In Stuttgart herrscht bereits wieder Feinstaubalarm. Foto: dpa

Die in Stuttgart regelmäßig ausgerufenen Feinstaubalarme bringen nichts, sagen Umweltschützer. Sie fordern Fahrverbote. Unterdessen endet der aktuelle Alarm am Dienstag.

Stuttgart - Angesichts des inzwischen längsten Feinstaubalarms in Stuttgart hat die Umweltorganisation BUND Fahrverbote wegen der anhaltenden Schadstoffbelastung gefordert. Die seit Jahresbeginn ausgerufenen Alarme zeigten keine Wirkung, kritisierte die Landesgeschäftsführerin des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Sylvia Pilarsky-Grosch. „Es gibt keine Verbesserung, es gibt keine Hoffnung“, sagte sie am Montag. Deshalb solle es Fahrverbote geben.

In der Landeshauptstadt dauerte der mittlerweile vierte Feinstaubalarm bereits seit mehr als einer Woche an. Autofahrer sind aufgerufen, freiwillig auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen oder Fahrgemeinschaften zu bilden. Allerdings folgen den Aufrufen bisher nur wenige. Wie die Stadt Stuttgart am Montag bekannt gab, endet der aktuelle Alarm am Dienstag, 22. März, um 24 Uhr. Die Wetterlage habe sich kurzfristig geändert. Der Hochdruckeinfluss ende am Dienstag und für Mittwoch kündige sich Regen an. Dies führe zu einer deutlichen Besserung des Austauschvermögens, so der Stadtklimatologe, Dr. Ulrich Reuter.

Der BUND empfiehlt daher unter anderem, dass bei hoher Feinstaubbelastung tageweise nur Autos mit geraden oder ungeraden Kennzeichen fahren dürfen. Auch die sogenannte blaue Plakette sei denkbar. Durch diese Kennzeichnung dürften nur noch Autos in die Stadt, die besonders wenige Emissionen ausstoßen.

Die Leute würden ihr Fahrverhalten bisher nicht ändern, da viele die Problematik nicht verstünden - „gerade bei so schönem Wetter“, meinte Pilarsky-Grosch. Es sei zwar „nett“, wenn überall Warnschilder vor Feinstaub aufgestellt würden. Dies sei aber nicht genug, um die Menschen zu erreichen.

Die Stuttgarter Handwerker haben sich unterdessen gegen Fahrverbote bei Feinstaubalarm ausgesprochen. Falls es aber doch dazu komme, seien Ausnahmegenehmigungen nötig, forderte am Montag Kreishandwerksmeister Alexander Kotz in Stuttgart. „Fahrverbote würden zu täglichen Schäden führen, die in die 100 000 Euro gehen“, sagte Kotz, der auch CDU-Fraktionschef im Stuttgarter Gemeinderat ist. Die rund 5700 Stuttgarter Handwerksbetriebe hätten etwa 25 000 Fahrzeuge. Ohne Autofahrten seien viele Arbeiten unmöglich. Nach Darstellung von Kotz gibt es bislang fast keine Elektrofahrzeuge im Handwerk - wegen zu hoher Kosten und einem Mangel an Transportern. Die meisten Fahrzeuge werden zudem mit Diesel betrieben.

Um den Feinstaub zu reduzieren, wollten die Betriebe langfristig auf Elektromotoren umsteigen, sagte Kotz. Er empfahl Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) auch, einen Runden Tisch zum Feinstaub einzurichten. „Der OB muss sich fragen, ob der Feinstaubalarm das richtige Instrument war“, meinte Kotz. Er befürchte, dass die Wirkung von Alarm zu Alarm abnehme.

Spätestens ab Mai Winterpause

Fehlende Anreize, vom Auto auf andere Verkehrsmittel umzusteigen, haben nach Ansicht des Auto Clubs Europa (ACE) zu der schwachen Bilanz des Stuttgarter Feinstaubalarms geführt. Von Beginn an hätte es bessere Angebote geben müssen, um Pendlern Bahn, Bus oder Rad schmackhaft zu machen, kritisierte der ACE. „Hier hätten pünktlich zum ersten Feinstaubalarm finanzielle Anreize von der Politik geschaffen werden müssen“, sagte ein Sprecher am Montag. Ein Problem sei auch, dass der Nahverkehr unzuverlässig sei sowie Busse und Bahnen nicht immer aufeinander abgestimmt würden.
Fahrverbote lehnt der ACE ab. Die Politik solle dafür sorgen, dass Busse und Bahnen häufiger fahren und die Tickets günstiger werden. Auch das Radwegnetz solle ausgebaut werden, forderte der Sprecher. Unternehmen sollten zudem ihren Mitarbeitern günstigere Monatstickets anbieten und Duschen und Spinde anbieten, um etwa Radfahren attraktiver zu machen.
 
Der Stuttgarter Feinstaubalarm macht nach seiner ersten Wintersaison spätestens ab Mai eine Pause. Im Sommer müssen Stuttgarter, Pendler und Besucher der Stadt nicht mit Aufrufen zum Autoverzicht rechnen. Das meteorologische Frühwarnsystem funktioniert im Sommer nicht. In der warmen Jahreszeit sind aber auch grundsätzlich weniger Grenzwertüberschreitungen beim Feinstaub zu erwarten. Rund 95 Prozent der Überschreitungstage liegen nach Erfahrung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) im Winterhalbjahr.
 
„Im Mai, Juni, Juli und August können wir wesentliche Inversionen voll ausschließen“, erklärt der Leiter des DWD in Stuttgart, Uwe Schickedanz. Der Alarm wird bei sogenannten Inversionswetterlagen ausgelöst, bei denen kalte Luft samt Feinstaub am Boden verharrt. Spätestens ab Mai steht die Sonne so hoch, dass die Luft tagsüber erhitzt wird, aufsteigt und Schadstoffe abtransportiert, wie Schickedanz erklärt.