Tübingen hat Beatrice Soltys nicht nur von der idyllischen Seite kennen gelernt. Foto: privat

Für den Wahlsieg als Oberbürgermeisterin in Tübingen hat es nicht gereicht. Jetzt will Fellbachs Baubürgermeisterin Beatrice Soltys ihre Eindrücke sortieren und den Akku aufladen. Sie hat Tübingen nicht nur von der idyllischen Seite kennen gelernt.

Fellbach -

Frau Soltys, in Fellbach waren viele überrascht, dass Sie in Tübingen für das Amt des Stadtoberhaupts kandidieren, weil sie bisher keine politischen Ambitionen zeigten.
Ich hatte eigentlich nicht vor, in naher Zukunft als Oberbürgermeisterin zu kandidieren. Ich fühle mich in Fellbach sehr wohl. Ich habe mir in Schmiden ein Haus gekauft und mir ein soziales Umfeld aufgebaut.
Was war dann der Grund Ihrer Kandidatur?
Bei einem Gespräch meinten Freunde aus Tübingen, dass ich in ihrer Stadt als Oberbürgermeisterin antreten soll. Diese Freunde haben gute Kontakte zu einflussreichen Personen in Tübingen. Es wurde ein Kontakt zu mir hergestellt – bis dahin lief alles ohne mein aktives Zutun. Als ich im Frühjahr dann offiziell auf eine Kandidatur angesprochen wurde, begann es bei mir in Kopf und Bauch zu arbeiten. Nach sorgfältiger Abwägung von Chancen und Möglichkeiten entschied ich mich, zu kandidieren.
Glauben Sie, dass Sie mit Ihrer Kandidatur einigen Fellbachern vor den Kopf gestoßen haben?
Es waren sicher einige Fellbacher sehr überrascht. Das kann ich gut verstehen. Ich habe meine Entscheidung dann sehr sorgfältig begründet, habe mit den Fraktionsvorsitzenden des Gemeinderats gesprochen. Sie haben mir die Daumen gedrückt und gleichzeitig gesagt, dass sie mich nach der Wahl auch gerne wieder in Fellbach begrüßen möchten. Das hat mich sehr gefreut.
Jetzt heißt der OB wieder Boris Palmer. War Tübingen vielleicht doch eine Nummer zu groß für Sie?
Nein. Ich traue mir so eine Aufgabe zu.
Wie interpretieren Sie Ihr Wahlergebnis von 33,2 Prozent?
Im ersten Moment war ich sehr enttäuscht. Alle, inklusive Boris Palmer, hatten mit einem zweiten Wahlgang gerechnet. Auch jetzt noch kann ich mir die 33,2 Prozent nicht erklären. Vielleicht hat der Aufruf von Boris Palmer, nicht im zweiten Wahlgang anzutreten, seine Wähler mobilisiert, damit nicht das Gleiche passiert wie 2006 mit Brigitte Russ-Scherer. Jetzt mit etwas Abstand beurteile ich das Ergebnis aber anders. Ich hatte mit Boris Palmer einen sehr starken Gegner, und Tübingen ist eine grün-rote Hochburg. Ich habe aus dem Stand heraus mehr Stimmen bekommen, als Brigitte Russ-Scherer als amtierende Oberbürgermeisterin.
Was haben Sie für Erfahrungen in Tübingen gemacht?
Ich habe dort in sehr kurzer Zeit zu vielen Menschen eine unglaublich intensive Beziehung aufgebaut. Ich würde in einigen Fällen sogar von Freundschaft sprechen. Sehr nahe gingen mir allerdings verschiedene verbale Attacken gegen mich, die über soziale Medien wie Facebook oder in Form von Leserbriefen in Zeitungen verbreitet wurden. Ich musste mir eine Elefantenhaut zulegen. Zudem habe ich viele Seiten von Boris Palmer kennengelernt – auch solche, die mir weniger gefallen haben.
Was haben Sie aus dem Wahlkampf gelernt? Hätten Sie im Nachhinein etwas anders gemacht?
Es ist nach so wenigen Tagen noch zu früh, ein Resümee zu ziehen. Ich muss jetzt meine Eindrücke sortieren, den Akku aufladen und das Ganze setzen lassen. Es waren unglaublich intensive Wochen. Ich merke aber jetzt schon, dass es mir noch leichter fällt, vor Publikum zu sprechen und rhetorische Angriffe zu parieren. Leider habe ich in der Zeit in Tübingen auch sehr unerfreuliche Reaktionen von Leuten gespürt, die mich als demokratische Gegenkandidatin von Boris Palmer nicht akzeptieren wollten.
Warum haben Sie in Tübingen kandidiert, fehlt Ihnen in Fellbach der Gestaltungsspielraum?
Dass ich in Tübingen kandidiert habe, hat definitiv nichts mit Fellbach zu tun. Ganz im Gegenteil. Ich habe lange mit mir gekämpft, ob ich diese Chance ergreifen soll oder nicht. Mit dem Beschluss des Stadtentwicklungskonzepts 2025 stehen große und spannende Aufgaben an, unter anderem bei den Themen Verkehr, Wohnen und demografische Entwicklung.
Haben Sie weiterhin Ambitionen außerhalb von Fellbach?
Tübingen war eine Herausforderung – sowohl als Stadt als auch von den politischen Konstellationen. Jetzt bin ich froh, dass ich in Fellbach mit offenen Armen empfangen wurde. Ich habe keinerlei Pläne, mich in einer anderen Stadt als Bürgermeisterin zu bewerben.
Was sind Ihre nächsten Ziele in Fellbach?
Ich werde mich jetzt um Dinge kümmern, für die in den vergangenen Wochen keine Zeit blieb, mich mit Freude wieder meinem Baudezernat, den Menschen, Aufgaben und Ziele widmen. Darauf freue ich mich.