Roland Emmerichs Effekt-Spezialist Volker Engel holte Animationsstudenten aus Ludwigsburg nach Hollywood und ließ sie die Alien-Invasion in Independence day mitgestalten Foto: dpa

Ausnahmsweise sind sich wirklich alle einig: Ohne Thomas Haegele wäre der Filmstandort Region Stuttgart wohl nicht so stark im internationalen Fokus, wie er es ist. Im Gespräch erinnert sich der Gründer des Ludwigsburger Animationsinstituts, der nun in Rente geht, wie es dazu kam.

Ludwigsburg - Herr Haegele, wieso hören Sie auf?
Ich werde jetzt 66 und halte es für richtig, in einem gewissen Alter loszulassen. Ich habe das Gefühl, etwas bewegt zu haben, nun ist es Zeit, dass andere Leute das übernehmen und weitertreiben. Ich hatte in all den Jahren wenig Zeit für Privates, jetzt möchte ich das Leben noch ein wenig genießen.
Als Sie angetreten sind – wie groß, dachten Sie, würde das Thema werden in der Region?
In der Öffentlichkeit gab es anfangs durchaus Skepsis gegenüber der Filmakademie, auch wenn Animation ein Thema war in der Region. Wir waren aber sehr enthusiastisch, meine Vorbilder saßen in London und den USA, unser Wunsch war es, zu denen aufzuschließen. Dass es uns so gut gelingen könnte, haben wir damals nicht zu hoffen gewagt. Das schien alles doch sehr weit entfernt.
Wie sind Sie bei der Einrichtung des Instituts vorgegangen?
Der Filmakademie-Gründer Albrecht Ade hat 1991 einige seiner Animationsstudierenden von der Stuttgarter Kunstakademie mitgebracht, die ersten Diplomanden der Filmakademie überhaupt, ich von meiner früheren Tätigkeit bei der Pionierfirma Polygon die Computeranimation. Volker Engel, der für Roland Emmerich die Effekte ausgetüftelt hat, gehörte zu den ersten Diplomanden und wurde dann gleich Dozent. Er hat den Effekt-Bereich stark vorangetrieben, damals noch stark mit analogen Techniken. Von mir kam der Impuls, klassische Animation, digitale Animation und den Effektbereich zusammenzufassen. Seit 2002 gehört das ja alles zum Animationsinstitut und zum Studienschwerpunkt Animation.
Sind Trickfilm und Effekte (VFX) heute eins?
Meiner Ansicht nach gibt es nur eine Animation, aber verschiedene Produktionstechniken. Wir nehmen den künstlerischen Animationsfilm sehr ernst, wir pflegen nach wie vor Puppen- und Zeichentrick, aber die digitale Animation spielt auch eine wichtige Rolle. Und VFX ist nichts anderes als fotorealistische Animation mit Realfilm-Elementen. Ein Film wie „Gravity“ ist eigentlich ein Animationsfilm, real sind da nur noch die Gesichter der Schauspieler.
Wann haben Sie gemerkt, dass Sie auf dem richtigen Weg sind?
Es ist uns früh gelungen, begabte Studenten anzuziehen, weil wir große Freiheit und aktuelle Technik bieten konnten. Was uns international sichtbar gemacht hat, war natürlich 1996 Roland Emmerichs Film „Independence Day“ mit Volker Engel als VFX-Supervisor, der mehr als zwölf Studierende nach L. A. geholt hat. Er bekam den VFX-Oscar, wir internationale Aufmerksamkeit. Wobei ich noch einmal darauf hinweisen möchte, dass die Filmakademie sonst nichts mit „Independence Day“ zu tun hatte – der Film ist nicht hier gedreht und produziert worden!
Animation und VFX leben von aktueller Technik, in die viel investiert wurde an der Akademie – wie sucht man das Richtige aus?
