Ob in der freien Natur oder in der Halle: Beim Klettern werden alle Muskelgruppen des Körpers trainiert, Ausdauer und Kraft, aber auch die kognitiven Fähigkeiten sind gefragt. Foto: Pressefoto Baumann

Nicht jeder Sportler kann ein Profi werden. Doch auch Breitensportler sind ambitioniert und wollen etwas für ihre Fitness tun. In unserer Serie geben prominente Sportler Tipps für Hobbyathleten. Im dritten Teil geht es um das Klettern.

Stuttgart - Die Höhe: schwindelerregend. Die Anspannung: maximal. Der Spaßfaktor: riesig. Wer Michael Wohlleben beim Klettern beobachtet, sollte keine Höhenangst haben. Wenn er hoch oben von einem Griff zum anderen springt, dann rutscht einem selbst unten auf sicherem Boden leicht mal das Herz in die Hose. Der 26-Jährige, der aus dem hohenlohischen Flachland stammt, gilt als einer der besten Extremkletterer der Welt.

Bereits mit 14 Jahren hat Michael Wohlleben seinen ersten 4000er erklommen, mit 17 die Eiger-Nordwand. Heute ist er Profi-Bergsteiger und Kletterer aus Leidenschaft. Am liebsten am Berg, in der Natur, deshalb lebt er mittlerweile in der Schweiz, im Appenzeller Land. Doch zum Training zieht es ihn auch immer wieder in die Kletterhallen der Region Stuttgart.

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Und die schießen wie Pilze aus dem Boden. In Stuttgart gibt es fünf öffentliche Hallen, in Baden-Württemberg sind es 77. „Klettern ist in“, sagt Wohlleben. Und man muss weder muskelbepackt noch federleicht sein, um auf seine Kosten zu kommen. Nur schwindelfrei, das wäre gut. Für den Hobbysportler sind vor allem das Sportklettern mit Sicherung durch einen Partner und das Bouldern in Absprunghöhe ohne Sicherung interessant. Beides kann man in Hallen oder am Fels im Freien ausüben.

Die Kraft kommt erst an zweiter Stelle

Klettern trainiert Körper und Geist, garantiert Adrenalin, verlangt dafür Ausdauer, Kraft, Kraftausdauer – und Mut. „Am wichtigsten beim Klettern ist aber, sich eine gute Technik zu erarbeiten. Bis zu einem Schwierigkeitsgrad von acht oder neun kann man die meisten Probleme mit einer guten Technik lösen“, sagt der Profi-Bergsteiger. Die Kraft kommt an zweiter Stelle, auch wenn man sich mit einer gut trainierten Muskulatur leichter tut. Wichtig ist dabei vor allem die Kraft in den Fingern, um sich festzuhalten oder hochzuziehen. „Diese wird im Alltag kaum gebraucht und sollte deshalb speziell trainiert werden“, sagt Wohlleben. Starke Muskeln sind auch für die Verletzungsprävention wichtig: „Sonst macht man sich die Gelenke kaputt.“ Im Endeffekt braucht man alle Muskelgruppen, eine besondere Bedeutung kommt allerdings – neben der Fingermuskulatur – der Stützmuskulatur in den Schultern zu.

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Anfängern und Hobbysportlern empfiehlt Wohlleben: „Klettern, klettern, klettern! So stärkt sich die Muskulatur, und man bekommt ein Gespür für die Technik.“ Dabei sei das Klettern am Fels das Beste, um sich technisch weiterzuentwickeln. „In der Halle ist es wichtig, sich immer wieder neue Routen auszusuchen“, rät der Profi. Vor allem bei Anfängern stellen sich beim Klettern schnell erste Erfolgserlebnisse ein. „Das motiviert natürlich sehr“, sagt Wohlleben, „Klettern ist immer ein Kampf gegen sich selbst. Das Glücksgefühl ist dasselbe – egal, ob ich als Anfänger eine Route mit Schwierigkeitsgrad fünf meistere oder als Fortgeschrittener eine Zehn plus.“

Es gibt noch einen, manchmal entscheidenden, limitierenden Faktor: die Angst. Nichts kann man beim Klettern weniger gebrauchen als zittrige Beine. „Man muss seine Angst überwinden, egal wie fortgeschritten man ist“, weiß Wohlleben. Wichtig dabei ist, dass man Vertrauen hat. In sich selbst, aber auch in den Partner, der die Sicherung übernimmt. „Nur Mut“, sagt Wohlleben. Die Fallhöhe ist hoch, mit der richtigen Sicherung aber selbst ein Absturz kein Beinbruch.

Das sagt der Mediziner

Klettern ist eine Sportart mit Adrenalin-Garantie. Aber was spricht dafür? Was gegen das Klettern? Das sagt der Sportorthopäde und Sportmediziner Raymond Best.

Allgemein „Klettern ist sehr komplex. Arme, Beine, Rücken – der ganze Körper wird trainiert. Auch kognitive Fähigkeiten sind gefragt.“

Herz-Kreislauf

„Die direkten Ausdauerbelastungen finden nicht unmittelbar durch das Klettern selbst statt, vielmehr durch das ständige In-Bewegung-Sein während der Ausübung. Beim Klettern in der Natur sind oft längere Wanderstrecken zu den Felsen zu gehen. Dabei ist eine Ausdauerbelastung gegeben, die stärkend auf das Herz-Kreislauf-System wirkt.“

Psyche „Klettern fordert den Geist: Kreativität (in der Bewegungsausführung), Wahrnehmung (in der Entschlüsselung von Abläufen), Selbsteinschätzung (der eigenen Chancen), Konzentration, Willenskraft, Reaktionsfähigkeit. Beim Überwinden von Grenzen und dem Erreichen der Ziele, werden ‚Glückshormone‘ freigesetzt.“

Vorsicht

„Gerade beim Klettern ist es wichtig, langsam und schrittweise zu beginnen. Zumindest bei kühleren Temperaturen verhindert lange Kleidung Schürfwunden. Getaped werden können die Fingergelenke. Ziel ist die Entlastung der Kapseln und Bänder. Wichtig sind Kletterschuhe mit spezieller Sohle. Allgemein sollten sich Sporteinsteiger einem Gesundheitscheck unterziehen. Wichtig: Bei fieberhaften Infekten dem Körper eine Pause gönnen.“