Szene aus „Baltikum“ Foto: Festival

Wie leben Tiere, wo brauchen sie Schutz, und worum geht es überhaupt im Leben? All diesen Fragen geht das Filmfestival NaturVision nach, das an diesem Donnerstag beginnt.

Ludwigsburg – Kluge Vögel

So sympathisch können Vögel sein: Neuseeländische Keas, verspielte Papageien, räubern menschliche Vesperboxen leer, demontieren Autoteile, machen Rutschpartien über Jetbags, dringen durch die Katzenklappe des Nachts in Restaurants ein oder testen einfach die Aerodynamik des wilden Winds ihrer Heimat. Die Sympathien sind klar verteilt in Volker Arzts Dokumentarfilm „Superhirne im Federkleid – Kluge Vögel im Duell“ – auch wenn die Krähen von der pazifischen Inselgruppe Neukaledonien, extrem talentierte Werkzeugmacher, sich im direkten Vergleich Respekt erwerben, wenn es darum geht, welche Art geschickter Türen öffnet, Kugeln einsetzt und an Schnüren zieht, um an Futter zu kommen.

Steinböcke im Kaukasus

Die Wunderwesen der Schöpfung stehen im Zentrum des Ludwigsburger Filmfestivals NaturVision, das an diesem Donnerstag beginnt. Henry Mix ist in den Kaukasus gereist, Schnee- und Sandwüste zugleich, um die letzten Bergwisente und Steinböcke zu besuchen wie auch eine bizarre Antilopen-Art mit Nasenrüssel – der den Dauerläufern als eine Art Klimaanlage dient, die eisige, trockene Steppenluft anfeuchtet und erwärmt. Sandreptilien, Ohren-Igel, giftige Käfer, Schlangen, Störche: Tierfilm-Freunde bekommen einiges geboten.

Ein Luchs lernt gehen

Christoph und Almut Hauschild tauchen in „Wildes Baltikum“ in ein europäisches Biotop an der Ostsee ein: Kegelrobben nutzen da ein Schiffswrack als Sonnendeck, ein kleiner Luchs macht erste Gehversuche, und Herden wilder Ponys genießen die Freiheit. Überhaupt kommen Pferdeliebhaber auf ihre Kosten: In „Mit anderen Augen“ geht es um Freundschaften von Huftier und Mensch, „Lippizzaner – Könige und Krieger“ widmet sich der ältesten Kulturpferderasse der Welt.

Wunderwelt Apfelbaum

In den Mikrokosmos begibt sich Berndt Welz in seinem Streifen „Leben und Sterben im Apfelbaum“: Er zeigt in brillanten Großaufnahmen, wie Apfelblattsauger, Apfelgraslaus, Schlupfwespe, Blattlaus, Marienkäfer und Apfelblütenstecher Jahr für Jahr einen Krieg ausfechten – Nützling gegen Schädling. Und wie Schlupfwespen einer Stubenfliegenplage im Kuhstall im Nu den Garaus machen. All das aber ist nur die halbe, idyllische Wahrheit – NaturVision steht auch für die Auseinandersetzung mit den Bedrohungen, denen Mensch und Natur ausgesetzt sind.

Gefahr Hybridsaatgut

US-Dokumentarfilmer Jeremy Seifert geht in „GMO OMG“ auf einen Feldzug gegen die Hersteller von Hybridsaatgut, allen voran Monsanto – und er schafft es, seine Ablehnung und Entrüstung in aufwendiger Recherche zu untermauern. „Samen sind für uns etwas Heiliges“, sagt ein Bauer auf Haiti, der trotz desolater Verhältnisse eine Hybrid-Saatgut-Schenkung ablehnt. Der Konzern verweigert vor der Kamera jegliche Stellungnahme. Zweifel an der Unbedenklichkeit von Pestiziden, verstörende Studien, Resistenzen von Unkraut und Insekten, gigantische Propaganda-Etats, die weltweite Samenbank mit 700 000 alten Sorten im Global Vault Diversity Trust – zu viel, um nicht ins Grübeln zu kommen. „Sie wollen die Natur patentieren, als würde sie ihnen gehören“, sagt ein alter US-Farmer. „Das ist unmoralisch.“

Adlige Naturliebe

Das findet auch ein illustrer Streiter auf der anderen Seite des Atlantiks: Prinz Charles, der britische Thronfolger, wirbt leidenschaftlich für eine Umkehr. Auf seinem Landgut pflegt er in geflickter Jacke Hecken, Refugien für viele Tiere. Mit seinem Agrar-Experten David Wilson wirbt er für artgerechte Haltung und Landbau ohne Chemikalien. Die Kronzeugen: glückliche Kühe, eine beinahe ausgestorbene britische Schweinerasse, schonend bearbeitete Erde. „Ich möchte zeigen, was möglich ist“, sagt Charles in Bertram Verhaags und Bernward Geiers Film „Der Bauer und sein Prinz“.

Eine kühne Gegenüberstellung wagt die Regisseurin Irja Martens. Ohne zu werten, begleitet sie den Niederländer Peter Smeets um die Welt, einen Verfechter industrieller, automatisierter Nahrungsmittelproduktion mit dem Ziel der Ertragsmaximierung. Sie konterkariert seine Thesen mit den Philosophien, die Urban-Gardening-Aktivisten in Berlin und Kleinbauern-Kooperativen in Indien verkörpern. Ein Fazit? „Wir brauchen eine Ernährung, die der Planet aushält“, sagt Felix zu Löwenstein, Bio-Landwirt bei Frankfurt.