Treffen vor dem Arbeitsgericht: SSb-Geschäftsführer und Betriebsratsvertreter Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Überlastete SSB-Mitarbeiter? Das gericht entschied dennoch: Der von der Stuttgart Straßenbahnen AG geplante ausgedehnte Stadtbahn- und Busverkehr zum Kirchentag kann ohne Einschränkungen gefahren werden. Allerdings wird nun auch die Auswertung der Fahrten während der langen Museumsnacht gefordert.

Stuttgart - Der von der Stuttgart Straßenbahnen AG (SSB) geplante dichtere und ausgedehnte Stadtbahn- und Busverkehr zum heute startenden Kirchentag kann ohne Einschränkungen gefahren werden. Das hat die 30. Kammer des Arbeitsgerichts Stuttgart am Dienstag entschieden.

Der SSB-Betriebsrat wollte die Sonderdienste mit einer einstweiligen Verfügung stoppen. Er sieht sich bei der ihm zustehenden Mitbestimmung erneut übergangen und er sieht auch die Gesundheit von Beschäftigten durch lange Dienstzeiten und knappe Pausenregelungen gefährdet.

Die Kammer unter Vorsitz von Richter Matthias Rieker entschied, dass „wesentliche Nachteile für die Belegschaft bei der Durchführung der Dienstpläne nicht zu befürchten“ seien. Die SSB müsse einen Großteil des Nahverkehrs im Raum Stuttgart sicherstellen und habe gewichtige Interessen, „nämlich die Bewältigung des Fahrgastaufkommens am Kirchentag“. Rieker sieht „keine Anhaltspunkte dafür, dass die SSB bewusst und gewollt die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates aushöhlen will“.

Der Richter appellierte eindringlich an die Streitparteien, die Probleme in der am 24. Juni erstmals tagenden Einigungsstelle zu lösen. Der strittige Vorsitz durch den Direktor des Arbeitsgerichts Heilbronn ist inzwischen geklärt. Die Einigungsstelle müsse verbindliche Rahmenvorgaben für die Fahrdienste und sonstigen Dienste schaffen, damit nicht mehr über jeden einzelnen Dienst gestritten werde, sagt der Rechtsanwalt Michael Meyer aus Neu-Isenburg, der die SSB vertritt.

In dem städtischen Nahverkehrsunternehmen gärt es zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat mindestens seit November 2014. Damals versagte der Betriebsrat seine Zustimmung zum Regelfahrplan für 2015. Der trat dennoch in Kraft. In der Folge gab es bisher 36 Streitfälle, mit denen sich das Arbeitsgericht befassen musste. Einstweilige Verfügungen konnte die SSB jeweils abwehren, über die damit verbundenen Klagen ist aber noch nicht entschieden worden.

Uwe Melzer, Anwalt für den Betriebsrat, warf der SSB-Geschäftsführung vor, sie habe die Mitbestimmung beim Zusatzfahrplan für den Kirchentag vorsätzlich missachtet. Der Betriebsrat sei viel zu spät informiert worden und habe daher erst am 20. Mai entscheiden können. Die knappe Frist bis zum Großereignis hätten nicht die Beschäftigten zu verantworten. Bei Anwalt Meyer stieg daraufhin der Blutdruck: „Wir sollen bei der Fahrplanaufstellung auf die Sitzungstermine des Betriebsrats Rücksicht nehmen? Wo leben wir denn? Dann machen Sie halt mal eine Sondersitzung!“, sagte Meyer.

„Wir haben 90 Prozent der Dienste zugestimmt, auch den Überstunden und den 67 Kollegen, die zum Kirchentag zusätzlich eingesetzt werden“, sagte SSB-Betriebsratschef Klaus Felsmann. Er trat dem Eindruck der Gegenseite entgegen, die Arbeitnehmervertretung kippe Sand ins SSB-Getriebe.

Felsmann fordert die Auswertung der Fahrten während der langen Museumsnacht, um die Belastung der Mitarbeiter zu belegen. Dort habe „teilweise pures Chaos“ geherrscht. Die Auswertung sei aufwendig, erklärte Nils Himmelmann, Leiter des SSB-Betriebsbereichs. Die Daten fehlen seit sieben Wochen.