In Lilly Beitters Wohnung hängen zahlreiche Fotos ihrer Familie. Die Rentnerin hat sich in diesem Jahr für längere Schwimmbad-Öffnungszeiten eingesetzt. Foto: Jacqueline Fritsch

Lilly Beitter hat 2016 eine Unterschriftenaktion für längere Öffnungszeiten des Vaihinger Hallenbads gestartet.

Vaihingen - Der Sessel in der Ecke hat eine grünliche Farbe. Auf dem kleinen Tisch davor liegt die Tageszeitung. An den Wänden hängen zahlreiche Fotos von Familienmitgliedern. Die beiden größten zeigen Lilly Beitters Großeltern. Der Tisch in der Mitte des Raumes ist sehr ordentlich; nur ein Laptop steht darauf, der sofort ins Auge sticht. Das Gerät steht im Mittelpunkt der Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Vaihingen. Lilly Beitter lebt dort seit einigen Jahren.

Anfang des Jahres hat die 76-Jährige noch fleißig Unterschriften für längere Öffnungszeiten des Vaihinger Hallenbads gesammelt; heute widmet sie sich ganz ihrem Hobby. Sie gestaltet Karten für Geburtstage, Kommunionen oder Neujahr und auch ganze Büchlein. Auf der aktuellen Karte steht „Wenn du es eilig hast, geh langsam.“ – „Das ist meine Karte für 2017. Die werden jedes Jahr besser“, sagt Beitter erfreut.

Die 76-Jährige hat Photoshop- und Textverarbeitungs-Kurse belegt, um noch schönere Kleinigkeiten gestalten zu können. Dieses Jahr ist ihr Thema die Zeit. „Letztes Jahr hatte ich einen Wasserrohrbruch, da war das Motto dann ‚Es kann nur besser werden‘“, erzählt die lebhafte Rentnerin.

Hallenbad sollte am Wochenende geöffnet bleiben

Ebenso viel Energie, wie sie in ihr Hobby steckt, hat sie in diesem Jahr bereits in eine andere Aktion investiert. Im Frühjahr hat Beitter insgesamt 4500 Unterschriften gesammelt, damit das Vaihinger Hallenbad auch am Wochenende geöffnet hat. Als das Sonnenberger Hallenbad im Februar wegen Sanierungsarbeiten schließen musste, hatte das Vaihinger Bad die Öffnungszeiten des Sonnenbergers übernommen. Die Vaihinger konnten also auch am Samstagnachmittag und am Sonntag schwimmen gehen.

Beitter wollte mit einer Unterschriftenaktion erreichen, dass das so bleibt. „Mir war klar, dass es nichts wird, aber man muss das Problem öffentlich machen“, sagt sie. Die meisten Schwimmer wären sich der Situation gar nicht bewusst gewesen, erklärt die Rentnerin: „Die wären wieder gekommen und vor verschlossener Tür gestanden.“ Denn als das Sonnenberger Bad wieder offen hatte, galten die alten Öffnungszeiten für das Vaihinger Bad im Rosental.

Beitter hat also Listen ausgehängt, die Leute aufgeklärt und Unterschriften gesammelt. Nach den ersten Rückschlägen habe sie angefangen zu kämpfen. „Ich durfte mich nicht ins Hallenbad stellen und mit den Leuten reden. Die haben mich rausgeschmissen“, erzählt sie. „Aber ich habe gelernt, mich durchzuboxen.“ In einigen Schulen, Sportstudios und Geschäften in der Gegend hätten zahlreiche Menschen unterschrieben. „Die haben mitgemacht wie die Weltmeister“, sagt Beitter noch Monate später erfreut.

Die Familie ist Lilly Beitter wichtig

Letztlich hat sie mit den 4500 Unterschriften doch nicht ihr Ziel erreicht. „Wir sollen doch nach Heslach gehen, hat die Stadt gesagt“, erzählt Beitter. „Ich will nicht nach Heslach, ich will auch nicht nach Sindelfingen in ein Spaßbad. Ich will einfach nur schwimmen.“ Es gehe schließlich auch ums Prinzip. Mit ihrer Aktion hat Beitter nicht für sich gekämpft, sondern für „die, die nach uns kommen“. „Wenn das Bad offen hat, dann stehen alle sonntags auf und gehen mit ihren Kindern, damit die schwimmen lernen“, sagt Beitter. „Es war so schön sonntags, da ist eine ganz andere Atmosphäre. Es war richtig familiär.“

Die Familie ist für Lilly Beitter sehr wichtig. Ihre ganze Wohnung ist voll mit Fotos und Geschenken ihrer drei Enkel. Riesige Stammbäume hat sie an ihrer Wand eingerahmt; darauf ist sie stolz. Die Recherche dafür war sehr zeitintensiv, wie Beitter erzählt. Die Karten, die sie hobbymäßig gestaltet, sind meist für Angehörige. „Die finden das schon cool“, erzählt Beitter.

Das Schwimmen möchte sie trotz ihres Misserfolgs beim Thema Öffnungszeiten nicht aufgeben und nun eben an den nicht ganz so atmosphärischen Samstagen in das Vaihinger Hallenbad gehen – frühmorgens, wenn gerade geöffnet wurde. Auch ins Fitnessstudio geht die 76-Jährige regelmäßig. In die Zukunft und ins kommende Jahr schaut Beitter mit gestärktem Selbstbewusstsein durch ihre Erfahrungen bei der Unterschriftenaktion. „Ich habe viel gelernt und nichts bereut“, sagt die Rentnerin. Und wenn sie es eilig hat, geht sie eben langsam.