Zurück an der Säbener Straße: Der ehemalige und künftige Bayern-Präsident Uli Hoeneß Foto: dpa

Er ist falsch abgebogen – auf dem Weg zum Finanzamt. Na, und? Die Bayern-Fans wählen Uli Hoeneß trotzdem wieder zum Präsidenten. Er hat doch seine Haftstrafe verbüßt. Und Moral? Die kommt nach dem Geschäft.

Stuttgart - Vielleicht ist es ja so, dass der Hoeneß Uli (64) nicht als das in die Geschichte eingehen will, was derbe Charakter aus dem Land der Lederhosen als „foischa Fuchzga“ apostrophieren. Jedenfalls lässt sich der in Sachen Steuerhinterziehung nicht mehr Unbescholtene an diesem Freitag wieder zum Präsidenten des FC Bayern München wählen. Ein guter Freund seufzt: „Er kann halt nicht anders.“

„Das war’s noch nicht“, hatte er den Seinen im Sommer 2014 zugerufen, ehe er den richterlich befohlenen Wohnortwechsel vom behaglichen Zuhause am Tegernsee in den schmucklosen Zweckbau der JVA Landsberg vollzog. Jetzt kehrt der Bayern-Uli zurück an die Heimstatt freistaatlicher Fußball-Seligkeit. Und weil zwischen den Toren die Regeln der Mathematik eher selten zur Anwendung kommen, rechnen die Wahlforscher mit einer Zustimmung von einhundertzwei Prozent. Mindestens.

Keine Chance für Hopfner

Der leutselige Karl Hopfner, Statthalter als Vereinspräsident und Aufsichtsratschef, hat zwar Gefallen gefunden an den Ämtern, kapituliert aber zähneknirschend wegen fehlender Perspektiven. Uli Hoeneß umgibt die Aura des Unverzichtbaren. Unverändert. Zwar schlagen die handelsüblichen Wächter sauberen Geschäftsgebarens allerorten die Hände über dem Kopf zusammen, aber es gibt kein Gesetz, das die Zusammenarbeit mit einem ehemaligen Steuersünder verbietet. Und gerade im Fußball gilt. Erst kommt das Geschäft, dann die Moral.

Mit nennenswertem Widerspruch ist während der Mitgliederversammlung im Audi Dome also nicht zu rechnen. Auch deshalb nicht, weil die Glaubensbrüder diesseits und jenseits der Allianz-Arena die zerebrale Fiskal-Amnesie ihres Herrn und Gebieters gern aufrechnen gegen alles, was er schon Gutes getan hat. Das ist legitim und beruhigt das Gewissen. Herrschaftszeiten, ja! Er hat für die Erlöse seiner Finanzwetten keine Steuern gezahlt. Um die 27 Millionen Euro. Und er hat sich auch noch erwischen lassen. Aber die Steuerschuld ist beglichen. Und er hat dafür gesessen. Eineinhalb Jahre lang. Zwei Jahre wurden ihm erlassen, zu drei Jahren auf Bewährung: wegen guter Führung und herausragender Aussicht auf Resozialisierung. Es ist halt so, wie Karl Valentin schon sagte: „Jedes Ding hat drei Seiten: Eine gute, eine schlechte – und eine komische.“

Hoeneß will zurückzahlen

Immerhin haben sie in Landsberg jetzt einen modernisierten Kraftraum und zwei funkelnagelneue Tischtennisplatten. Das Assistenten-Gehalt als jobbender Freigänger in der Junioren-Abteilung des FC Bayern, angeblich eine hohe fünfstellige Summe, hat er für soziale Zwecke gespendet. Uli Hoeneß sagt: „Ich bin dabei zurückzuzahlen. Und das werde ich ganz konsequent tun.“ Was immer er darunter verstehen mag.

Der Maier Sepp jedenfalls, was bestimmt nur ein Zufall ist, hat dieser Tage wieder einer Zeitschrift erzählt, wie ihm Hoeneß nach einem schweren Autounfall das Leben rettete. Andere weisen darauf hin, dass sich der Sohn einer Ulmer Metzgerdynastie rührend um den trunksüchtigen Gerd Müller kümmerte und Benefizspiele initiierte, als der FC St. Pauli pleite war oder Schönaicher Kinder nach einem schrecklichen Busunfall ihre Eltern verloren. Borussia Dortmund bekam einen Kredit, als dem Club das Wasser Oberkante Unterlippe stand.

