Drama, CH 2015. 92 Minuten Foto:  

Der Familienvater Thomas Engel geht allen Konflikten möglichst aus dem Weg. In dem Film „Nichts passiert“ von Micha Lewinsky gerät er dadurch jedoch in ein Geflecht aus Lügen, aus dem er selbst nicht mehr herauskommt. Devid Striesow als Engel gefällt mit einer exzellenten Darsteller-Leistung.

Stuttgart - Wenn einer weiß, wie man Konflikten aus dem Weg geht, dann ist es Thomas Engel – Harmonie geht ihm über alles. So hat er auch nicht Nein gesagt, als ihn sein Chef bat, dessen 15-jährige Tochter Sarah mit in den Winterurlaub zu nehmen. Weder Thomas’ Frau noch sein eigenes Töchterchen sind darüber begeistert. Ein richtiger Familienurlaub hätte es eigentlich werden sollen. Stattdessen nun also gute Miene zum bösen Spiel.

In der Abgeschiedenheit der Schweizer Bergwelt wird Thomas’ Harmoniebedürfnis schon am ersten Abend auf eine harte Probe gestellt, als ihm Sarah nach einer durchzechten Nacht anvertraut, dass sie vergewaltigt worden sei. Ausgerechnet vom Sohn seines befreundeten Chalet-Vermieters.

Einmal sei er ausgerastet. Aber nur wegen des Alkohols. Und den habe er jetzt natürlich im Griff. Das zumindest erzählt Thomas seiner Therapeutin in der starken Exposition von Micha Lewinskys Film. Dass seine Frau weder von seinem Ausraster noch von seiner Therapie etwas weiß, steht dabei auf einem ganz anderen Blatt. Er habe sich jetzt verändert durch die Therapie, meint er. Die Therapeutin fragt: „Und wie sind Sie?“ „Auf jeden Fall keiner, um den man sich Sorgen zu machen braucht. Einfach ein normaler, netter Mann“, erwidert Thomas. Und er lächelt dabei.

Devid Striesow (zuletzt zu sehen als Hape Kerkeling in „Ich bin dann mal weg“) spielt diesen Thomas, einen Mann, der jedem Problem auf äußerst unkonventionelle Weise entgegentritt, ohne es je zu lösen. Manchmal ist es nur eine kurze Bemerkung, ein anderes Mal vielleicht schon eine folgenschwere Handlungsweise – aber immer eine klare Vogel-Strauß-Taktik. Hier macht eine tickende Zeitbombe Urlaub mit seiner nichts ahnenden Familie.

Striesow versteht sich bestens darauf, die inneren Konflikte des Protagonisten nach außen zu transportieren – sichtbar für den Zuschauer, aber unsichtbar für Familie und Freunde. Wenn Thomas sich in der schneebedeckten idyllischen Bergwelt immer tiefer in ein Geflecht aus Lügen hineinmanövriert, sich gar am Ende selbst wie eine Ratte in die Enge treibt, so nimmt er dank Striesows exzellenter Darstellerleistung den Zuschauer mit in diese ausweglose Enge, die zwangsläufig zu einer Explosion führen muss.

Micha Lewinsky hat mit „Nichts passiert“ ein spannendes und exzellent fotografiertes Psychogramm inszeniert.