Uwe Schickedanz vom Deutschen Wetterdienst in Stuttgart Foto: privat

Alle reden vom Feinstaub in Stuttgart. Doch wie sieht die Lage im Remstal aus? Uwe Schickedanz vom Deutschen Wetterdienst gibt seine Einschätzung, unsere interaktive Karte zeigt die Spot-Mess-Stationen in der Region.

Stuttgart - Im Rems-Murr-Kreis gibt es derzeit nur eine offizielle Messstelle, an der Feinstaubwerte erfasst werden: in Backnang in der Eugen-Adolff-Straße. Uwe Schickedanz, der Leiter des Deutschen Wetterdiensts in Stuttgart, gibt seine Einschätzung der Lage im Remstal ab.

Herr Schickedanz, manche Menschen befürchten, das Remstal diene als „Kamin“ Stuttgarts, durch den sämtliche Schadstoffe abfließen. Was sagen Sie dazu?
Den Vergleich mit einem Kamin finde ich nicht ganz glücklich. Ins Rems- und Neckartal fließt die Luft aus Stuttgart auch nur bei Südwest-Wind ab.
Aber es gelangen doch Schadstoffe hierher?
Es ist zwar so, dass bei kräftigen Südwest-Winden die Schadstoffe gut aus Stuttgart abtransportiert und dann ins Neckar- und Remstal hochgeblasen werden. Allerdings haben wir in diesem Fall insgesamt schon niedrigere Schadstoffwerte im Talkessel, weil sich der Feinstaub durch die Winde auch dort mehr verteilt. Und auf die belastete Luft, die dann von Stuttgart in Richtung Osten abfließt, folgt so viel Frischluft, dass die Situation weder für Stuttgart noch für das Remstal oder Neckartal kritisch ist.
Und wann wird es kritisch?
Für Stuttgart im Winter, wenn es nicht regnet und schwache Winde aus nordöstlicher Richtung wehen. Dann fließt die Luft aus dem Remstal und dem Neckartal langsam in den Stuttgarter Talkessel und wird dort noch kräftig mit Schadstoffen angereichert. Wegen der Randhöhen im Stuttgarter Westen kann die belastete Luft dann nicht abfließen. Das heißt, diese dreckige Soße staut sich im Talkessel.
Wie schätzen Sie die Feinstaubbelastung im Remstal ein?
Insgesamt ist das Remstal nicht so stark betroffen wie Stuttgart, es gibt da einen Verdünnungseffekt. Natürlich wird die Feinstaubbelastung an stark befahrenen Straßen höher sein, als anderswo. Auch im Stuttgarter Talkessel liegt das größte Problem an den Hauptverkehrsstraßen. Die Konzentration nimmt aber relativ schnell ab, wenn man von dort weggeht. Vergleicht man etwa die Feinstaub-Konzentration an der Messstelle Neckartor mit jener in Bad Cannstatt, so liegen die Werte in Cannstatt etwa um die Hälfte niedriger. Die dort gemessenen Werte sind eher repräsentativ für die Feinstaubbelastung im städtischen Gebiet als die am Neckartor.
Wie wirkt sich eine Inversionswetterlage, bei der die untere, kältere Luftschicht von wärmeren Schichten überlagert wird, im Remstal aus?
Auch im Remstal kann dann die belastete kältere Luft nirgendwo hin. In solchen Fällen herrscht dort ebenfalls eine erhöhte Konzentration an Schadstoffen. Im Stuttgarter Talkessel kommen aber der im Vergleich zum Remstal höhere Schadstoffausstoß sowie die Kessellage noch dazu, daher wirken sich dort Inversionen deutlich schlimmer auf die Luftqualität aus, als im Remstal.
Kennen Sie einen Ort, an dem es keinerlei Feinstaub-Probleme gibt?
Ja, die Färöer-Inseln, denn dort ist Windstärke 8, also ein stürmischer Wind, mit dem ständig frische Atlantikluft heran geweht wird, ganz normal. (Das Gespräch führte Annette Clauß.)