Rolf Graser in der Geschäftsstelle des Forums der Kulturen am Stuttgarter Marktplatz vor Plakaten des Sommerfestivals Foto: Leif Piechowski

Vom 15. bis 20. Juli feiern die Stuttgarter Migrantenvereine das Festival der Kulturen auf dem Marktplatz. Im Interview spricht Rolf Graser, Geschäftsführer des Forums der Kulturen, über den Reiz der Weltmusik, exotische Hausmannskost und warum sich auch Deutsche integrieren müssen

Von diesem Dienstag bis Sonntag feiern die Stuttgarter Migrantenvereine das Festival der Kulturen auf dem Marktplatz. Im Interview spricht Rolf Graser, Geschäftsführer des Forums der Kulturen, über den Reiz der Weltmusik, exotische Hausmannskost und warum sich auch Deutsche integrieren müssen.
Stuttgart – Herr Graser, sie feiern inzwischen das dreizehnte Sommerfestival der Kulturen. Wie hat sich das Fest in den letzten dreizehn Jahren verändert?
Das Festival wird immer beliebter und bekannter. Ansonsten hat sich nicht viel geändert. Die ersten zwei Jahre waren wir im Innenhof des Alten Waisenhauses. Seit wir auf den Marktplatz umgezogen sind, ist das Festival vor allem kontinuierlich gewachsen. Zuletzt hatten wir etwa 85 000 Besucher. Das einzige, was nicht mitwachsen kann, ist der Marktplatz. Deswegen können wir auch immer nur einer sehr begrenzten Zahl an Vereinen einen Standplatz einräumen.
Gibt es einen Punkt an dem Sie sagen würden, wir müssen weg vom Marktplatz?
Wir diskutieren immer wieder, ob wir woanders hingehen, weil es so eng ist und wir die Pavillons wegen des Wochenmarkts mehrmals auf- und abbauen müssen. Der Schlossplatz wäre eine Alternative, aber das ist doch etwas weitläufig. Die Innenstadt wollen wir nicht verlassen. Das Festival ist ja kein Selbstzweck, die kulturelle Vielfalt soll im Zentrum der Stadt sichtbar sein. Wir haben die Platznot jetzt gelindert, indem wir auch die Hirschstraße und die Kirchstraße nutzen. Dort werden von Anfang an Vereine mit ihren Ständen sein, von Mittwoch an auch Händler und Kunsthandwerker ihre Waren anbieten. Dadurch haben wir auf dem Marktplatz mehr Luft.
Vielfalt ist das Aushängeschild des Festivals. Ist genau das nicht auch eine Schwäche, weil man nie weiß, was sich dahinter verbirgt?
Aus Marketing-Gesichtspunkten lässt sich das Festival der Kulturen natürlich schwerer bewerben als ein Rockfestival mit weitgehend homogenem Publikum. Aber auch „Kulturelle Vielfalt“ ist zunehmend positiv besetzt und für alle, die schon einmal da waren, ist auch der Begriff „Weltmusik“ sehr griffig. Wir versuchen Bands zu finden, die das Außergewöhnliche darstellen und trotzdem dem breiten Publikum gefallen. Ein Beispiel: eine türkische Gruppe, die nichts anderes macht als normale Rockmusik, ist langweilig. Aber eine chilenische Gruppe, die indische Musik, Balkan-Brass und einheimische Folklore mischt, weckt Interesse und begeistert.
Aber bleibt dann nicht das liberale weltoffene Publikum unter sich? Wie erreichen Sie diejenigen, die bisher kaum Kontakt mit Migranten haben?
Aus diesem Grund sind wir ja mitten in der Stadt und verlangen keinen Eintritt. Viele Besucher auf dem Festival sind Bummler, die von der Königstraße oder vom Hamburger Fischmarkt zu uns rüber kommen und größtenteils auch bleiben, weil es ihnen gefällt. Auch die Essensstände der Vereine sind ein Publikumsmagnet. Das Essen spielt eine große Rolle, weil es so authentisch ist. Wir haben keine Restaurants, alles wird von den Vereinsmitgliedern gekocht. Das ist als wäre man bei jemandem zuhause eingeladen.
Können Sie sich vorstellen, dass das Festival der Kulturen irgendwann einmal überflüssig wird?
Wenn man das Festival nur aus erzieherischen Gründen machen würde, um kultureller Vielfalt mehr Anerkennung zu verschaffen: Ja. Je mehr es Normalität wird, dass Menschen in dieser Stadt ganz unterschiedliche kulturelle Wurzeln haben, desto weniger muss man durch gezielte Aktivitäten darauf hinweisen. Aber wir machen das ja auch, weil es uns Freude bereitet, die kulturelle Vielfalt zu feiern. Deshalb wird es das Festival auch noch in 50 Jahren geben, dann wird es aber vielleicht nicht mehr Festival der Kulturen sondern einfach Stuttgarter Musikfestival heißen.
Heißt das, wir müssen nur toleranter sein, dann wird es schon werden mit der multikulturellen Gesellschaft? Sind es am Ende die Deutschen, die sich integrieren müssen?
Integration ist ein schwammiger Begriff, weil jeder etwas anderes darunter versteht. Wenn es einen Integrationsbedarf gibt – für Deutsche wie für Zugewanderte – dann in dem Sinne, dass jeder bereit sein muss, seine Auffassungen und Lebensweisen zu hinterfragen. Jeder, der hier lebt, muss es fertig bringen, mit Menschen friedlich zusammenzuleben, die eine andere Religion, eine andere Hautfarbe oder eine andere Lebensweise haben. Manche müssen das erst noch lernen. Die Basis dafür ist das Grundgesetz. Das müssen alle respektieren.
Die Bands, die diese Woche auf dem Festival spielen werden, kommen aus der ganzen Welt. Gibt es da manchmal Schwierigkeiten, das alles zu koordinieren?
Es geht überraschend gut. Wir haben aber schon alles Mögliche erlebt. Einmal musste die Hälfte einer Londoner Band mit einer späteren Maschine fliegen und stieß dann erst mitten im Konzert dazu. Oder die russische Gruppe vom letzten Jahr, die mit einem Transporter aus St. Petersburg kam, der in Berlin schlapp gemacht hat. Dort haben sie sich dann ein Auto von Bekannten geliehen, das auf halbem Weg nach Stuttgart auch liegen geblieben ist. Den Rest der Strecke ist die Gruppe mit einem Mietwagen gefahren - und beinahe rechtzeitig angekommen. Letztlich ist es noch jedes Mal gut gegangen.
Was fürchten Sie am meisten, wenn es um das Festival geht?
Eigentlich fürchten wir nur das Wetter. Dass ein Orkan über uns wegfegt und alle Pavillons einreißt, oder so etwas in der Art. Aber da bin ich zuversichtlich, dass der Juli noch rechtzeitig die Kurve bekommt und das Wetter gut sein wird.