Uefa-Präsident Michel Platini bei der Pressekonferenz am Donnerstag in Zürich: "Ich habe ihm gesagt: 'Bitte verlasse die Fifa. Lass es sein'" Foto: dpa

Kurz vor der Eröffnung des Fifa-Kongresses in Zürich hat die Uefa bekannt gegeben, sie werde den Kongress nicht boykottieren. Uefa-Präsident Platini forderte Blatter persönlich zum Rücktritt auf und schließt auch einen Rückzug aus den Wettbewerben nicht aus.

Zürich - Die Fifa steht nach den skandalösen Entwicklungen mit Festnahmen und Suspendierungen weltweit am Pranger. Aber Präsident Joseph Blatter kann sich nach den turbulentesten Stunden seiner Dauer-Regentschaft auf eine fünfte Amtszeit einrichten. Der Kongress des Fußball-Weltverbandes mit einer nun doch wieder hochwahrscheinlichen fünften Kür des umstrittenen Schweizers kann wie geplant stattfinden.

Die europäische Anti-Blatter-Fraktion wird die Vollversammlung der 209 Mitgliedsländer und die Präsidentschaftswahl am Freitag entgegen erster Überlegungen nicht boykottieren und will Prinz Ali bin al-Hussein mit so vielen Stimmen wie möglich unterstützen.

"Alle Möglichkeiten ins Auge fassen"

Für den Fall eines Blatter-Sieges baute Uefa-Boss Michel Platini aber gleich eine bislang nicht gekannte Drohkulisse auf und schloss sogar einen WM-Verzicht aller Europäer nicht grundsätzlich aus. Bei einer Sondersitzung rund um das Champions-League-Finale in Berlin werde man in der kommenden Woche „alle Möglichkeiten ins Auge fassen“, sagte der Franzose am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Zürich.

Auf eine entsprechende Nachfrage konkretisierte er, dass er einen WM-Boykott nicht ankündige, aber dass es „demokratische Entscheidungen“ der Landesverbände geben werde. Eine weitere Option ist laut Platini offenbar ein kollektiver Austritt der europäischen Mitglieder aus dem Fifa-Exekutivkomitee. Somit geht der Machtkampf im Weltverband in jedem Fall auch nach dem Zürich-Kongress weiter.

"Ich habe keine Worte, zu viel ist zu viel"

„Ich bin entsetzt, enttäuscht. Ich habe keine Worte, zu viel ist zu viel“, sagte Platini nach einer Uefa-Sitzung zu den jüngsten Fifa-Korruptionsskandalen. „Ich finde das wahnsinnig abstoßend“. Für einen Boykott gab es unter den Europäern aber offenbar keine Mehrheit. Einige Verbände sind sogar pro Blatter. Platini hofft auf 45 bis 46 der insgesamt 53 europäischen Voten für Prinz Ali. Damit dürfte Blatter die Mehrheit von mindestens 105 Delegiertenstimmen sicher sein.

Der Engländer David Gill will unterdessen auf seinen Platz im FIFA-Exekutivkomitee definitiv verzichten, sollte Blatter gewählt werden. DFB-Chef Wolfgang Niersbach hielt sich eine Entscheidung offen. „Das ist ein Abwägen: Boykottiert man etwas oder geht man ins Exko rein und hat die Chance auch wirklich etwas zu verändern.“

Platini berichtete am Donnerstag von einem emotionalen Gespräch unter vier Augen mit Weltverbandschef Joseph Blatter, in dem er seinen einstigen Förderer erfolglos zum Rücktritt aufgefordert hatte. „Es ist nicht leicht, einem Freund zu sagen, dass er gehen soll.“

Putin stellt sich hinter Blatter

Der Skandal um korrupte Fifa-Funktionäre und die Untersuchungen der Schweizer Justiz zu den WM-Vergaben 2018 und 2022 in der Fifa-Zentrale beschäftigt inzwischen sogar höchste politische Kreise. Kremlchef Wladimir Putin hat der USA ungerechtfertigte Einmischung vorgeworfen und sich hinter dem umstrittenen Blatter gestellt.

In mehreren Sitzungen berieten Vertreter verschiedener Konföderationen am Donnerstag über ihre Strategie vor dem für Freitag geplanten Urnengang. Blatter sagte angesichts der aktuellen Ereignisse alle seine geplanten Auftritte vor der offiziellen Kongress-Eröffnung am Donnerstag in einem Zürcher Theater ab.

Sponsoren verärgert

Organisationen wie Amnesty International fordern den Rücktritt von Blatter. Von ihren Sponsoren bekam die Fifa mahnende Worte. Das Kreditkartenunternehmen Visa forderte „rasche und sofortige Maßnahmen“ an, um die Probleme innerhalb der Fifa zu beheben. „Sollte die Fifa dies nicht tun, haben wir sie informiert, dass wir unser Sponsoring neu bewerten würden“, teilte das Unternehmen in einer Stellungnahme mit.

Der südkoreanische Automobilhersteller Hyundai betonte, dass man die Lage genau beobachten wolle. „Als Unternehmen, für das ethische Normen und Transparenz den höchsten Stellenwert besitzen, sind wir extrem besorgt über die eingeleiteten rechtlichen Schritte gegen bestimmte Fifa-Führungskräfte.“ Auch der Sportartikelhersteller Adidas und das Fast-Food-Unternehmen McDonalds forderten die Fifa zu Demokratie und Transparenz auf. In Moskau wächst die Sorge, dass Russland im Zuge der Ermittlungen die Austragungsrechte verlieren könnte. „Wir wissen von dem Druck, der auf Blatter ausgeübt wurde, mit dem Ziel, Russland die WM 2018 wegzunehmen“, sagte Putin. Sportminister Witali Mutko - auch Uefa- und Fifa-Exkomitglied - äußerte sich in Zürich jedoch moderat. „Es gibt kein Risiko, es gibt kein Problem.“

Nach Ermittlungen aus den USA waren am Mittwoch sieben Spitzenfunktionäre, darunter auch die Fifa-Vizepräsidenten Jeffrey Webb (Kaimaninseln) und Eugenio Figueredo (Uruguay), in Zürich festgenommen worden. Insgesamt stehen 14 Personen unter Korruptionsverdacht.

Die US-Justiz hat auch gegen den früheren Chef des südamerikanischen Fußballverbandes CONMEBOL in Paraguay, Nicolás Leoz, einen internationalen Haftbefehl erwirkt. Jack Warner, eine weitere Schlüsselfigur, hatte sich am Mittwoch in Trinidad und Tobago der Polizei gestellt und wurde nach Zahlung einer Kaution von 2,5 Millionen Dollar auf freien Fuß gesetzt.

Das internationale Presse-Echo fiel für die Fifa und Blatter fatal aus. „Ihre dunklen Geister wird sie so schnell nicht los“, schrieb die „Neue Zürcher Zeitung“. Die New York Times stellte angesichts der Rolle der US-Justiz in dem Skandal süffisant fest: „Die Fifa wollte immer, dass Amerika sich mehr für den Fußball interessiert. Nun, das haben sie jetzt erreicht.“