Irgendwo im grünen Getreide liegt der zu entschärfende Blindgänger. Foto: Patricia Sigerist

Mit Spannung wartet Fellbach auf die Entschärfung eines Bombenblindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg. Eine Evakuierung an der Stadtgrenze ist geplant.

Fellbach - Es könnten einem einige bemüht lockere Schlagzeilen einfallen: „Fellbach vor der Sprengung“ beispielsweise. „Bombiger Blindgänger.“ Oder: „Warten auf den Kanonenschlag.“ Denkbar wäre auch: „Hochexplosive Stimmung am Wochenende in Schmiden.“

Wie auch immer: So amüsant derartige Überschriften auf den ersten Blick erscheinen mögen – ganz ohne Risiko ist die anstehende Aktion am Sonntagvormittag nicht. Immerhin geht es um die Bergung und Entschärfung eines Bombenblindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg. Auf diesen ist der Kampfmittelbeseitigungsdienst Baden-Württemberg bei der Inspektion alter Luftbilder gestoßen. Die Fotos wurden nach einem Luftangriff im Juni 1944 geschossen, als die Amerikaner ihre Fracht in der Einflugschneise gen Stuttgart abwarfen.

Radius um den Blindgänger. Foto: Stadtmessungsamt Stuttgart
Dass es sich um eine solche Bombe handelt, die seinerzeit im Acker östlich von Steinhaldenfeld landete, aber nicht explodierte, steht nach Erkenntnissen der beteiligten Behörden „mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ fest. Peter Bigalk, als Leiter des Amts für öffentliche Ordnung von Fellbacher Seite her mit dem Thema betraut, weiß Bescheid: Die Entschärfungsexperten haben in ihrer Einschätzung „in der Regel eine Trefferquote von 80 Prozent“.

Die damalige Abwurfstelle liegt nur wenige Meter jenseits der Stadtgrenze nach Stuttgart. Genauer gesagt befindet sich das neuralgische Gebiet an einer Straße mit dem Namen Hochflur; diese geht direkt vor der Tankstelle an der Schmidener Straße rechts ab bis zu einer Feldweggabelung. Im Hintergrund stehen die Hochhäuser von Neugereut, 100 Meter westlich befindet sich bei Steinhaldenfeld der Stuttgarter Hauptfriedhof. Zu sehen ist auf dem Gelände indes fast nichts – kein rot-weißes Absperrband, lediglich ein grünes Getreidefeld.

Sieht harmlos aus, ist es eventuell aber nicht. Denn am Samstag rückt der Kampfmittelbeseitigungsdienst an, um zunächst das Gelände aufzugraben. Falls es sich tatsächlich um einen Bombenblindgänger handelt, beginnen Polizei und Technisches Hilfswerk am Sonntag um 9 Uhr die Evakuierung des engeren Umkreises. Sollte sich im Verlauf der Bergung herausstellen, dass die Bombe einen chemischen Langzeitzünder hat, würde der Sicherheitskreis auf 1000 Meter erweitert.

Die Sicherheitszone umfasst große Teile der Höhenstraße

Nicht nur auf Stuttgart, sondern auch auf Fellbach hat dies erhebliche Auswirkungen. Die Sicherheitszone umfasst große Teile der Höhenstraße. „Das Befahren und Betreten dieses Bereiches ist während der Entschärfungsarbeiten verboten“, erklärt Bigalk. Auch das Schmidener Stadion, das zur Hälfte im Sicherheitsradius liegt, bleibt gesperrt. Das Spiel der Kreisliga-A-Kicker jedoch kann auf dem weiter entfernt liegenden Kunstrasenplatz stattfinden.

Gesperrt allerdings sind drei der insgesamt sechs Tennisplätze. „Unsere Leute wissen Bescheid“, rechnet Abteilungsvorsitzender Fritz Bretschneider am Sonntag mit geringerer Nachfrage der Tennisfreunde. Ebenfalls gesperrt ist der Hochseilgarten – nicht jedoch die Stadiongaststätte.

Auswirkungen hat die Sperrung der Höhenstraße auch auf den Verkehr: Von Fellbach gen Schmiden oder Oeffingen beziehungsweise anders herum geht es am Sonntag nur weiträumig: Die Ortsdurchfahrt Schmiden ist wegen der dortigen Sanierung gesperrt, bleibt als Ausweichstrecke eigentlich nur die Waiblinger Westumfahrung.

Auch Spargelbauer Bauerle ist von der Bombenentschärfung betroffen

Auch der Spargelbauer Klaus Bauerle ist von der Bombenentschärfung betroffen. Seine Früchtlescheune an der Gotthilf-Bayh-Straße muss er schließen, Bauerles Besenwirtschaft liegt außerhalb der gefährlichen Zone und bleibt offen. „Unsere Spargelernte geht am Sonntag bis 9 Uhr, dann hören wir auf.“ Solange eben, bis die Lage geklärt ist. „Wann das sein wird, weiß keiner“, sagt Bauerle. Und ergänzt mit Galgenhumor: „Ich hoffe, dass der Spargel nicht in die Luft und uns um die Ohren fliegt.“

Peter Bigalk hat zwar die Hoffnung noch nicht aufgegeben, „dass es vielleicht doch ein Ölfass ist“. Doch die Wahrscheinlichkeit stuft er als eher gering ein. „In Steinhaldenfeld wird ab 9 Uhr evakuiert, gegen 11 Uhr beginnen wir dann mit dem Bereich östlich der Höhenstraße.“ Weil Polizei und Ordnungsamtskräfte das alles schon zahlenmäßig nicht bewältigen könnten, freut sich Bigalk über die Unterstützung der Feuerwehr Schmiden. Diese werde sich an den Zugangspunkten postieren und sehen, dass niemand in den Sperrbezirk kommt – vor allem keine Spaziergänger oder Radler von weiter her, die von der Bombenstimmung in Schmiden womöglich gar nichts mitgekommen haben. Festhalten dürfen die Feuerwehrkräfte zwar niemanden, aber „bei Unbelehrbaren müssten wir dann eben die Polizeibeamten hinzuziehen“.

Klaus Bauerle hofft, dass die ganze Aktion nach drei Stunden vorbei ist, „wenn’s normal läuft“. Peter Bigalk spannt den Bogen etwas weiter: „Wenn wir Glück haben, ist alles nach einer Stunde rum, wenn wir Pech haben, dauert es sechs Stunden.“

Und bei ganz viel Pech? Das will sich lieber keiner der Beteiligten ausmalen. „Denn dann“, so ein Kenner der explosiven Materie, „tut’s einen anständigen Rumms!“