Wer könnte Nein zum Leben sagen, wenn ihm Emilia Clarke auf dem Schoß sitzt? Sam Claflin hoffentlich nicht. Foto: Warner Bros

Schluss mit der blonden Haarfärbung, Pause von den Drachen: „Game of Thrones“-Star Emilia Clarke spielt naturbrünett in einem Schupftuchfilm. Sie soll als fesche Proletarierin einem behinderten Aristokraten Lebensmut geben.

Stuttgart - Gute Liebesgeschichten leben von starken Kontrasten. Je höher die Hindernisse zwischen den sich Verliebenden zu Beginn, desto größer der romantische Output am Ende. Diesen einfachen Leitsatz hat Thea Sharrock in ihrem Spielfilmdebüt „Ein ganzes halbes Jahr“ nach dem Besteller von Jojo Moyes hingebungsvoll befolgt. Lou (Emilia Clarke) ist ein quirliges Wesen von naiver Beherztheit und eine Tochter aus proletarischen, kleinstädtischen Verhältnissen. Will (Sam Claflin) hingegen kommt aus einer soliden Millionärsfamilie des englischen Adels und lebte ein glückliches Leben als Investmentmanager in London, bis ihn ein Motorrad beim Überqueren der Straße erfasste. Seitdem ist Will vom Hals abwärts gelähmt, und die Mutter stellt Lou als Gesellschafterin ein, die auf Honorarbasis ein freundschaftliches Verhältnis zu ihrem Patienten entwickeln soll.

Sechs Monate bis zum Hospiz

Wie sich bald herausstellt, hat Will seinen Eltern eine Sechs-Monats-Frist eingeräumt. Danach will er seinem Leben in einem Schweizer Sterbehospiz ein Ende setzen. Zunächst beißt sich die redselige Krankenbespaßerin an dem arroganten Klienten die Zähne aus. Aber dann entsteht eine Freundschaft, in der Lou frischen Wind ins Dasein des Lebensmüden pustet und Will der Unbedarften die Freuden untertitelter Filme, klassischer Konzerte und frischer Croissants in Paris nahebringt. Aber reicht das aus, um Wills Freitodpläne zu kontern?

Natürlich steht in diesem thematisch an „Ziemlich beste Freunde“ erinnernden Schnupftuchfilm, der sein Publikum auf eine übersichtliche, aber effiziente emotionale Achterbahnfahrt mitnimmt, das Happy End außer Frage. Aber wie das genau aussehen wird, bleibt zumindest für die Nichtleser des Romans bis zum Schluss im Unklaren. Hemmungslos weidet „Ein ganzes halbes Jahr“ sein Aschenputtelmotiv aus – nur dass der Prinz hier nicht hoch zu Ross, sondern als gebrochene Persönlichkeit im Rollstuhl daherkommt, die mit weiblichem Elan und Güte auskuriert werden soll.

Viel Einsatz für die Augenbrauen

Bei so viel Klischees und Melodramatik bleibt natürlich kein Auge trocken, auch wenn das tragische Setting mit einer guten Portion britischem Feel-Good-Humor ausbalanciert wird. Dass die Gratwanderung einige Anstrengungen gekostet hat, erkennt man nicht nur an der gefälligen Ausstattung, sondern auch am expressiven Augenbraueneinsatz von „Game of Thrones“-Star Emilia Clarke, was anfangs recht putzig, auf Dauer aber bemüht wirkt. Das wird die Fans der Buchvorlage nicht stören. In den USA ging die Qualitätsschmonzette jedenfalls mit einem Einspielergebnis von 46 Millionen Dollar durch die Decke.

Ein ganzes halbes Jahr. USA 2016. Regie: Thea Sharrock. Mit Emilia Clarke, Sam Claflin, Janet McTeer. 111 Minuten. Ab 12 Jahren.