Zum wiederholten Mal heißt es derzeit in Stuttgart: Feinstaub-Alarm. Foto: dpa

Der CDU-Wirtschaftspolitiker Bareiß wirft Stuttgart und dem Land vor, wegen des Feinstaubs Zwangsmaßnahmen zu planen. Nach Appellen, das Auto stehen zu lassen, werde die „harte Keule“ Fahrverbot kommen.

Stuttgart - Thomas Bareiß, energiepolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, wirft der Stadt Stuttgart und dem Land in der Feinstaubdebatte eine durchschaubare Taktik vor. Nach Appellen, das Auto stehen zu lassen, werde die „harte Keule“ Fahrverbot kommen. Bareiß warnt vor einem Schaden für die Autoindustrie.

Herr Bareiß, Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn will in diesem Jahr noch mit freiwilligen Appellen versuchen, die Feinstaub- und Stickoxidbelastung zu senken. Wenn die Werte in diesem Jahr dann immer noch zu hoch sind, sollen Fahrverbote kommen. Ist das für einen grünen Oberbürgermeister nicht ein moderater Ansatz?
Oberbürgermeister Kuhn und Minister Hermann verfolgen aus meiner Sicht eine durchschaubare Strategie. Man zeigt zuerst den vermeintlich guten Willen und setzt auf Freiwilligkeit und dann kommt die harte Keule: das Fahrverbot. Das halte ich für fatal. Schon die Diskussion über Fahrverbote führt dazu, dass der Automobilstandort Baden-Württemberg Schaden nimmt. Es gibt intelligentere Möglichkeiten, das Feinstaubproblem anzupacken.
Fakt ist, dass der Feinstaub zu Gesundheitsbelastungen führt und die europäischen Grenzwerte in Stuttgart nicht eingehalten werden. Andere europäische Städte haben Fahrverbote für Dieselfahrzeuge ausgesprochen. Wie sind niedrigere Schadstoffbelastungen zu erreichen?
Wir brauchen jetzt mal eine ehrliche Debatte. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Abgasemissionen des Pkw-Verkehrs gerade einmal sechs Prozent der Feinstaubbelastung ausmachen. Es ist irreführend, sich vor allem auf den Pkw-Verkehr zu konzentrieren. Ein generelles Fahrverbot würde in der Sache nicht viel bringen. Feinstaubbelastung stammt von Heizungen, von Kohlekraftwerken, Schifffahrt und über 50 Prozent des Feinstaubs in Städten kommt von außerhalb der Stadtgrenzen. Selbst wenn die gesamte Fahrzeugflotte auf Elektroautos umgestellt würde, wäre in puncto Feinstaub noch nicht viel gewonnen. Denn circa 85 Prozent des Feinstaubs beim Pkw stammt aus Reifenabrieb, Wiederaufwirbelung und Bremsen, das hat auch ein Elektroauto. Viel hängt auch von der Wetterlage ab. Wenn es regnet, wird der Feinstaub gebunden. Ich mache mal einen ganz unkonventionellen Vorschlag: Wenn man an jeder stark befahrenen Kreuzung eine Sprinkleranlage anbringen würde, wäre mehr erreicht als mit einem Fahrverbot für Dieselfahrzeuge.
Was schlagen Sie vor, um die Belastungen zu senken?
Wir benötigen intelligente Lösungen. Ich denke an Verkehrsleitsysteme und grüne Wellen. An stark belasteten Ausfallstraßen hat sich gezeigt, dass durch intelligente Verkehrssteuerung viel Feinstaub vermieden wird und die Stickoxidbelastung sinkt. Notwendig ist auch die Umstellung der städtischen Personenbeförderung. Der neue Euro-6-Standard für konventionelle Fahrzeuge wäre das Mindeste. Busse sollten aber auch auf emissionsarme Antriebstechniken umgestellt werden. Hier bieten sich viele Möglichkeiten. Die Stadt Stuttgart hätte die Möglichkeit, ein Modell- und Innovationszentrum zu werden, welche Technologien und Ideen zur weiteren Reduktion von Schadstoffen führen. Ich erwarte da mehr als das ständige Drohen mit Fahrverboten. Außerdem werden mit dem Euro-6-Standard, der für neue Pkw von September 2017 an verpflichtend ist, die Probleme von Feinstaub und Stickoxiden gelöst. In fünf oder sechs Jahren, wenn ein Großteil der Autos mit abgasarmer Technik ausgestattet ist, werden die Emissionen aus dem Personenverkehr zurückgehen.
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann hat sich für die Einführung einer blauen Plakette ausgesprochen. Nur Autos mit dieser Plakette sollen in die Innenstädte fahren dürfen. Ist das ein gangbarer Weg?
Die blaue Plakette für abgasarme Fahrzeuge ist unsozial und außerdem bürokratisch. Denn dies würde dazu führen, dass Menschen, die ein älteres Auto besitzen, nicht mehr in die Innenstädte fahren dürften. Außerdem wird es unsere heimische Wirtschaft und Handwerk belasten.
Das Bundesumweltministerium schlägt Fahrverbote für Dieselautos vor, stößt aber beim Verkehrsminister auf Widerstand. Wie wird die große Koalition den Streit lösen?
Ich halte die Diskussion für brandgefährlich. Deutschland und besonders Baden-Württemberg sind Weltmarktführer in der Dieseltechnologie. Wir sägen an dem Ast, auf dem wir sitzen. 43 Prozent des Exports aus Baden-Württemberg stammt aus der Automobilbranche, ungefähr die Hälfte davon Dieselfahrzeuge. Unsere Autos sind auf der ganzen Welt begehrt, und die Verkaufszahlen vor allem im Premiumbereich steigen. Beim Diesel hat es enorme Technologiesprünge gegeben. Ein modernes Dieselauto stößt heute 98 Prozent weniger Stickoxide aus als vor 25 Jahren. Und auch an den übrigen zwei Prozent wird gearbeitet. Verhängnisvoll wäre es, mit Fahrverboten Arbeitsplätze in Deutschland zu gefährden.
Setzen Sie sich damit nicht dem Vorwurf aus, dass Sie zwar die Interessen der Wirtschaft im Sinn haben, die Gesundheit der Bürger aber zu kurz kommt?
Wir bauen in Deutschland nicht nur die sichersten, sondern auch die effizientesten und umweltfreundlichsten Autos der Welt. Und auch in Baden-Württemberg forschen und arbeiten wir schon an der Zukunft. Wir machen das aber mit etwas weniger Tamtam als Tesla. Wir brauchen auch in Zukunft starke Unternehmen mit guten Arbeitsplätzen. Wenn wir aber mit Fahrverboten so weitermachen, überdrehen wir die Schraube.