Daniel Kuhn hat die Ruhe weg. Der Kampfmittelbeseitiger weiß genau, wie er mit den explosiven Fundstücken umgehen muss. Foto: Waltraud Daniela Engel

Ein Tag mit Daniel Kuhn im Munitionslager vom Kampfmittelbeseitigungsdienst. Pro Jahr vernichtet man dort zwischen 70 und 120 Tonnen Kampfmittel aus ganz Baden-Württemberg.

Vaihingen - Blindgänger gibt es bundesweit noch immer zuhauf. Nicht nur der Baggerfahrer auf der Großbaustelle in Stuttgart oder der Kleingärtner in Konstanz, der den Boden seines Gartenhäuschen zementieren will, kann auf einst abgeworfene Bomben stoßen. Oft finden auch die Angehörigen nach Opas Tod auf dem Dachboden ein verstecktes Andenken aus dem Zweiten Weltkrieg – zum Beispiel scharfe Munition in der Keksdose.

„Pro Jahr bergen und vernichten wir zwischen 70 und 120 Tonnen Kampfmittel aus ganz Baden-Württemberg“, sagt Daniel Kuhn auf dem Gelände des Munitionslagers im Wald zwischen Vaihingen und Sindelfingen. Der 39-Jährige ist Feuerwerker beim Kampfmittelbeseitigungsdienst und wird immer gerufen, wenn es sich bei den Fundstücken um Munition, Granaten oder Bomben aus den Weltkriegen handeln könnte. Allerdings sei es auch schon mal vorgekommen, dass besorgte Anwohner aus Esslingen bei der Dienststelle angerufen haben, und es nur eine verrostete Herdplatte zu entschärfen gab.

„Wir haben keine Todessehnsucht – im Gegenteil“

„Wenn möglich, entschärfen wir nicht vor Ort“, sagt Kuhn. Wird der Kampfmittelbeseitigungsdienst gerufen, schätzt der Fachmann zunächst ein, ob die Munition oder die Bombe transportfähig ist. Wenn ja, wird sie ins Lager zur Entschärfung gebracht. Für neuere Kampfmittel, die nicht aus den Weltkriegen stammen, ist die Bundeswehr zuständig, für Kofferbomben das Landeskriminalamt.

Dank seiner 14 Jahre Erfahrung weiß der Feuerwerker, was er anfassen darf und was nicht. Schließlich, so Kuhn, mache man in diesem Beruf einen Fehler im Zweifel nur einmal. Quasi um seine These zu beweisen, klopft er vorsichtig auf eine Nebelgranate und lächelt. „Wir haben keine Todessehnsucht – im Gegenteil.“ Man müsse nur ein klein wenig ein Spinner sein, meint er schmunzelnd. Und die Nebelgranate ist handhabungssicher, beruhigt der Profi, schließlich hätte sie nicht beim Transport detonieren dürfen.

Deutlich gefährlicher als Weltkriegskampfmittel sind für Kuhn Feuerwerkskörper, die illegal nach Deutschland eingeführt worden sind. Die Kampfmittelbeseitiger arbeiten eng mit dem Zoll zusammen und müssen dann gegebenenfalls die Urlaubssouvenirs vernichten, sofern sie nicht dem deutschen Sprengstoffrecht entsprechen. „Am liebsten sind mir die Hobbybastler“, sagt der 39-Jährige. Anleitungen aus dem Internet, Zutaten aus dem Baumarkt, und die Gefahr nimmt ihren Lauf. Oft reiche ein kleiner Funke und der Sprengstoff explodiert.

Der letzte Unfall liegt schon rund 20 Jahre zurück

Kuhn strahlt Gelassenheit aus. Fast schon unheimlich. „Wissen ist Macht“, sagt er. Und tatsächlich erklärt er beim Rundgang durch das hauseigene Museum zu fast jedem Exponat das Herkunftsland und wie man den Zünder entschärfen musste. Schließlich hat jedes Land seine Eigenheiten. Großbritannien verwendete gerne Messing, die Amerikaner hingegen hauptsächlich Stahl. Ganz selten käme es vor, dass auch die Experten vor ein Rätsel gestellt werden. Zum Beispiel, wenn ein Zündkopf arabische oder japanische Schriftzeichen trägt. Wie die nach Deutschland gekommen sind, bleibt meist unklar. Oder was eine Bombe – konzipiert für ein Unterseeboot – mitten in Baden-Württemberg macht.

Recht genau weiß man zwischenzeitlich, wie unzählige Panzerfäuste in Privatbesitz gekommen sind. „Um den Endsieg zu erreichen, hat man 1945 fast jeder Hausfrau und jedem Kind eine Panzerfaust überlassen“, erklärt Kuhn. Viele haben die Waffen dann vor dem Einmarsch der Alliierten versteckt. Seine Kollegen und er müssen das dann aufräumen.

Der Beruf ist nicht ungefährlich, bestätigt Kuhn. „Gerade nach den Weltkriegen sind viele Feuerwerker ums Leben gekommen“, sagt er. Sie wussten noch nicht, wie manche Kampfmittel sicher zu entschärfen sind. Inzwischen ist der Erfahrungsschatz so groß, dass der letzte Unfall auf dem Gelände westlich von Vaihingen schon rund 20 Jahre zurück liegt – und der Kollege hat es schwer verletzt überlebt.