Immer schön in Reih’ und Glied, und Liebe zum Diktator bekennen: Nordkoreas Musterarbeiterinnen werden der westlichen Kamera vorgeführt. Foto: Farbfilm-Verleih

Unbewacht darf man hier nicht filmen: Sung Hyung-Cho („Full Metal Village“) hatte Aufpasser, als sie Nordkorea besuchte. Man hat ihr nur zufriedene Untertanen im Freibad und in der Fabrik zeigen wollen. Das erweist sich aber als entlarvend genug.

Stuttgart - Kim Jong-un steht im Spaßbad und grinst. Zwischen immergrünen Plastikpalmen und sommerlicher Strand-und-Meer-Fototapete winkt der nordkoreanische Diktator als lebensgroßer Pappaufsteller seinen staatstreuen Besuchern zu. Klar, ist ja schließlich ein regierungstreues Schwimmbad. Die Dokumentation „Meine Brüder und Schwestern im Norden“ führt in die hermetischen Sub-Realitäten des sozialistischen Nordkorea. Wohin die Filmemacherin Sung Hyung-Cho („Full Metal Village“) mit ihrer Kamera reisen darf, ist von der Regierung vorgegeben. Soll ja schließlich ein ordentlicher Film über ein ordentliches Land werden.

Doch genau in dieser Pedanterie liegt das Entlarvende. Die Dokumentation der Südkoreanerin Sung Hyung-Cho verharrt zwar in den vorgesteckten Grenzen. Sie provoziert nicht, fordert nicht heraus und sucht nicht nach dem großen Jetzt-schaut-aber-her-Moment. Stattdessen zeigt sie schlicht, was sich vor ihren Augen abspielt: Kindergartenkinder, die zu nationalistisch verherrlichenden Liedern allmorgendlich eine einstudierte Choreografie nachtanzen. Ein Schwimmbadaufseher, der in schwärmerischem Ton davon erzählt, dass Kim Jong-un als Landesvater seine schützende Hand übers Freibad hält.

Kein Leid, keine Armut

Kaum eine Straßenecke, die nicht mit riesigen Plakaten verhängt ist, die daran erinnern, den Diktator wie einen Vater zu lieben. Könnte man auf dem Weg zum Bäcker ja mal vergessen. Obwohl alle Drehorte und Protagonisten von der Regierung ausgewählt und auf Linientreue geprüft wurden, liegt in den Bildern der maschinenhaften Parteitreuen Erschreckendes.

Das Nordkorea der Landbevölkerung, diesen gespenstisch unbekannten Teil des Landes, blendet die Doku hingegen aus. Sung Hyung-Cho zeigt kein Leid, keine Armut, keine traurig vor sich hin siechenden Systemverlierer. Doch gerade in diesen Leerstellen wird ihre Präsenz umso offensichtlicher. Denn die Orte, die die Dokumentation besucht, wirken wie ein illusorischer Freizeitpark, hinter dessen polierter Front man die unschönen Wartungsarbeiten nur vermuten kann.

Die Linientreue bricht auf

„Meine Brüder und Schwestern“ erzählt so fast nebenbei von der Fremde zwischen Nord- und Südkorea. Wohin Sung Hyung-Cho auch kommt, muss sie erst mal für neugierige Fotos posieren. Man sieht sich ja schließlich nicht so oft. Gerade in diesen Reaktionen bricht die glatte Linientreue auf, das Briefing der Regierung wackelt. Wenn zum Beispiel die tattrige Mutter des Schwimmbadaufsehers Sung Hyung-Chos Hand hält und sie bittet, wiederzukommen, wenn die Grenzen erst einmal geöffnet werden. Sung Hyung-Cho nickt nur. Vermutlich weiß sie es besser.

Meine Brüder und Schwestern im Norden. Deutschland, Nordkorea 2016. Regie: Sung-Hyung Cho. 113 Minuten. Ohne Altersbeschränkung.