Alles ordnungsgemäß – Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Der Bezirksbeirat fordert, dass auch auf der Olgastraße künftig Tempo 40 gilt. Ob das Limit tatsächlich der Luftreinhaltung dient, ist umstritten.

S-Mitte - Der scheinbar ewige Streit ums Autofahren in der Autostadt Stuttgart flammt im Bezirksbeirat Mitte nur selten auf. Schlicht, weil die Meinung der übergroßen Mehrheit die ist, die zuletzt der Sozialdemokrat Matthias Vincon aussprach: „Meinetwegen könnte in der ganzen Innenstadt Tempo 40 eingeführt werden, gern.“ Alle anderen Argumente wie Lärm oder Luftqualität könnten beiseite gelassen werden, meint Vincon, allein die höhere Verkehrssicherheit bei niedrigem Tempo reiche aus. Der Genosse bewegt sich zwischen Wohnort und Arbeitsplatz konsequent mit dem Rad, genauso wie die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle und etliche andere der Lokalpolitiker.

Tatsächlich ging es keineswegs um Tempo 40 in der gesamten Innenstadt, sondern nur auf einem Teil der Olgastraße. Wenig überraschend waren es die Grünen, die beantragten, die Geschwindigkeit vom Olgaeck bis zur Markungsgrenze zwischen Süden und Stadtmitte zu drosseln. Was insofern folgerichtig erscheint, weil ihre Bezirksbeirats-Kollegen im Süden für ihren Teil der Straße den Beschluss bereits durchgesetzt haben, wenn auch unter Protest der konservativen Lokalpolitiker. Ohnehin sei das Limit längst überfällig, meint Sebastian Erdle für die Stadtisten, denn: „Die Autos rasen da hoch wie auf einer Rennstrecke.“ Letztlich stimmten die drei CDU-Beiräte gegen den Antrag, die große Mehrheit erwartungsgemäß dafür.

Der Protest blieb eine einzelne Stimme

Der Protest blieb eine einzelne Stimme, die des Christdemokraten Markus Römer. Der untere Teil der Olgastraße sei „topfeben“, sagte er, entgegen der Ankündigung des Oberbürgermeisters Fritz Kuhn werde versucht, Tempo 40 nicht nur an Steigungsstrecken zu verfügen, sondern „durch die kalte Küche“ auch auf flacher Strecke.

Als Hauptargument hatten die Grünen angeführt, dass eine niedrigere Geschwindigkeit „zu einer deutlichen Reduzierung der Luftschadstoffwerte führt“. Dies habe beispielhaft der Versuch an der Hohenheimer Straße bewiesen. An deren oberen Ende steht eine Messstation. Allerdings „gibt es Zweifel, ob Tempo 40 einen entscheidenden Einfluss hat oder andere Maßnahmen, damit der Verkehr besser fließt“, sagte Römer.

Mit dem Tempolimit ist eine grüne Welle geschaltet worden

Tatsächlich sind zeitgleich mit dem Erlass des Tempolimits die Ampeln auf grüne Welle geschaltet worden. Außerdem hat die Stadt das Parken auf der rechten Fahrspur bis 21 Uhr verboten. Seither fließt der Feierabendverkehr ungebremst bergan. Zuvor war das Parken von 19 Uhr an erlaubt. Die CDU im Gemeinderat hatte bereits in einem Antrag Auskunft über die Messwerte gefordert, außerdem darüber, ob Rückgänge mit der geringeren Geschwindigkeit oder anderen Veränderungen zu begründen seien.

Die Antwort scheint absehbar. Bis zum Herbst des Jahres 2014 hatten alle Maßnahmen an der Hohenheimer Straße zusammen ausschließlich den Messwert bei den Stickoxiden verringert. Insbesondere die stets heftig diskutierten Werte für den Feinstaub waren hingegen unverändert geblieben. Welchen Einfluss auf die Messwerte Tempo 40 allein gehabt hätte, mochte nicht einmal Ulrich Reuter abschätzen. Wichtiger als die Geschwindigkeit „ist, den Verkehr zu verflüssigen“, sagte er. Reuter ist der Chefklimatologe der Stadt.

Kommentar: Hochschalten

Wer mit der Verkehrssicherheit argumentiert, argumentiert zumindest logisch, auch wenn die Stuttgarter Polizei in ihrer Unfallstatistik 2014 vermerkte: „Die Unfallursache Geschwindigkeit ist von nachrangiger Bedeutung“. Am Sinn und Segen von Tempo 40 für die Luftqualität zweifeln hingegen viele. Dies zurecht, denn ob ein Auto 40 oder 50 Stundenkilometer fährt, spielt für den Verbrauch keine Rolle.

Entscheidend für ihn und damit eins zu eins den Schadstoffausstoß ist die Motordrehzahl. Was heißt: Umweltfreundlich fährt, wer im obersten Gang fährt. Gemäß dem eidgenössischen Ökoinstitut Energie Schweiz verbraucht ein moderner 1,4-Liter-Motor bei Stadtgeschwindigkeiten im dritten Gang fast doppelt so viel wie im sechsten. Vom fünften Gang zum sechsten bemisst das staatliche Institut den Unterschied noch immer mit zehn, vom fünften auf den vierten mit 13 Prozent.

Sind Autofahrer wegen eines Tempolimits zum Zurückschalten gezwungen, wird die Luft also nicht besser, sondern schlechter. Ob der Bundesverkehrsminister als Kronzeuge taugt, mag Geschmackssache sein. Fest steht allerdings, dass sein Ministerium Spritsparern als Schaltpunkte empfiehlt: „4. Gang bei 40 km/h, 5. Gang bei 50 km/h, 6. Gang ab 50 km/h möglich.“