Hell erleuchteter Garten: das Musikfeuerwerk im Blühenden Barock. Foto: factum/Granville

Tausende Zuschauer sind am Samstag zum Musikfeuerwerk ins Blühende Barock gekommen. Dabei steigen in den kommenden Wochen noch zwei weitere Pyro-Shows in Ludwigsburg. Im Interview erklärt der Soziologe Sacha Szabo, warum Feuerwerk eigentlich völlig nutzlos ist – und warum es trotzdem immer beliebter wird.

Ludwigsburg. - Tausende Zuschauer haben am Samstag trotz mäßigen Wetters das Musikfeuerwerk im Blühenden Barock verfolgt. Ähnlich viele werden vermutlich zum Lichterzauber am 19. August nach Ludwigsburg kommen und auch Mitte Juli, beim Open-Air-Konzert der Schlossfestspiele am Monrepos-See gibt es ein Feuerwerk. Warum die Pyrotechnik so viele fasziniert, erklärt der Freiburger Soziologe Sacha Szabo.
Herr Szabo, am Samstag haben Sie das große Musikfeuerwerk in Ludwigsburg verpasst. Wie traurig sind Sie darüber?
Sehr, auch wenn die wissenschaftliche Neutralität es einem Forscher eigentlich nicht zugesteht, aber ich mag Feuerwerk. Mich fasziniert die Lichtmalerei am Himmel seit ich klein bin. Gut, später in der Pubertät waren es eher die Böller, aber heute kann ich so ein vergängliches Schauspiel mit großer Freude genießen.
Sie können also verstehen, dass Tausende Leute viel Eintritt für so etwas bezahlen?
Das Feuerwerk hat seinen ersten großen Höhepunkt im europäischen Barock gefeiert. Es war vor allem ein adliges Vergnügen und die damalige Wirtschaftsweise war darauf ausgerichtet, dem Herrscher die Mittel zu beschaffen, damit dieser sie bei seiner Prachtentfaltung verschwenden kann. Je prächtiger die höfischen Feste waren, desto mächtiger war der Souverän. Und heute, wo das Volk der Souverän ist, feiert es sich selbst. Deshalb sind Feuerwerke immer auch eine politische Demonstration von Selbstbewusstsein.
In Ihrem Buch „Sozioanalyse des Alltags“ schreiben Sie davon, Feuerwerk sei „völlig zwecklos“. Ist es dann nicht dekadent, dass es bald zwei weitere Feuerwerke in Ludwigsburg gibt – und zig andere in der Region ?
Ja, es ist auffällig, dass im Moment gehäuft Feuerwerke beworben werden. Allerdings sehe ich eher die Gefahr darin, dass dieses Spektakel an Attraktivität verliert und nichts Besonderes mehr ist. Und das sollte es schon sein, es ist nicht nur als konkretes Erlebnis etwas Einmaliges, sondern sollte auch als Event seine Einmaligkeit behalten.
Haben Sie eine Erklärung dafür, warum Feuerwerke derart boomen?
Der Ursprung der Pyrotechnik liegt in der Kriegstechnik, deren Sinn es verkehrt und die dann dem Vergnügen dient. Vielleicht haben die Menschen aktuell ein Bedürfnis nach einem Jenseits des Alltags, wollen die konfliktreiche weltpolitische Situation vergessen, einfach mal abschalten und für eine kurze Zeit sorgenfrei sein.
„Geld wird beim Feuerwerk zum Verschwinden gebracht“, schreiben Sie weiter. Welcher vernünftige Mensch kann das wollen?
Das Feuerwerk ist eine besondere Kunstform, die fast in dem Augenblick, in dem sie auftaucht, schon wieder verschwunden ist. Das hat sie mit der Musik gemein, deshalb ergänzen sich beide Kunstformen so gut. Das ist im Übrigen ein Gedanke von Theodor W. Adorno. Geld ist etwas rein Diesseitiges, etwas Alltägliches, und die Pyrotechnik transzendiert das Geld in ein außeralltägliches Erlebnis.