Mein Maßstab war immer die Branche, die Studierenden sollten mit Werkzeugen arbeiten, die international verwendet wurden. Irrtümer sind mir zum Glück erspart geblieben, wir haben uns immer für Technik entschieden, die sich dann durchgesetzt hat. Das Postproduktionssystem Avid zum Beispiel wurde zum Standard. Die Rechner waren anfangs teuer, bei der Software haben uns viele Anbieter Hochschulpreise gemacht und uns bei Pionierprojekten unterstützt. Wir hatten zum Beispiel sehr früh eine serielle digitale Postproduktion.
Mit VFX holen hiesige Firmen wie Pixomondo und Mackevision Oscars und Emmys, zugleich ist das Geschäft hochriskant – die „Life of Pi“-Trickser Rhythm & Hues waren schon pleite, als sie ihren Oscar bekommen haben . . .
Der Wettbewerb ist hart, dieser spezielle Fall hat aber damit zu tun, dass es vor zwei Jahren in Kalifornien einen Branchen-Einbruch gab. Die Technik ist heute nicht mehr ortsgebunden, gute Artists sind mittlerweile ein wichtiger Vorteil, und auch der Förderaspekt spielt eine Rolle. London und Vancouver locken mit Steuervorteilen, bei uns gibt es die MFG-Filmförderung. Es ist eine Umbruchsituation, die manche alteingesessene Firma hart trifft, aber eine Chance bietet für Regionen wie Stuttgart, das sich zum Zentrum für Animation entwickelt hat, weil hier Chancen ergriffen wurden und gute Leute vorhanden sind.
Halten Sie die kulturell ausgerichtete MFG-Filmförderung für konkurrenzfähig im Subventionswettbewerb gegen die Steuersparmodelle anderer Standorte?
Förderung muss so weit greifen, dass man preislich einigermaßen mithalten kann. Das entscheidende Kriterium für Produzenten aber ist gute Arbeit, dass der Zeitplan eingehalten wird und die Qualität stimmt. Heute sind oft mehrere VFX-Firmen an Filmen beteiligt, und für die schwierigen Szenen nimmt man nicht den billigsten Anbieter, sondern den, der zuverlässig ein gutes Ergebnis liefert. Wir haben hier in der Region viele sehr gute Leute, nicht nur von der Filmakademie, sondern auch von der Hochschule der Medien und anderen Schulen.
Wann haben Sie die Idee zur internationalen Konferenz FMX entwickelt?
Albrecht Ade hatte 1994 die Idee, Absolventen deutscher Hochschulen sollten die Chance bekommen, sich zu präsentieren und Kontakte zu knüpfen zu potenziellen Arbeitgebern. Um diese anzulocken, haben wir ein kleines Konferenzprogramm organisiert. Bei der ersten Veranstaltung waren weniger Zuschauer da, als die FMX heute Referenten hat – 2014 über 300. Die Job-Vermittlung läuft inzwischen so gut, dass nicht mehr die Künstler präsentieren, sondern die Firmen, die Leute suchen. Über 20 Jahre hat sich die FMX zu einer internationalen Fachkonferenz für die Animations-, Effekt- und Games-Branche entwickelt, die von vielen Top-Entscheidern besucht wird.
Beim internationalen Publikum gilt die FMX als familiär, etwa gegenüber der viel größeren Siggraph in Los Angeles – wieso?
In L. A. gehen die Leute für einen Nachmittag zur Konferenz und dann wieder ins Büro. Hier können sie sich drei oder vier Tage nur auf die Veranstaltung konzentrieren jenseits des Tagesgeschäfts. Gerade Leute aus Hollywood reden hier offenbar ganz anders miteinander, weil sie mehr Zeit haben. Entscheidend war sicher, dass wir 2006 auf Wunsch vieler Referenten Englisch als Konferenzsprache eingeführt haben, danach wurden wir international ganz anders wahrgenommen.
Die Ausschreibung für die Position des neuen Institutsleiters erfolgt international – wie wichtig ist es, dass der oder die Betreffende auch die regionale Szene kennt?
Bitte beides! Er oder sie muss international ausgerichtet sein und die hiesige Szene verstehen, das lässt sich nicht trennen. Der Lebensmittelpunkt muss Ludwigsburg sein, ich glaube nicht, dass man so ein Institut von London aus leiten kann. Das ist ein Fulltime-Job. Ich war jeden Tag da.