Barbara Rittner: fokussiert aufs Finale. Foto: DPA

An diesem Wochenende haben die deutschen Tennisdamen Historisches vor: Gegen Tschechien wollen sie den ersten Fedcup-Titel seit 1992 holen. Bundestrainerin Barbara Rittner traut ihren Spielerinnen viel zu, dennoch sieht sie ihr Team in der Außenseiterrolle.

Stuttgart - Frau Rittner, sind Sie eigentlich immer noch Fan von Borussia Dortmund?
Natürlich. Meine Eltern kommen aus Recklinghausen. Da ist man entweder BVB- oder Schalke-Anhänger.
Zurzeit machen Sie dann aber Höhen und Tiefen mit den Schwarz-Gelben durch.
Das stimmt. In der Bundesliga läuft es gar nicht, dafür umso besser in der Champions League.
In der Königsklasse ist auch Ihr Fedcup-Team angekommen. An diesem Wochenende spielt Ihre Mannschaft im Finale gegen Tschechien. Wie groß sind die Siegchancen?
Ich würde sie bei 30:70 einordnen. Ich sehe einige Vorteile bei Tschechien. Das Team hat in den vergangenen drei Jahren zweimal den Fedcup gewonnen, 2012 haben sie den Titel in Prag in der O2-Arena geholt. Außerdem haben sie den Heimvorteil auf ihrer Seite: Von den 11 000 Zuschauern in der Halle werden 10  000 die Gastgeberinnen durchs Finale tragen. Und in Wimbledon-Siegerin Petra Kvitova haben sie eine überragende Spielerin in ihren Reihen, die im Fedcup mit 21:7 Siegen eine sehr gute Bilanz hat.
Ist sie denn zu schlagen?
Petra Kvitova ist an einem guten Tag so gut wie unbezwingbar, aber wenn sie wie zuletzt beim Masters in Singapur nach einer langen Saison in ihren Leistungen wackelt, ist sie schlagbar. Und man darf nicht vergessen: Auf ihr lastet viel Druck. Das könnte ein Vorteil für meine Spielerinnen sein, die sie alle schon mal besiegt haben.
Was spricht außerdem noch für einen Erfolg Ihrer Equipe?
Angelique Kerber und Andrea Petkovic haben in der Slowakei und in Australien bewiesen, dass sie auch vor gegnerischen Fans und gegen hervorragende Spielerinnen gewinnen können.
Sie wissen, wie sich ein Fedcup-Triumph anfühlt. Am 13. Juli 1992 waren Sie beim letzten deutschen Erfolg dabei. Hatte der Wettbewerb damals schon so einen hohen Stellenwert?
In meiner Erinnerung hatte der Fedcup immer einen hohen Stellenwert. Wenn ich heute noch mit Steffi Graf und Anke Huber darüber rede, sagen beide, dass es für sie ein ganz besonderer Titelgewinn war.
Für den Deutschen Tennis-Bund ist der Erfolg Ihrer Damen enorm wichtig. Endlich schaut die breite Öffentlichkeit hierzulande mal wieder auf das Tennis. Kann dieses Fedcup-Finale die Sportart in Deutschland weiterbringen?
Ich glaube schon. Es ist das erste Finale mit deutscher Beteiligung seit 22 Jahren, das sagt eigentlich schon alles. Und natürlich ist die Aufmerksamkeit riesengroß. Das hätte ich nie für möglich gehalten. Und ja, ich glaube, dieses Finale tut unserer Sportart gut.
Beim Halbfinalerfolg in Australien war Sabine Lisicki nicht dabei. Als das Team damals direkt nach Stuttgart zum Porsche-Grand-Prix kam, wirkte es so, als sei sie ein wenig vom erfolgreichen Quartett isoliert gewesen.
Wir waren acht Tage gemeinsam am Ende der Welt, das schweißt zusammen. Wir haben jetzt eine ganze Woche Zeit, Sabine zu integrieren, und ich sehe da keinerlei Probleme.
Sie setzen auf Sabine Lisicki. Im Umkehrschluss heißt das aber, dass das Erfolgsquartett Angelique Kerber, Andrea Petkovic, Julia Görges und Anna-Lena Grönefeld auseinandergerupft wird. Könnte das den sportlichen Erfolg gefährden?
Nein, denn mit Sabine ist eine Spielerin hinzugekommen, die im Einzel wie im Doppel eine gute Alternative ist. Anna-Lena wird zwar als fünfte Spielerin, aber als vollwertiges Teammitglied in Prag sein. Sie muss sich bemühen, da reinzukommen.
