Matthias Klink kommt in die Schwabenlandhalle. Foto: Patricia Sigerist

Für das Lokalkolorit beim „Fest der schönen Stimmen“ in der Schwabenlandhalle sorgt Matthias Klink. Im Interview erzählt der Tenor von seinen Anfängen und Erfolgen – ganz ohne Starallüren.

Von wegen Heimatstadt Stuttgart – oder gar Waiblingen: Da kann Matthias Klink nur den Kopf schütteln. Der Tenor stammt eindeutig aus Fellbach, „genauer gesagt aus Schmiden“, sagt der international gefragte Künstler. Dort hat er die ersten 24 Jahre seines Lebens verbracht – inklusive Abschluss am Gustav-Stresemann-Gymnasium. Doch schon lange vor dem Abi war Klink klar, dass er Sänger werden wollte. Und er wurde ein Star ohne Allüren: Völlig unprätentiös – im Feinripp-Hemd mit Schlabber-Bermudas – empfängt er in seinem Haus in Stuttgart zum Interview. Auf der hoch gelegenen Terrasse in der Stadt erzählt der braunäugige Barde von seinem Künstlerleben.
Wann wussten Sie sicher, dass Sie Sänger werden wollten?
Ich habe immer im Schulchor mitgesungen. Doch die Initialzündung war eine Aufführung unserer Schultheatergruppe des Musicals „Jesus Christ Superstar“. Ich habe Gitarre in der Band gespielt und den Superstar-Song gesungen. Da hatte ich meine Ausdrucksform gefunden und mir war klar, dass ich nichts anderes möchte.
  Der lyrische Tenor nippt an seinem Espresso und genießt die Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht. Die grüne und pflegeaufwendige Idylle ist – nach Opernbühnen und vor dem Keller mit seiner E-Gitarrensammlung – ein bevorzugter Aufenthaltsort: „Eigenheim verpflichtet“, sagt der Künstler und lacht.
Das sieht nach einem umfangreichen Hobby aus?
In Haus und Hof gibt es genug zu tun. Verputzen, streichen, Büsche stutzen – ich liebe diese Arbeit, weil sie anders kreativ ist.
Wie sieht es sonst mit der Fitness aus?
Ich bin eigentlich sportbegeistert, der sportliche Teil ist sehr stark in mir verwurzelt. Aber in meinem Beruf sind die Zeiten unstet, was das Teilnehmen an einem Vereinsleben unmöglich macht. Aber ich mache natürlich Sport, denn ich muss fit sein für die Bühne. Nicht nur stimmlich, auch körperlich. Das eine bedingt das andere. Und ich lasse mich gerne herausfordern.
 Klink erzählt von einer Inszenierung mit hohem sportlichen Anspruch: Er musste nicht nur über Matratzen rutschen, sondern auch auf ihnen singen: „Sehr anstrengend!“
Laut Vita ist oder war der Tamino aus der Zauberflöte eine Paraderolle für Sie, mit überschwänglichen Kritiken wie „Tenorwunder“ oder „überragender Sängerdarsteller“?
Das stimmt. Die ersten zehn Jahre habe ich diese Rolle und auch den Belmonte (Entführung aus dem Serail) sehr oft gesungen. Aber das Problem ist, dass wir Sänger gern in Schubladen gehandelt werden. Außerdem wollte ich auch stimmlich, künstlerisch weiter wachsen und habe versucht, aus diesen Rollen auszubrechen. Ich muss mit Mitte 30 was anderes singen, hatte ich beschlossen. Und ich hatte viel Glück, Angebote für Premieren und Uraufführungen zu bekommen, die mich in diesem Sinne weitergebracht haben. Zum Teil habe ich mich da sehr weit rausgelehnt, aber dadurch habe ich mir ein breites Repertoire erarbeitet.
Inwieweit muss eine Stimme geschont oder gepflegt werden, muss man auch mal nein sagen können?
Man muss auf alle Fälle gesund sein. Wenn man auch nur ein bisschen angeschlagen ist, ändert sich alles. Ich bin Gott sei Dank ziemlich robust und habe im Lauf der Jahre auch gelernt, Stopp zu sagen. Die verrückteste Sache, die ich mal gemacht habe, war, an fünf Abenden hintereinander in zwei unterschiedlichen Inszenierungen den Belmonte zu singen. Es hat zwar gut geklappt, aber es ist nicht zu empfehlen.
War das ein erhebendes Gefühl, als Sie in der Metropolitan Opera in New York vor 4000 Zuschauern standen und sangen?
Die Met war für mich ein Turning Point. Jeder denkt, dass das was ganz Besonderes ist. Für mich war es jedoch eine sehr anstrengende Arbeit und kein erhebendes Erlebnis. Die dortige Form der Professionalität ist nicht meine Welt.   Plötzlich huscht ein Eichhörnchen auf die Besucher zu. Doch genauso schnell biegt es ab und ist auch schon wieder verschwunden. Klink erzählt, dass er auch schon einen Fuchs in seinem Garten gesehen hat.
Ist das Sängerdasein bereichernd oder fordert es auch Opfer?
Ich war 18 Jahre lang fast permanent auf Tour. Da gab und gibt es tolle Momente, auch mit Kollegen, die einen anspornen und beflügeln. Aber dieses Nomadenleben kostet zu viel Kraft. Da besteht die Gefahr einer Verschleißerscheinung, die im Kopf beginnt und dann auf den Körper übergreift. Ich habe gemerkt, dass ich, wenn ich gute Arbeit machen will, mehr Ruhe und Nähe zu meiner Familie brauche. Dann kann ich mir selbst treu bleiben und Dinge tun, die mich auch jenseits der Musik viel entdecken lassen. Wie zum Beispiel den Liederabend am 27. Juli in Fellbach.
Im Gegensatz zu Kollegen haben Sie keine Probleme damit, Operetten zu singen, wie zum Beispiel die CD „Die ganze Welt ist himmelblau . . .“ beweist, die Sie mit Ihrer Frau besungen haben?
Nein, ich habe da keine Berührungsängste. Im Gegenteil, ich finde es schade, dass in diesem Bereich viel zu wenig gemacht wird. Man könnte das viel feiner und kostbarer machen, aber viele haben Angst davor, Operetten handwerklich anspruchsvoll auf die Bühne zu bringen. Ich singe auch gerne ein Musical – wenn nicht zu viel getanzt werden muss (grinst).
Und was ist mit Jazz?
Als Altrocker und passionierter Hobby-Gitarrist würde ich gerne in kleinen Clubs auftreten. Aber wie das in vielen Fällen so ist: Es fehlt einfach die Zeit.  Während sich Matthias Klink fürs Foto etwas Präsentableres anzieht, können die Besucher vor der letzten Frage auf der idyllischen Steinbank dem Vogelgezwitscher und dem entfernten Verkehrslärm lauschen.
Sind Sie, was man Künstlern gern unterstellt, abergläubisch?
. . . abergläubisch? (Klink wiegt bedächtig den Kopf) Das bin ich nicht, aber ich pflege gewisse Rituale, um mich auf eine Vorstellung einzustimmen und mit der Nervosität umzugehen.