Gratulation mit Rosen zum Amtsantritt Anfang November 2016. Foto: Patricia Sigerist

So leicht gebe sie das Rathaus nicht wieder her, nachdem sie es „gerade erst erobert“ habe. Allein auf weiter Flur wird sie in ihren Abwehrbemühungen der Attacken des Fellbacher Carneval Clubs nicht sein.

Fellbach - Sie hätte es sich auch leichter machen können. Wenn Gabriele Zull an diesem Donnerstag die Vollendung ihres 50. Geburtstags feiert, hätte dies wirklich nicht unbedingt durch einen Schabernack garniert sein müssen, bei dem man angegriffen, möglicherweise mit Konfetti beworfen, eventuell an den Händen gefesselt und des Hausschlüssels beraubt wird.

Aber die neue Stadtchefin wollte es ja genau so und nicht anders. „Klar werde ich mich meinem ersten Rathaussturm in Fellbach stellen“, sagt sie auf entsprechende Nachfrage unserer Redaktion. So leicht gebe sie das Rathaus nicht wieder her, nachdem sie es „gerade erst erobert“ habe. Allein auf weiter Flur wird sie in ihren Abwehrbemühungen der Attacken desFellbacher Carneval Clubs und weiterer Närrinnen und Narrhalesen nicht sein – Beginn ist übrigens für alle Neugierigen an an diesem „Schmotzige Donnschdich“ um High Noon, also punkt 12 Uhr.

Frauenduo verteidigt Rathaus in Fellbach

Dann gilt erneut die neue Fellbacher Frauen-Power: Denn der Erste Bürgermeister Günter Geyer hat sich bereits in den schon lange geplanten Urlaub verabschiedet. Deshalb wird Gabriele Zull, gemeinsam mit ihrer Bürgermeisterkollegin Beatrice Soltys, „meine Frau stehen – und wir werden unsere ,Verwaltungstrotzburg’ frauhaft verteidigen“. Schließlich kenne die Baubürgermeisterin das Rathaus genau, „Hinterhalte sind also nicht ausgeschlossen.“ Wenn das Frauenduo letztlich dann doch die weiße Fahne hissen sollte, „dann nur, weil es unsere männlichen Kollegen in der Vergangenheit auch so gehalten haben“. Doch vielleicht geben die Narren ja auch schon auf, wenn sie die Kostümierung von Zull und Soltys sehen, scherzt die OB. Was die Schultheißinnen anziehen wollen, werde „aber hier noch nicht verraten“. Als sie erfahren habe, dass ihr 50. Geburtstag auf den Rathaussturm fällt, habe sie jeden Gedanken, an diesem Tag abzutauchen, sofort verworfen. „Das wäre ja gar nicht gegangen, dass die OB sich dem Sturm nicht stellt.“

Ansonsten wird Gabriele Zull mit ihrer Familie und Freunden am Donnerstagabend feiern, und nach den Faschingsferien gibt es noch einen Empfang für Gemeinderat und Mitarbeiter.

Ein halbes Jahrhundert – ein Alter, das einen verblüfft, das man vielleicht gar nicht begreifen kann? 50 Jahre, sagt Gabriele Zull, seien für sie „ganz sicher nicht erschreckend“. Sie gehöre nicht zu den Frauen, die ab dem 40. x-mal den 41. feiern. „Ich finde, jedes Alter oder auch jedes Jahrzehnt hat was. Mit 30 habe ich meinen Mann kennen gelernt und im gleichen Jahr geheiratet. Mit 40 habe ich die Spur im Beruf das erste Mal gewechselt, und mit 50 bin ich OB in Fellbach. Langweilig wird es also nicht. Und demnächst wird die älteste Bürgerin in Fellbach 108 Jahre. Wenn man in Fellbach so alt werden kann, habe ich ja noch über die Hälfte vor mir.“

Dann brauche ich wieder meine Familie als Verjüngungskur

Und wie alt fühlt sie sich tatsächlich? „Also, um ehrlich zu sein, normalerweise jünger, zumal ich auch bisher immer jünger geschätzt wurde – bis ich einen Job hatte, in dem jeder in der Stadt mein Alter kennt. Aber manchmal – genauso ehrlich – fühle ich mich nach einer sehr anstrengenden Woche auch durchaus mal älter. Dann brauche ich wieder meine Familie als Verjüngungskur.“ Tatsächlich hat auch sie das Gefühl, dass Jahre und die Zeit „wahnsinnig schnell vergehen“. Das sehe man vor allem an den Kindern. „Kita, Grundschule, weiterführende Schule – das geht irgendwie schon alles schnell. Umso wichtiger, jeden Tag bewusst zu leben und sich daran zu freuen, was einem so Gutes begegnet.“

Hat sie mit 50 einen ausgeformten Charakter? „Nein, ich denke so etwas gibt es gar nicht.“ Man lerne doch immer dazu. Und natürlich gebe es Schwächen, an denen auch sie weiter arbeite. „Das wäre ja eigenartig, wenn man mit 50 auf einmal aufhören würde, dazu zu lernen. Zumindest versuche ich immer, offen zu bleiben und mich weiter zu entwickeln. Andernfalls hätte ich niemals mit 49 Jahren OB werden dürfen.“

Ansonsten freut sich Gabriele Zull im Jahr 2017 natürlich besonders auf ihren ersten Fellbacher Herbst als Oberbürgermeisterin, auf viele Vereinsfeste, auf den Kultursommer und darauf, auch die Partnerstädte kennen zu lernen. In Fellbach fühlt sie sich sehr wohl. Es gebe viele schöne Orte, aber am liebsten sei sie immer noch auf dem Kappelberg. „Das war der erste Ort, an dem ich war, und es ist für mich immer noch einer der schönsten. Inmitten der Weinreben, die zu jeder Jahreszeit so unterschiedlich und trotzdem immer interessant wirken, auf die Stadt zu schauen, das fasziniert mich noch immer genauso wie am ersten Tag.“

Für Freizeit, für sportliche Aktivitäten und manche Entdeckungstour bleibe schon ab und zu Zeit. Auch das Fellbacher Freizeitbad F3 hat die Familie schon inspiziert: „Die Rutschen sind von unserem Sohn und meinem Mann schon ausgiebig getestet worden. Ich selbst bevorzuge die Schwimmbahn.“ Nach dem anstrengenden Wahlkampf im vergangenen Sommer ist zumindest in diesem Jahr auch Urlaub geplant: also Skifahren mit Freunden, Tenniscamp in Kroatien und im Sommer mit dem Caravan nach Italien ans Meer – denn, so Gabriele Zull: „Ich liebe Camping.“