Foto: AP

Innenminister Gall verlangt Aufklärung über zwei Kollegen der ermordeten Polizistin.

Berlin - Der Generalbundesanwalt wird an diesem Mittwoch sehr deutlich: Der Mord an der jungen Polizistin Michele Kiesewetter lasse sich ausschließlich den drei Mitgliedern der Zwickauer Neonazi-Terrorzelle NSU um Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe zurechnen. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass sich andere an dem Mordanschlag beteiligt hätten, bei dem ein Kollege Kiesewetters schwer verletzt wurde.

Zu Wochenbeginn hatten „Bild“ und „Tageszeitung“ berichtet, dass zwei Polizistenkollegen Kiesewetters 2001/2002 vorübergehend Mitglieder der rechtsextremistischen Europäischen Ku-Klux-Klan-Sektion White Knights (Weiße Ritter) waren. Einer der Männer soll Jahre später der Zugführer Kiesewetters gewesen sein. „Sie kannten sich von Berufs wegen“, sagt ein Sprecher des Innenministeriums. Einer der beiden heute 32 und 42 Jahre alten Männer war demnach per Ritterschlag in die KKK-Sektion aufgenommen worden, die damals rund 20 Mitglieder hatte.

Gall: „Es gibt Ungereimtheiten“

Das baden-württembergische Innenministerium bestätigte, dass dies im Rahmen der Überprüfung der Böblinger Bereitschaftspolizei ans Tageslicht gekommen sei. Gegen die Beamten sei 2004 ein Disziplinarverfahren eröffnet worden, welches auch zu disziplinarischen Maßnahmen geführt habe. Die zuständige Kommission habe jedoch den Verstoß der beiden Polizisten für nicht so gravierend gehalten, dass sie hätten aus dem Dienst entfernt werden müssen.

Allerdings ordnete Innenminister Reinhold Gall (SPD) nach Informationen unserer Zeitung an, dass ihm binnen 14 Tagen ein Bericht über jenes Disziplinarverfahren vorgelegt wird. „Wir haben nur höchst lückenhafte Informationen“, begründete ein Ministeriumssprecher die Anordnung, „es gibt Ungereimtheiten“. Nun muss der Landespolizeipräsident Antworten darauf liefern, wie die Beamten seinerzeit bestraft worden sind – ob sie versetzt, degradiert oder mit einer Geldbuße versehen wurden. Interessanterweise verweist der Anwalt eines der Beamten darauf hin, dass seiner Auffassung nach weder die Fahnen noch Symbole des Ku-Klux-Klans in Deutschland verboten seien. Der Ku-Klux-Klan werde laut Verfassungsschutz des Landes Baden-Württemberg in Deutschland als nicht relevant eingestuft.

Keine Hinweise auf Kontakt zu NSU

Obwohl der Klan weder im Landes- noch im Bundesbericht der Verfassungsschützer auftaucht, stieß diese Bemerkung bei der Disziplinarbehörde auf Verwunderung. Die Organisation gilt eindeutig als rassistisch und rechtsextremistisch. Michele Kiesewetter wurde am 25. April 2007 in Heilbronn erschossen. Im August 2005 war sie nach ihrer Ausbildung in Biberach als Einsatzbeamtin in der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit bei der 5. Bereitschaftspolizeiabteilung in Böblingen angetreten – dort arbeiteten auch die beiden Kollegen mit Ku-Klux-Klan-Biografie.

Die Bundesanwaltschaft betont indes, es gebe keine Hinweise darauf, dass die beiden Kontakt – direkter Art oder über Dritte – zum NSU-Trio gehabt hätten. Die drei Jenaer Rechtsextremisten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe hatten die Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) gegründet und waren am 26. Januar 1998 untergetaucht. In den darauffolgenden Jahren beging die Gruppe zehn Morde – an neun ausländischen Kleinunternehmern und an Michele Kiesewetter. Erst am 4. November 2011 war der NSU nach dem Selbstmord von Mundlos/Böhnhardt aufgeflogen; in deren Wohnmobil fand sich Kiesewetters Dienstwaffe.

Aufklärung versprechen sich alle Beteiligten von dem Patenonkel Michele Kiesewetters. Er ist bei der Thüringer Polizei beschäftigt und sagte nach bestätigten Recherchen unserer Zeitung bereits eine Woche nach dem Mord an seiner Nichte aus, dass „ein Zusammenhang mit den bundesweiten Türkenmorden“ bestehe. Dennoch suchten die Fahnder noch Jahre später nach Tätern aus der organisierten Kriminalität.