Die feine Gesellschaft

Und glaubt jemand ernsthaft, dass alle Mitglieder der feinen Münchner Fußball-Gesellschaft als Ministranten durchgehen würden? Ehrenpräsident Franz Beckenbauer verspürte schon als Profi wenig Drang, seine Steuerschuld pünktlich zu begleichen. Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge verfügt über Erfahrung als Schmuggler wertvoller Uhren. Im Aufsichtsrat der Bayern-AG, dem der Präsident laut Satzung angehört, sitzen die Abgasexperten Manfred Winterkorn (VW) und Rubert Stadler (Audi). Die Allianz, ausgestattet mit strengen Compliance-Regeln, schickt ihren Personalvorstand Werner Zedelius ins Kontrollgremium. Und Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber empfiehlt ungerührt, den lieben Uli wieder zum Chef des Aufsichtsrats zu wählen.

Moral hin, Glaubwürdigkeit her: Der FC Bayern wäre ohne die unermüdliche Pflege seines Visionärs womöglich bis heute ein ähnlich kümmerliches Pflänzchen wie der HSV oder der VfB Stuttgart. Uli Hoeneß übernahm den FC Bayern 1979 als Pflegefall: Mit zwölf Millionen Mark Umsatz und sieben Millionen Mark Schulden. An diesem Freitag meldet Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge wieder Rekordzahlen. Der Branchenführer machte in der vergangenen Saison 23,8 Millionen Euro Gewinn – bei einem Umsatz von 523,7 Millionen Euro.

Es ist eben nicht so, dass Rummenigge in der Nase bohrte, während der Architekt des Erfolges hinter schwedischen Gardinen saß. Die Bayern wurden wieder mal deutscher Meister, Pokalsieger und scheiterte in der Champions League erst im Halbfinale an Atlético Madrid. Sogar der Trainerwechsel von Pep Guardiola zu Carlo Ancelotti gelang ohne den üblichen Radau. Es gibt Fans, die bestätigen: „Der Verein hat sich ein Stück weit von Hoeneß emanzipiert.“

Tödlicher Pass

Andere beklagen einen Verlust an Identität und die nur noch halbherzige Pflege der Mir-san-mir-Kultur. Zwar wird sich der Rückkehrer hüten, wie zu früheren Zeiten als Moralapostel und Lehrmeister durch die Talkshows zu ziehen, aber sollte die Rede wie zufällig auf den Fußball, namentlich auf seinen FC Bayern kommen, dann wird das in der Abteilung Attacke mit einiger Sicherheit die bekannten Reflexe wecken. „Ich halte nicht das Maul, nur weil ich meinen Frieden haben will“, ätzte er zuletzt und konterte den Vorwurf, der FC Bayern sei in der Liga zu dominant, mit dem tödlichen Pass: „Wir können doch nicht schlechter arbeiten, damit die anderen nachkommen.“

Ein bisschen haben sie das allerdings schon getan. Weshalb RB Leipzig jetzt an der Tabellenspitze steht, Borussia Dortmund den Liga-Gipfel für sich entschied (1:0) und die Pharisäer der Liga wieder einmal den Untergang des Bayern-Reichs prognostizieren. Es soll Spieler geben, die zu viel auf den Rippen haben und Trainingseinheiten, nach denen das Duschen kaum lohnt. Und die Umstellung von Pep Guardiolas bevorzugtem Spielstil auf den von Carlo Ancelotti, gilt nicht in jeder Hinsicht als gelungen.

Stramme Zügel

Es gibt für den Rückkehrer also mehr zu tun, als der Jugendabteilung zu neuem Glanz zu verhelfen. Der „Wettbewerbler“ (Uli Hoeneß) wird die Zügel strammer ziehen – und mit seinem Spezi Kalle Rummenigge (60) den Verein fit machen für die Zeit, in denen Jüngere den Karren ziehen. Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger werden als mögliche Nachfolger genannt.

Aber ganz gleich, wer es am Ende macht. Er wird ein gewaltiges Erbe verwalten. Und streng auf seine Steuern achten.