250 Jungwähler nahmen an dem Workshop teil, bei dem „Misstrauen gegenüber allem, was einem vorgesetzt wird“ geübt wurde. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Über 250 Jungwähler haben sich mit mit Social Media, Fake News und politischer Kommunikation befasst. Zwei Social-Media-Stars zogen dabei die größte Aufmerksamkeit auf sich.

Stuttgart - An der Feinstaubfront wird diese Nachricht einschlagen wie eine Bombe: Das Drama um Fahrverbote und Gesundheitsgefährdung war völlig unnötig. Stuttgart kann aufatmen, denn jetzt steht fest, dass die Messwerte völlig überhöht waren. „Ich hab’s gewusst!“ meinte sogleich eine junge Frau, womit sie die Lacher auf ihrer Seite hatte. Denn in diesem Raum war selbstredend allen klar, dass die sogenannte Nachricht eine mit wohlkalkulierter Absicht fabrizierte Falschmeldung war, produziert in dem Workshop „Fake News leicht gemacht“.

Einer von fünf Workshops, in denen sich über 250 Jungwähler aus allen Teilen des Landes auf Einladung der Baden-Württemberg-Stiftung im Haus der IHK Stuttgart einen ganzen Nachmittag lang üben konnten im „Misstrauen gegenüber allem, was einem vorgesetzt wird“, wie es Christoph Dahl, der Geschäftsführer der Stiftung, zur Begrüßung formulierte. „Demokratie“, betonte Dahl, sei „anstrengend und muss immer wieder neu erarbeitet werden“. Just diesem Zweck diente das „Camp für Fakten ohne Alternativen“.

Trockene Theorie zu Beginn

Und wenn in der aufgekratzten Anmoderation das Camp als trendiger Showdown zur Bundestagswahl mit viel Social Media, Live-Streaming, Hashtags, Sharing und Blogging firmierte, ein erstes Saal-Selfie inklusive, so zeigte sich „Fake Off“, doch schnell als fast klassische Veranstaltung zur politischen Bildung mit aufklärerischem Charakter plus Spaßfaktor. Denn selbst in der Fake News-Werkstatt wurde vorneweg handfeste Wahrnehmungs- und Medientheorie serviert. Anders ist Unterscheidungsvermögen und Urteilsfähigkeit nicht zu haben: „Die Birne einschalten und sich sachkundig machen.“ So brachte Dahl die Aufgabe auf den Punkt.

Wie gründlich und ernsthaft es die junge Generation damit meint, legten einleitend die Journalistinnen Steffi Fetz und Lisa Altmeier dar, die mit ihrem spendenfinanzierten Online-Projekt „Crowdspondent“ für eine „Debattenkultur ohne Hass“ stehen wollen. Mit Fabian Herricher, der sich investigativ als „Praktikant“ bei der AfD eingeschlichen hatte, konnte man erproben, wie als „Lügenpresse“ diffamierter Qualitätsjournalismus geht. Oder nebenan Verschwörungstheorien hinterfragen.

Social-Media-Stars als Dozenten

Stärksten Zulauf hatten freilich die Workshops mit zwei als Social Media-Stars angekündigten Akteuren: mit dem YouTuber Mirko Drotschmann alias „MrWissen2Go“ sowie der Dresdener Polizistin Adrienne Koleszár, die nebenbei als Instagram-Influencerin Karriere macht. Drotschmann war gleich online, wies so 120.000 Klicks aus den letzten 48 Stunden nach – zeigte sich aber nicht als flippiger „Star“, sondern als höchst seriös arbeitender Historiker, der „Geschichtsnachhilfe“ betreibt. Auf einer Plattform, „die eine Macht ist“, wie er betonte. Erhellend, wie er „hinter die Kulissen“ blicken ließ: mit präzise dokumentiertem Nutzerverhalten.

Und was können Politiker von Social Media lernen? Einiges, wie der Hamburger Politikberater Martin Fuchs weiß. „Aber dafür müssen sie es professionell machen. Das Potential ist groß.“ Die Antwort der Polizistin? „Was sollen sie da lernen? Wir produzieren nur eine schöne Scheinwelt.“ Im Saal artikulierte sich geballte Skepsis, wurde „Inhalt statt Spaß und Banalisierung der Politik gefordert.“ Justin Horn aber, ein 23-jähriger Nutzer aus Heidelberg meinte: „Wenn Politiker das nicht nutzen, werden sie die Generation nach uns nicht mehr erreichen.“