Der zwölf Kilogramm schwere Betonpflasterstein, den der Täter von der Brücke auf die Autobahn geworfen hat, ist in mehrere Stücke zersprungen. Foto: dpa

Der 36-jährige mutmaßlicher Täter hat ein Geständnis abgelegt. Er ist polizeibekannt und gilt als psychisch krank. Die Mutter aus dem Unfallauto hat eine Querschnittslähmung erlitten.

Heidenheim - Die Ermittlungsbehörden sind sich sicher, den Steinewerfer festgenommen zu haben, der in der Nacht zum Sonntag gegen 1.30 Uhr von einer Brücke bei Giengen (Kreis Heidenheim) einen Betonbrocken auf die Autobahn 7 geworfen hat. „Wir haben den Täter“, sagte am Freitag der stellvertretende Leiter der ermittelnden Staatsanwaltschaft in Ellwangen, Werner Staudenmaier. Gegen den 36-jährigen Verdächtigen werde wegen versuchten vierfachen Mordes und schwerer Körperverletzung ermittelt. Der Steinwurf erfülle nach dem Stand der Dinge das Mordmerkmal der Heimtücke. Der Mann habe am Donnerstag vor dem Haftrichter ein Geständnis abgelegt.

Thomas Friedrich, der Leiter der Sonderkommission Crash, beschrieb die Jagd nach dem Täter als einen Wettlauf gegen die Zeit. Die Polizei habe befürchtet, dass es weitere ähnliche Anschläge auf Autofahrer geben könnte. Schutzpolizisten hätten mit dem Beginn der Fahndung am Montagmorgen ständig Autobahnbrücken im Verlauf der A 7 kontrolliert. „Das war für die gesamte Ermittlerschaft ein hoher Druck.“

Wegen Körperverletzung und Waffenbesitz vorbestraft

Der Durchbruch wurde laut Polizei mit Mitteln der Kriminaltechnik geschafft. Auf der Rückseite eines Gebäudes auf dem Flugplatz in Giengen, etwa 250 Meter von der Autobahnbrücke entfernt, wurde eine Palette mit Betonpflastersteinen entdeckt. „Ein Eckstein auf der Palette fehlte“, berichtete Friedrich. Eine Abdeckplane sei an dieser Stelle verrutscht gewesen. Vor allem von dieser Plane hätten die Ermittler Genmaterial „herausisolieren“ können. Zudem hätten sich „kleinste Spuren von DNA“ auch an dem durch den Unfall zerbrochenen Stein auf der A 7 sicherstellen lassen.

Nur Stunden nach der Übermittlung der Spuren an das Landeskriminalamt (LKA) registrierten Spezialisten in Stuttgart einen Treffer. Das LKA, lobte der Ulmer Polizeipräsident Christian Nill, habe sofort einen Großteil seiner Laborkapazität für den Fall bereitgestellt. Der Tatverdächtige ist seit 2009 in der Zentraldatei registriert. Laut der Staatsanwaltschaft in Ellwangen ist der Mann als krimineller Wiederholungstäter bekannt, unter anderem wegen Bedrohung, Körperverletzung, Beleidigung und unerlaubten Waffenbesitzes.

Verdächtiger lebte meist in einem Zelt

Der 36-Jährige ist Mieter eines möblierten Zimmers in der Nähe von Heidenheim, allerdings verbrachte er wohl den Großteil seiner Zeit auf einem Gartengelände in der Nähe von Herbrechtingen. Zeugenbefragungen hätten zum dortigen Zeltplatz des Verdächtigen geführt, sagte der Polizeipräsident Nill. Nur zwei Stunden nach der Übermittlung des DNA-Treffers aus Stuttgart habe die Polizei zugreifen können. Dabei habe geholfen, dass in Heidenheim wegen einer laufenden Fahndung aufgrund eines Mords in einem Bistro ohnehin viele Polizisten unterwegs gewesen seien. Kurzfristig hätten so 130 Beamte mobilisiert werden können.

Weshalb der Mann den Stein auf die Autobahn warf, ist unklar. Der Verdächtige besitze „eine auffallende Persönlichkeit“ und habe zu seinem Motiv nichts Verwertbares geäußert, sagte der Oberstaatsanwalt Staudenmaier. In der Nacht sei er mit einem Fahrrad zum Giengener Flugplatz gefahren, mit dem Rad habe er auch den Stein zur Brücke transportiert. Wegen einer langjährigen psychischen Erkrankung habe der 36-Jährige unter Sozialbetreuung gestanden. In den meisten zurückliegenden Strafverfahren sei seine Schuldunfähigkeit festgestellt worden, weshalb nicht zu Haftstrafen gekommen sei.

Mutter noch immer in Lebensgefahr

Diesmal könnte es anders laufen. Unter anderem wegen des „Auftretens“ des Mannes nach seiner Identifizierung – er hat unter anderem einen kurzen Fluchtversuch zu Fuß unternommen – gehe die Staatsanwaltschaft davon aus, „dass er zumindest nicht schuldunfähig ist“, sagte Staudenmaier. Eine Haftstrafe aus dem Jahr 2013, verhängt vom Landgericht Ellwangen wegen illegalen Waffenbesitzes, gibt es in der Vita des 36-Jährigen dann doch. Die Strafe wurde aber zur Bewährung ausgesetzt. Die Richter hatten die psychische Störung nicht als erheblich erachtet.

Einzelheiten gaben die Behörden auch zum Gesundheitszustand der verunglückten vierköpfigen Familie aus Laupheim (Kreis Biberach) bekannt. Die beiden Kinder sind demnach, als sich der Citroën überschlug, aus dem Fahrzeug geschleudert worden. Sie erlitten massive Prellungen und Schürfwunden. Der Vater, der am Steuer saß, zog sich einen Beckenbruch zu. Am schlimmsten traf es die Mutter auf dem Beifahrersitz. Wegen einer Hals- und Brustwirbelfraktur und eines Schädel-Basis-Bruchs mit einer Hirnblutung schwebt die Frau weiterhin in Lebensgefahr. Sie ist querschnittsgelähmt, zudem hätten ihr die Ärzte einen Fuß abnehmen müssen. Nach dem Stand der Erkenntnisse hat der Verdächtige von der Brücke aus zugesehen, wie die Katastrophe ihren Lauf nahm.