Als Finanzplatz sieht sich die Landeshauptstadt, und entsprechend hat sich in den vergangenen Jahren in der Region eine ansehnliche Zahl von finanzwirtschaftlichen Studiengängen etabliert. Foto: dpa

Angehende Banker haben in Stuttgart und der erweiterten Region mittlerweile viele Möglichkeiten, einen Hochschulabschluss zu erlangen.

Professor Jörg Schiller erinnert sich noch gerne an einen Wunsch des damaligen Oberbürgermeisters von Stuttgart, Wolfgang Schuster. Als dieser vor einigen Jahren von einem Besuch bei der Frankfurt School of Finance zurückgekommen war, äußerte er gegenüber Hohenheimer Finanzprofessoren den Wunsch: 'Solch eine Einrichtung will ich auch haben.' Mittlerweile ist zwar keine Stuttgart School of Finance entstanden, aber mit dem neuen Studiengang Hohenheim - Master in Finance geht im Januar 2015 immerhin der erste berufsbegleitende universitäre Masterstudiengang in diesem Bereich an den Start, dessen Leitung Schiller übernommen hat.

'Damit bleibt Interessenten aus der Region die lästige Pendelei etwa nach Frankfurt erspart', sagt er über das neue Studienangebot, dessen Fokus auf dem Zusammenspiel unterschiedlicher Finanzinstitutionen wie Bausparkassen, Banken und Versicherungen liegt. Aber auch jenseits des neuen berufsbegleitenden Studiengangs kann sich die Anzahl an finanzwirtschaftlichen Lehrstühlen in der Region mittlerweile sehen lassen, wie Professor Hans-Peter Burghof, Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim, meint. 'Wir haben allein an der Universität Hohenheim sechs Lehrstühle, die sich im engeren Sinne mit Finanzwirtschaft beschäftigen', sagt Burghof, der noch vor knapp zehn Jahren das universitäre Angebot an finanzwirtschaftlichen Studiengängen in der Region Stuttgart als unterentwickelt angesehen hatte.

"'Das ist ein Angebot, das sich sehen lassen kann"

Inzwischen ist es aber gelungen, in Hohenheim einen Schwerpunkt für die universitäre Ausbildung auf diesem Gebiet zu etablieren. Neben Burghofs Lehrstuhl für Bankwirtschaft gibt es in Hohenheim mittlerweile weitere für Risikomanagement, Corporate Finance, Finanzmarktökonomie sowie Versicherungswirtschaft und Versicherungsmärkte. Außerdem existiert seit längerer Zeit bereits ein Lehrstuhl für Rechnungswesen und Finanzierung. 'Das ist ein Angebot, das sich sehen lassen kann', meint Burghof. Ein siebter Lehrstuhl ist derzeit in Hohenheim für eine von der Sparkassengruppe geförderte Stiftungsprofessur zum Retail Banking ausgeschrieben.

In der Region lehrt darüber hinaus Professor Henry Schäfer an der Universität Stuttgart Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Finanzwirtschaft, zu dessen Forschungsschwerpunkten unter anderem die Bewertung von Vermögensobjekten, die private Finanzplanung und das Finanzmanagement kleiner und mittelständischer Unternehmen gehören. 'Unsere Studieninhalte orientieren sich an der wertorientierten Unternehmensführung von produzierenden High-Tech-Unternehmen, wie sie typisch für die Stuttgarter Region sind', erläutert Schäfer. Neben Methoden zur richtigen Auswahl von Investitionen werden vor allem Kompetenzen zum Management von Risiken bei Wechselkursen, Zinsen oder Rohstoffen vermittelt. Eine deutschlandweite Besonderheit stellt im Masterstudium laut Schäfer die Vermittlung von Kenntnissen über soziale und ökologische Wert- und Risikotreiber dar. Hinzu kommen in der Region Angebote an der Universität Tübingen mit mehreren Lehrstühlen in Bankwirtschaft oder betrieblicher Finanzwirtschaft.

Wie lässt sich Wohlstand steigern?

Finanzwirtschaft ist dort Teil der Bachelorausbildung, zudem bietet die Hochschule einen Master in Economics and Finance. 'Dabei sind die enge Verbindung von Betriebswirtschafts- und Volkswirtschaftslehre sowie die empirische, ökonometrische Fundierung der Finanzwissenschaften an der Universität Tübingen kennzeichnend', sagt der Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, Professor Josef Schmid. In dem Fach wird gelehrt, wie die Preise für risikoreiche Anlagen bestimmt werden oder bestimmt werden sollten. 'Die Studierenden lernen dabei zu verstehen, warum Finanzierungsinstrumente den Wohlstand steigern können, obwohl sie für einzelne Investoren und die Gesellschaft im Ganzen beträchtliche Risiken in sich bergen', so Schmid weiter. An der Uni Tübingen haben unter anderem Horst Köhler, ehemaliger Bundespräsident und früherer Direktor des Internationalen Währungsfonds, sowie Jürgen Stark, ehemaliges Mitglied im Direktorium der Europäischen Zentralbank, eine Gastprofessur.

Weitere Angebote für ein finanzwirtschaftliches Studium außerhalb des universitären Bereichs bieten in der Region die Fachhochschulen Nürtingen-Geislingen, Reutlingen und auch Pforzheim sowie die Akademien der Sparkassengruppe und der Genossenschaften in Baden-Württemberg. 'Es hat sich in den vergangenen Jahren in der Region also ein schöner Resonanzboden entwickelt, der auch den Professoren das Gefühl vermittelt: Wir sind ein Finanzplatz', freut sich Burghof, nach dessen Überzeugung die Existenz von akademischer Lehre auf dem Gebiet der Finanzwirtschaft für einen Finanzplatz wie Stuttgart von großer Bedeutung ist. Wenn sich die Finanzindustrie nicht im luftleeren Raum bewegen will, sondern auf Substanz und Kultur Wert legt, ist ein akademischer Resonanzkörper extrem wichtig, lautet sein Credo. 'Sonst bekommen wir es mit Sumpfblüten zu tun, die bei nächster Gelegenheit auch wieder weg sind', sagt er. Und: zu einer Finanzplatzkultur gehören nun mal Forschung und Lehre.