermaus ist die kleinste von ihnen – sie findet sogar in einer Streichholzschachtel Platz.

Zu den Zwergfledermäusen gehört auch der kleine Egon – der sich in der Auffang-Station zwischenzeitig als Weibchen entpuppt hat und nun Emily heißt. Ihr stolzes Gewicht: 4,2 Gramm. Gebrochen sei nichts, so richtig munter sei sie allerdings noch nicht, erzählt Raisch. Sobald es ihr wieder gut gehe, solle sie an dem Ort wieder ausgesetzt werden, an dem sie gefunden wurde – denn die Weibchen unter den Fledermäusen haben richtige Sozialverbände, aus denen man sie nicht entreißen will. Für Raisch war es eine spannende Begegnung. Für sie steht fest: „Wenn sie wieder ausgesetzt wird, möchte ich unbedingt dabei sein“.

Falls Sie Fragen zu Fledermäusen haben, rufen Sie die deutschlandweite Fledermaus-Hotline unter der Telefonnummer 030 - 28 49 84 5000 an. Wochentags ist die Hotline von 10 bis 16 Uhr erreichbar, von Juni bis August zusätzlich von 19 bis 21 Uhr sowie am Wochenende und Feiertagen von 11 bis 13 und 17 bis 19 Uhr. Falls Sie in Notfällen Hilfe direkt vor Ort benötigen, wenden Sie sich an die Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg unter der Telefonnummer 0179 4 97 29 95.