Bei einer Feuershow und viel Kultur gehen die Fellbacher einkaufen. Foto: Hans-Dieter Wolz

Die Lange Nacht – Kultur und Einkaufen brachte in Fellbach viele Menschen auf die Beine. Musikalische Höhepunkte lieferte das Gastland des Festivals Europäischer Kultursommer: Finnland.

Fellbach - Durch die Stadt schwingen Melodien. Harmonische Gitarrenklänge laden an fast jeder Kreuzung entlang der Cannstatter Straße zum Verweilen ein. Harte Rhythmen aus Basstrommeln überlagern sich nicht selten mit der Musik vom nächsten Treffpunkt. Fellbach zeigte sich am Samstag der Langen Nacht, 26. Juli, als Kulturmeile. Bei der Langen Nacht – Einkaufen und Kultur waren die gesperrten Straße rund ums Rathaus bis Mitternacht belebt wie sonst nur selten.

Manche Gäste flanieren, viele aber halten sich dauerhaft an einigen Treffpunkten auf. 30 Gaststätten und Geschäfte sind geöffnet, was dankbar angenommen wird, ebenso gibt es in Museen und Kirchen Angebote zum Hören, zum Staunen. Betrieb ist an vielen Orten. Zwei Paare tanzen am frühen Abend schon vor dem Polizeirevier zur Musik des „Semi-Acoustic-Project“.

Viele Besucher stehen für ihr Foto mit Lichtmalerei an

Lange anstehen müssen die meist sehr jungen Leute, die ihr individuelles Foto mit Lichtmalereien, genannt Live Light Painting, mitnehmen wollen. Die persönlich wechselnden farbigen Kreationen als Porträts sind ein Renner auf dem Platz vor der zurückhaltend mit finnischer Musik beschallten Außenbewirtschaftung des Weltladens. Es gibt, wie an vielen Stellen in der Innenstadt, Spezialitäten aus Finnland. Von den beiden Gastländern des derzeit in Fellbach laufenden Festivals Europäischer Kultursommer ist dagegen Estland kaum präsent.

Kulturelle Höhepunkt aus dem Gastland Finnland

Zwei Stunden lang schlägt die finnische Jazz-Sängerin Tuija Komi mit ihrer exzellenten Band auf dem Rathaus-Innenhof in ihren Bann: Klagende Balladen, vergnügt swingende Muntermacher bis zu einem augenzwinkernden und gestenreichen Tanz der Rentiere bringt die Finnin mit starker Stimme auf die Bühne. Der Zuhörer am Rand hätte sich aber gewünscht, dass der Lautsprecherpegel der Swing- und Tango-Klassiker mit den Arrangements und variantenreichen Soli des Pianisten Walter Lang lauter gestellt gewesen wäre. Dennoch: die Zuhörer fordern nach einer Hymne an Tuija Komis Heimatland auch spät in der Nacht noch eine Zugabe.

Dass Finnen gerne mit Klischees spielen, die es von ihrem Land gibt, zeigt sich auch bei der Band Vaaralliset huulet in der Stadtbücherei. Sie nimmt das vom Veranstalter-Duo Kulturamt und Stadtmarketing ausgerufene „Nordlichter“-Motto nicht als bloßes Licht-Dekor. Sie geht mit ihren Landsleuten ins Gericht: „Die Sonne geht nicht unter, und die Menschen trinken bis zur Besinnungslosigkeit“, beschreibt die deutsch-finnische Sängerin Claudia Jochen das Mittsommerfest. Das war mutig angesichts der dort versammelten Bürger mit den gleichen Wurzeln. Makaber beschreibt sie die vielen Todesfälle durch Ertrinken im Umfeld jener Festivitäten detailliert als „Volkssport“ in drei Disziplinen mit vielen „Gewinnern“. Sie begründet die Liebe der Finnen zum Tango mit den Worten: „Wir sind glücklich, wenn wir traurig sind.“

Wortgewaltige Jugendliche stellt ihre Dichtkunst vor

Auch die jungen Leute beim Poetry Slam des Jugendhauses vor Bücher Lack in der Cannstatter Straße sprechen unverblümt aus, was sie denken und empfinden. Gereimt oder auch nicht, lustig, traurig bis hysterisch rufen sie die Worte hinaus. Das ist ein offener und öffentlicher Wettbewerb der kleinen jugendlichen Kunst: Das Publikum entscheidet über Platz und Sieg durch die Lautstärke des Applauses. Von Liebesgeschichten über erfolglose Zeitreisen, über die Persiflage auf Fußball-WM und Fernsehberichterstattung zur peinlichen persönlichen, nicht jugendfreien, aber ironisch vorgestellten Erotik. Zensur gibt es dabei nicht, trotz anwesender Kinder: „Da werden manche Eltern heute Abend einige Fragen zu beantworten haben“, lautet der Veranstalterkommentar nur.

Die skurril geschmückten Drahtesel der Bike Night

Als die Nacht schon hereingebrochen ist, schwingt sich ein kleines Grüppchen von passionierten Radfahrern auf Drahtesel mit leuchtendem Schmuck oder gar einer Fackel. Bürgermeisterin Beatrice Soltys tritt heftig in die Pedale und bringt ein windschnittiges, mit grün leuchtender Girlande ausgestattetes Velo-Taxi rund um die Wohncity auf Touren. Diese „Bike Night“ ist der Abschluss der Stadtradeln-Aktionsphase. Der Abend geht zögerlich zu Ende, nicht nur in Gaststätten. Um kurz vor Mitternacht, als viel geschlossen ist, stehen bei „Live Light Painting“ noch immer 15 bis 20 Kinder und Erwachsene für ein Foto an.