Charakterisieren Sie bitte Ihre Spielerinnen!
Alle fünf?
Ja, bitte. Fangen Sie mit Angelique Kerber an?
Angie ist die Introvertierte, die aber ihren eigenen Kopf hat und ein wenig stur ist. Eigenschaften, in denen ich mich wiedererkenne. Sie ist 100 Prozent verlässlich und hat einen trockenen Humor. In der Gemeinschaft haut sie schon mal einen raus, da denke ich immer: „Angie, du hast es aber faustdick hinter den Ohren.“
Andrea Petkovic.
Die Petko ist die Extrovertierte, das Sprachrohr des Teams. Wenn wir abends essen gehen, ist sie die Unterhalterin am Tisch. Sie ist emotional und unglaublich interessiert am Leben – in allen Bereichen. Ob Politik, Kultur oder Literatur, alles saugt sie auf. Sie kann aber auch sehr chaotisch sein.
Hat sie ihr sportliches und mentales Tief, als sie beim WTA-Turnier in Luxemburg einen Weinkrampf hatte, gemeistert?
Ich denke schon. Andy hat mein vollstes Vertrauen. Wie Angie ist sie gesetzt. Und wir werden jetzt versuchen, den Schwung ihres Turniersieges in Sofia nach Prag mitzunehmen. Ihr Selbstvertrauen kommt genau zur richtigen Zeit.
Machen wir weiter mit Sabine Lisicki.
Sie liebt die Bühne und präsentiert sich gerne. Sabine ist aber auch sensibel, vor allem, wenn sie das Gefühl hat, falsch verstanden zu werden. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann will sie es auch erreichen.
Und Julia Görges . . .
. . . ist bei uns die versierte Technikerin im Team. Wenn wir einen DVD-Player anschließen müssen, macht Jule das. Ich schätze ihre offene Art und dass sie immer sagt, was sie denkt.
Kommen wir noch zu Anna-Lena Grönefeld.
Anna-Lena ist vor allem eine zuverlässige Teamspielerin, die darauf brennt, zum Einsatz zu kommen. Sie gibt mir das Gefühl, dass sie da ist, wenn ich sie brauche. Außerdem ist sie bei uns die DJane im Team. Man mag es kaum glauben: Sie kann alle Liedtexte dieser Welt auswendig.
Mal angenommen, Sie dürften eine nicht-deutsche Spielerin fürs Finale nominieren. Wer wäre das?
Serena Williams.
Weil sie die Nummer eins der Welt ist?
(Lacht) Auch. Aber erstens kann ich mit ihr gut, weil sie wie ich einen Jack-Russell-Terrier hat, und zweitens mag ich sie. Zudem glaube ich, dass ich die Fähigkeit hätte, Serena emotional einzufangen, damit sie ihr bestes Tennis spielt.
Apropos Jack-Russell-Terrier: Ist Ihre Hündin Sophie als Glücksbringerin in Prag dabei?
Ja. Aber wie wir in Australien gesehen haben, geht es ja auch ohne sie. Da hatte ich sie nicht mitgenommen, weil lange Reisen für sie nichts mehr sind. Sophie ist mittlerweile 13 Jahre und eine alte, zickige Dame.
Wie sieht eigentlich die Arbeit einer Fedcup-Teamchefin aus?
Meine Arbeit beschränkt sich nicht nur auf das Fedcup-Wochenende. Ich bin das ganze Jahr über auf Turnieren unterwegs, denn der Kontakt und Austausch mit den Spielerinnen und Trainern ist wichtig. Bei den Fedcup-Partien bin ich als Trainerin gefragt, um den entscheidenden taktischen Hinweis zu geben. Genauso so wichtig ist aber auch die Arbeit des bestehenden Betreuerteams. Bei uns, damit meine ich die Physiotherapeuten Petra Winzenhöller und Christoph Zipf, unseren Arzt Ulf Blecker, Co-Trainer Dirk Dier und Athletikcoach Mike Diehl, greift alles ineinander.
Eine Woche nach dem Fedcup-Finale findet in Berlin auf der Mitgliederversammlung die Wahl des DTB-Präsidenten statt. Sie haben immer Michael Stich favorisiert.
Ja, und ich wünsche mir nach wie vor, egal wie die Konstellation nun aussehen mag, dass Michael Stich ins DTB-Präsidium eingebaut wird. Weil ich sehe, dass er dem DTB mit seinem Fachwissen enorm weiterhelfen könnte. Grundsätzlich werde ich aber jedes Präsidium unterstützen, das gewählt wird.