Die Feuerwehrleute Philipp Schaupp und Tobias Dengler (rechts) üben den anstrengenden Einsatz mit dem Atemschutzgerät Foto: Peter Petsch

Mit 50 Kilogramm Ausrüstung quälen sich Feuerwehrleute unter Atemschutz über die Teststrecke. Wer durchfällt, darf nicht zum Brandeinsatz.

Stuttgart - Die beiden Feuerwehrmänner knien am Boden. Zwischen ihnen liegt eine leblose Gestalt. Die Gruppe schiebt sich ruckweise durch den engen, kaum einen Meter hohen Tunnel. Die Sicht im dichten Rauch beträgt keine zwei Meter. Das Feuer dröhnt, grelles Licht blendet, ein Mensch schreit gellend.

„Hier trennt sich die Spreu vom Weizen“, sagt Rudi Kurz und deutet auf die beiden Feuerwehrleute, die auf den Bildschirmen vor Kurz bestens zu erkennen sind. Acht Wärmebildkameras fangen jeden Winkel des 56 Meter langen Parcours ein, den die zwei Feuerwehrmänner mit dem 40 Kilogramm schweren Dummy – der leblosen Gestalt – zurücklegen müssen.

Die sogenannte Atemschutzstrecke ist das Highlight der Ausbildung am Atemschutzgerät. Für manchen Feuerwehrmann wird der Parcours auch zum Tiefpunkt: Wer durch diese Ausbildung fällt oder später die regelmäßigen Tests reißt, darf nicht – oder nicht mehr – zum Brandeinsatz. Das gilt für die Freiwillige Feuerwehr wie für die Berufsfeuerwehr. „Wer das hier nicht beherrscht, wäre im Ernstfall eine Gefahr für sich, seinen Partner und den Trupp, der das erste Team im Notfall bergen muss“, verdeutlicht Rudi Kurz, Leiter der Atemschutzstrecke.

Die 56 Meter auf dem Gelände der Feuerwache Feuerbach haben es freilich in sich. Boden, Wände und Decken sind aus Stahlgitterboxen zu einer genormten, zweigeschossigen Bahn mit diversen Türen, Klappen und Röhren zusammengefügt. Die Hälfte des Parcours muss wegen der geringen Deckenhöhe kniend oder sitzend absolviert werden. Heizstrahler, Kunstnebel, Lichtblitze und ein über Tonband eingespielter Höllenlärm durchsetzt mit menschlichen Hilferufen simulieren das Innere eines brennenden Gebäudes. Die Kulisse wirkt realistisch, bedrohlich.

Zur echten Tortour wird der Parcours aber erst durch den Zweck der Übung – das Atemschutzgerät. 15 Kilogramm wiegt die Apparatur mit zwei Stahlflaschen, in denen 1800 Liter Atemluft auf 300 bar komprimiert sind. Bei Höchstbelastung, wenn der Puls bei freiwilligen Feuerwehrmännern minutenlang über 180 liegt und auch erfahrene, trainierte Berufsfeuerleute sich ihrem Limit nähern, braucht ein Retter 80 bis 100 Liter Luft pro Minute. Atemschutzgeräte ermöglichen es, einen Brand auch aus der Nähe zu bekämpfen und Menschen in Not zu retten. Berücksichtigt man die Zeit fürs Vorrücken zum Feuer, zum Abrücken und für eine Sicherheitsreserve, reduziert sich die wertvolle Zeit allerdings auf wenige Minuten.

Aus den gelben Flaschen gelangt die Luft über einen Schlauch direkt in die Maske, die luftdicht am Kopf anliegt. Schon in der an sich harmlosen Trainingssituation erfordert es einiges an Kondition und Willenskraft, sich bei körperlicher Anstrengung die Maske mit den vier Lederriemen nicht nach kurzer Zeit vom schweißnassen Gesicht zu reißen. „Mit Fitness kann man das nur bedingt beeinflussen, die psychische Belastungen ist halt hoch“, erläutert Ausbilder Kurz. „Da hilft nur Training, Training, Training.“

„Das ist der anstrengendste Lehrgang, das wissen wir alle“, sagt Tobias Dengler. Der 19-Jährige ist seit zehn Jahren Mitglied der Freiwilligen Wehr in Hofen. Jetzt macht er Ernst. Wenn Dengler die Atemschutzausbildung besteht, wird er in absehbarer Zeit selbst auf Feuer vorrücken. „Schon hier, auf der Übungsstrecke, ist das echter Stress, der auch auf die Psyche geht“, sagt er.

Alles in allem wiegt die komplette Ausrüstung und Montur, die Dengler und seine Mitstreiter Kevin Böck, Benjamin Wais und Phillip Schaupp auf der Atemschutzstrecke am Leib tragen, rund 50 Kilogramm. „Das ist wie Leistungssport im Hochsommer, aber in Skiklamotten und mit einem schwerem Rucksack“, sagt Wais. „Das geht nur mit einem ganz engen Fokus: Du, dein Kamerad, der Einsatz, der Auftrag“, sagt Böck.

Die vier freiwilligen Feuerwehrmänner kennen den Parcours bereits, doch das hilft ihnen beim zweiten Durchgang nicht wirklich. Manche Passagen sind so eng, dass sich die Männer gegenseitig durchschieben oder durchdrücken müssen. Weil die Sicht gegen Null geht, müssen die Zweierteams Körperkontakt halten und sich durch Schreien verständigen. Kommunikation ist Sicherheit. Sie kostet aber auch Kraft. Einer der vier Männer reißt sich plötzlich mitten im Parcours die Maske vom Kopf. Er gibt auf, wird aber – was er in dem Augenblick noch nicht weiß -, eine weitere Chance im Test erhalten. „Besser abbrechen als überlasten“, sagt Ausbilder Sascha Rentschler bei der Manöverkritik. „Der Schwächste im Team gibt vor, was geht und was nicht. Dazu muss man ehrlich sein – zu sich und zu den anderen.“