Sollte das Geld nicht lieber in einer Spendendose verschwinden?
Gegen das Feuerwerk wird gern der Nutzen angeführt. Der Gedanke des Nützlichen ist ein bürgerlicher, der im Protestantismus fußt und damit eine Grundlage des kapitalistischen Systems ist. Die Verschwendung hingegen folgt einer anderen Philosophie: dort zeichnet es den Menschen aus, dass er eben nicht nutzenoptimiert handelt, sondern dieses rationale Denken überwinden kann. Es ist Zeichen seines freien Willens, das Geld, das er mühsam erarbeitet hat, zu verschwenden. Der Mensch zeigt, dass er um die Vergänglichkeit der irdischen Werte weiß. Damit ist das Feuerwerk auch mit dem Opfer verwandt und hat so eine spirituelle Qualität.
Welche Leute schauen sich denn so ein Spektakel an?
Es ist schwer eine Typologie zu erstellen. Leichter ist es, die zu unterscheiden, die Feuerwerke mögen, und solche, die sie aus den unterschiedlichsten Gründen ablehnen. Dabei spielen die vernünftigen Gründe – Feinstaub, Lärm, Umwelt- und Naturschutz – eine große Rolle. Diejenigen, die das Feuerwerk mögen, haben dabei die schlechteren Karten, denn das Feuerwerk ist unvernünftig. Genau das zeichnet es eben aus, und nur aus dieser Irrealität kann diese besondere Schönheit entstehen.
Feuerwerk findet ja längst nicht mehr nur am Jahresende statt, auch bei Geburtstagen und Firmenjubiläen. Braucht es überhaupt noch einen Anlass?
Ja, wir brauchen einen Anlass. Selbst das einfachste Feuerwerk, die Notsignalkugel, hat eine Botschaft. Dass wir Raketen zu Sylvester steigen lassen ist dabei noch gar nicht so lange her. Höhenfeuerwerk hat gar keine so alte Tradition, wie man glaubt. Früher wurden eher Bodenfeuerwerk oder Aufbauten, auf denen dann Feuerwerk montiert wurde, abgefackelt. Dies war die Art der adligen Feuerwerke. Das ungeordnete Feuerwerk an Silvester beruft sich zwar auf die Winteraustreibung, ist aber eher in der Tradition dieser adligen Feuerwerke zu sehen, die über die Jahrhunderte ins einfache Volk herabgesunken sind.
Wenn es nur noch einmal im Jahr ein Feuerwerk geben dürfte: Wann würden Sie die Raketen steigen lassen?
Die Frage quält mich wirklich, denn ich mag sowohl die großen choreografierten Feuerwerke als auch das ungeordnete, anarchische Rumgeballere an Sylvester. Ich würde mir also ein großes, schön angelegtes Feuerwerk an Silvester wünschen. Am besten über ein paar Minuten, so dass man das Glas Sekt dazu auskosten kann.
Obwohl sie berufsbedingt viele Feuerwerke anschauen, sind Sie ihrer nicht überdrüssig?
Nein. Bei den Volksfesten, über die ich forsche, wie den Cannstatter Wasen, markieren Feuerwerke häufig den Beginn und das Ende, so bekomme ich viele zu sehen. Und solch ein großes Feuerwerk in einer Riesenradgondel, während der Festplatz abgedunkelt ist – ein Traum!
Können Sie sich an ein besonderes Feuerwerk in ihrem Leben erinnern?
Als Kind wollte ich eine Rakete und bekniete meine Mutter. Letztlich standen wir um Mitternacht an der Hauptstraße in Freiburg – und während um uns herum die Raketen flogen, war meine ein Blindgänger. Es war mein erstes bewusstes Silvestererlebnis, und ich kann ich mich bis heute an die Enttäuschung erinnern und habe das trostlose Bild dieser Rakete vor Augen.