Die Feinstaub-Messstelle am Neckartor erfasst die Luftschasstoffe Foto: dpa

Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) wollen am Mittwoch beim Mobilitätsgipfel für Stuttgart Wege aus Stau und Feinstaub aufzeigen. Wirtschafts- und Umweltverbände sollen sie mitgehen. Doch daraus wird wahrscheinlich nichts.

Stuttgart - Kurz vor der Sommerpause will Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) beim Mobilitätsgipfel für die Region Stuttgart am Mittwoch gute Nachrichten verbreiten. Das Land wird sein Füllhorn über seinen Staatsdienern öffnen und für deren Jobticket für Bus und Bahn vom 1. Januar 2016 an tief in die Staatskasse greifen. An die 20 Millionen Euro könnte die Umstiegshilfe vom Auto auf den Nahverkehr kosten, und zwar jährlich. In der grün-roten Koalition war der Bonus lange umstritten. Er soll vor allem in Stuttgart und der Region helfen, die Zahl der automobilen Pendler zu senken.

Der Gipfel unter der Leitung des grünen Landesvaters soll kurz vor der Sommerpause zur Harmonieveranstaltung werden. Doch der Konsensdemokrat Kretschmann muss mit heftigen Misstönen rechnen. Die widerstreitenden Protagonisten ringen nicht nur um einzelne Worte in dem 17 Seiten umfassenden Papier zum Mobilitätsgipfel. Auch die überfallartige Vereinnahmung durch Kretschmanns Staatsministerium widerstrebt ihnen.

Erst am 9. Juli hatte der Apparat der Regierungszentrale den ADAC, Verbände wie die Industrie- und Handelskammer oder Arbeitgeberorganisationen und auf der anderen Seite Naturschutzbund (Nabu), Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und Fahrradclub (ADFC) die Stoffsammlung zum Gipfel zugeschickt. Auch die Landräte erhielten Post. Das Staatsministerium gab eine Frist von vier Tagen zur Stellungnahme.

Das überraschte und verärgerte alle, denn nach Kretschmanns Mobilitätsgipfel tagt am 27. Juli der „Stickoxidgipfel“ mit Verkehrsminister Winfried Hermann, OB Fritz Kuhn (beide Grüne) und Regierungspräsident Johannes Schmalzl. Dann soll konkret über zunächst freiwillige, ab 2017 aber bindende Fahrverbote gesprochen werden. In Kretschmanns Papier steht dazu, Land und Landeshauptstadt „werden ein Informationssystem Feinstaub/Stickoxid aufbauen, das bei drohenden Grenzwertüberschreitungen zum Umsteigen auf den Umweltverbund auffordert und gegebenenfalls in einer zweien Phase entsprechende Anreize setzt“.

Schwammiger kann man Fahrverbote kaum umschreiben. Der Stuttgarter BUND-Geschäftsführer Gerhard Pfeifer befürchtet denn auch, dass die Regierung am Ende einknickt. Ein Beispiel im Stuttgarter Osten, wo trotz Mehrheitsbeschluss keine Bäume auf Parkplatzstandorten gepflanzt würden, zeige die Kraftlosigkeit der Verwaltung. Die geplanten verkehrsbeschränkenden Maßnahmen zur Luftreinhaltung würden wohl „beim geringsten Aufschrei von Betroffenen wieder in die Tonne getreten werden“, sagt Pfeifer. Er wünscht der Verwaltung daher „endlich mehr Arsch in der Hose, um den Bürgern den gesetzlich vorgeschriebenen Gesundheitsschutz zu gewähren.“

Lärm- und Klimaschutzziele „sollen eingehalten werden“ hieß es im Papier. Jetzt steht dort „müssen eingehalten werden“. Der BUND werde bei dem Papier wohl „dennoch nicht mitmachen“, sagt Pfeifer.

Ähnlich kritisch bewertet Andreas Richter, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart, das Vorgehen der Regierung. „Wenn in dem Papier weiter Dinge drinstehen, die uns nicht passen, werden wir eine eigene Pressemitteilung zum Thema Mobilität herausgeben“, warnt Richter. Viele konzeptionelle Ansätze schienen festgezurrt, dabei habe die Landesregierung Gesprächsbereitschaft signalisiert und sich die IHK zum Beispiel beim Thema City-Logistik eingebracht.

Richter befürchtet bei Fahrverboten extreme Nachteile für den Wirtschaftsverkehr. „Wir brauchen diesen Verkehr dringend“, appelliert Richter, der damit bei einem Außenstehenden Gehör findet. Wer die Feinstaub-Belastung senken wolle, müsse über die Steuerung des Wirtschaftsverkehrs nachdenken. Ver- und Entsorgung einer Großstadt werde über Fahrzeuge geleistet, die fast alle einen Dieselmotor haben, sagt der Autoexperte Professor Willi Diez.