Lebenshilfe mittels Handy. Diese Dienstleistung nehmen überwiegend junge Leute in Anspruch. Foto: Fatma Tetik

Die psychologische Onlineberatung Onbera aus Filderstadt hilft Menschen aus der Lebenskrise. Vor allem junge Leute wählen den Weg übers Smartphone.

Filderstadt - Durchschnittlich 1200 Menschen suchen jährlich Rat bei den Fachleuten der psychologischen Beratungsstelle Filder. Seit 2009 können sich Menschen, die sich in einer seelischen Notlage befinden, zusätzlich über das Onlineportal Onbera beraten lassen. Kürzlich ist die eintausendste Anfrage über das Portal eingegangen. 3500 Mails haben die Familientherapeuten Sandra Dehn und Karl König seit dem Start der Homepage mit den Ratsuchenden ausgetauscht.

80 Prozent sind weiblich

Das niederschwellige und kostenlose Angebot nutzen hauptsächlich Kinder, Jugendliche und junge Menschen unter 25 Jahren, die sich im Schutz der Anonymität ihren Frust von der Seele schreiben. Die Angabe von persönlichen Daten ist freiwillig.

Aus den bisherigen Erhebungen geht hervor, dass 80 Prozent der Nutzer weiblich sind und mehr als 60 Prozent aus dem Landkreis und den angrenzenden Regionen stammen. Karl König erklärt, dass Jugendliche aus Scham, Unsicherheit oder Angst große Hemmungen haben, sich per-sönlich an eine Beratungsstelle zu wenden. „Viele junge Menschen verharren deshalb mit ihren Problemen in der Sprachlosigkeit“, sagt der Therapeut.

Oftmals bleiben die inneren Nöte der Jugendlichen sogar vor den eigenen Eltern verborgen. Während die älteren Klienten hauptsächlich Hilfe zu Partnerschaft, Ehe, Scheidung und Erziehung suchen, reichen die Probleme der jungen Menschen von Einsamkeit, Depressionen, Mobbing, Missbrauch und Essstörungen bis hin zu konkreten Selbstmordgedanken.

Zwischen den Zeilen lesen

Im persönlichen Gespräch können die Berater auf körperliche Signale wie Gestik und Mimik achten und eingehen. Bei der elektronischen Beratung sind sie auf die Interpretation des Geschriebenen angewiesen. „Man muss zwischen den Zeilen lesen können und die Gefühlslage des unsichtbaren Gegenübers erspüren können“, erklärt Karl König.

So erfolgreich das Konzept der anonymen, kostenlosen und unverbindlichen Beratung auch ist: Im Falle des Falles müssen die Therapeuten einen angekündigten Suizid aushalten können, wenn sich die Person nicht mehr meldet. Denn weder Telefonnummer, noch Mail- und IP-Adresse des Hilfesuchenden werden gespeichert.

Derartige Fälle kommen jedoch selten vor. Der Onlineberater Karl König: „Für viele ist der Kontakt zu uns ein erster Schritt aus der Hoffnungslosigkeit. Manche wagen nach ein paar Mails den Weg in die persönliche Beratung.“ Durch die enge Vernetzung mit lokalen Beratungsstellen könne man bei Bedarf den Klienten vor Ort weitervermitteln. „Die Onlineberatung ist ein Erfolgsmodell“, sagt König. „Der Bedarf ist groß.“ Monatlich kommen im Schnitt bis zu 15 Neuanfragen dazu. Eine erste Antwort bekommen die Nutzer innerhalb von zwei Werktagen.

Suche nach Geldgebern

Die Zukunft des Beratungsdienstes ist allerdings unsicher. Ende dieses Jahres läuft eine Förderung der Stellenanteile durch die Deutsche Fernsehlotterie aus. Da die Onlineberatung außerhalb des eigentlichen Beratungsauftrags liegt, muss das Angebot über Spenden und Eigenmittel des Kreisdiakonieverbands finanziert werden. Darum ist der Kreisdiakonieverband, unter dessen Trägerschaft die psychologische Beratungsstelle steht, auf der Suche nach Geldgebern, um den Onlinedienst weiter anbieten zu können. Auf lange Sicht sei eine Finanzierung mit öffentlichem Geld gefragt, erklärt Eberhard Haußmann, der Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbandes im Landkreis Esslingen.

Die Onlineberatung sei ein wichtiges und ergänzendes Hilfsangebot für Kinder und Jugendliche in Not. „Gerade für junge Menschen, deren wichtigstes Kommunikationsmittel das Smartphone und der PC sind, ist die Onlineberatung ein zeitgemäßes Angebot“, bekräftigt Haußmann.