Frauenbeglücker Ngudu (Elie James Blezes, l.) und sein Zuhälter Giorgi (Lasha Bakradze) kennen Stuttgarts Halbhöhen und alle Schmuddelecken. Foto: Kinostar

Der aus Georgien stammende Regisseur Dito Tsintsadze huldigt erneut den Menschen am Rande. Diesmal spielt seine Geschichte in Stuttgart.

Stuttgart - In der Mannheimer Migranten-Freakshow „Lost Killers“ (1997) beschwor der Georgier Dito Tsintsadze die Würde der Gebeutelten: Des glücklosen Haitianers (Elie James Blezes), der da für die Liebe eine Niere verkaufte, der zahnlosen vietnamesischen Hure, deren Vater vom Krokodil gefressen wurde, der zwei Auftragskiller, die Nerven zeigen. Einen davon spielte Lasha Bakradze, ebenfalls Georgier, und sorgte für grandiose tragikomische Momente mit großen Reden, hinter denen rein gar nichts war.

Die darf er nun wieder schwingen in einer Art Fortführung, angesiedelt in Stuttgart. Bakradze ist Giorgi, Komparse in einem deutschen Nazi-Film: Uniformierte brüllen, Hunde kläffen, Krads knattern, und er gehört zu den Entrechteten, die wie Vieh zusammengetrieben werden. Gedreht wird, analog zum Inhalt, in Schwarzweiß. In Pausen sitzt Giorgi am Katzentisch, Kollegen ignorieren ihn, als wäre ihm „Verlierer“ auf die Stirn tätowiert.

Bruchbude am Neckar

Im Nebenberuf verkauft er den Afrikaner Ngudu an reife Damen. Diesem erklärt er Sadomaso in einer blitzsauberen U-Bahn, während vom Olgaeck aus auf einer Fantasieroute halb Stuttgart vorüberzieht. Blezes verleiht Ngudu ein gefälliges Lächeln, wenn Frauen mittleren Alters ihn unverhohlen anhimmeln, und er gibt ihm Verletzlichkeit, wenn er um die Mutter in der Ferne bangt und beim Glücksritual eine archaische Parole ins Stuttgarter Tal hinausschreit. Am Neckarhafen, zwischen Schrott, Lagersilos und Strich, hausen die beiden in einer heimeligen Bruchbude. Giorgi aber hadert mit seiner jämmerlichen Existenz und übersieht die große Freiheit im gesellschaftlichen Schatten.

Als eine verlorene, 15-jährige Tochter aus Kanada anreist, nistet Giorgi sich in der Halbhöhen-Villa einer Kundin Ngudus ein und engagiert eine Varieté-Sängerin mit Holzbein als Lebensgefährtin, um dem Kind heile Welt vorzuspielen. In gewichtigem Ton gibt Giorgi sich als Filmstar aus und redet sich um Kopf und Kragen wie einer, der wirklich glaubt, für Höheres berufen zu sein. Nadeshda Brennicke gibt die käufliche Einbeinige als lächelnde Zynikerin. Die Tochter (Tina Meliava) indes erweist sich als pfiffig, bereit, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten.

Stuttgarts Urbanität

„Ich bin der einzige wirkliche Partisan!“, ruft Giorgi am Filmset vom Galgen herunter – was seinem Namenlosen die Hinrichtung erspart, ihn selbst aber den Job kostet. „God of Happiness“ ist eine Liebeserklärung an die Randständigen dieser Welt, an schmuddlige Ecken und eine Urbanität, die Stuttgart selbst ungern ausstellt. Von der unaufgeregten satirischen Klarheit seines georgischen Lehrmeisters Otar Iosseliani ist Tsintsadze ein gutes Stück entfernt; im deutschen Film ist er mit seinem anarchistischen Gestus eine interessante Ausnahme .

God of Happiness. Deutschland 2015. Regie: Dito Tsintsadze. Mit Lasha Bakradze, Elie James Blezes, Nadeshda Brennicke. 94 Minuten. Ab 12 Jahren.