Seit der Eröffnung im Oktober 2014 hat sich das Welcome Center am Charlottenplatz zur Anlaufstelle für Neubürger gemausert – auch Fachkräfte suchen dort Rat Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Deutschland braucht Fachkräfte. Die Unternehmen suchen intensiv – auch im Ausland. Unsere Zeitung begleitet eine solche Anwerbung und die beteiligten Menschen ein Jahr lang. Dieses Mal: Wer ohne Vertrag in die Region kommt, muss seinen Weg finden.

Stuttgart/Sindelfingen - Wie die Zeit vergeht. 13 Monate ist es nun her, dass der Klinikverbund Südwest in Sindelfingen 14 italienische Krankenpflegekräfte für die Arbeit in seinen Krankenhäusern nach Deutschland geholt hat. Eine intensive, bisweilen auch harte Zeit für die jungen Fachkräfte. Doch so langsam neigt sich das Programm dem Ende entgegen. Vor einigen Tagen haben die Beteiligten bei einem Abendessen die Ereignisse Revue passieren lassen. Immerhin 13 sind noch mit von der Partie, zwei von ihnen müssen allerdings noch Prüfungen wiederholen. Die anderen elf warten auf ihre Anerkennung durch das Regierungspräsidium. Dann können sie dauerhaft als Fachkraft in Deutschland arbeiten.

Für die Gruppe war der Weg klar vorgezeichnet – Schritt für Schritt. Der internationale Bund als Anwerbeorganisation und der Klinikverbund als Arbeitgeber haben das Programm vorgegeben und den Neuankömmlingen so viele Probleme wie möglich aus dem Weg geräumt. Gastfamilien haben bei der Eingewöhnung geholfen.

Doch viele Ausländer kommen auf eigene Faust nach Deutschland. Für sie liegen die Hürden deutlich höher. „Das Schwierigste ist, eine Wohnung zu finden und herauszubekommen, was ich brauche, um meinen Abschluss anerkennen zu lassen“, sagt Luisa. Die 26-Jährige hat in Italien Wirtschaft studiert. Doch wegen der miserablen Arbeitsmarktlage in ihrer Heimat hat sie sich entschlossen, nach Deutschland zu kommen. Dass es die Region Stuttgart geworden ist, sei eher Zufall: „Ich habe hier Verwandte. Dort bin ich auch erst einmal untergekommen, bis ich etwas Eigenes finde.“

Der Saal platzt aus allen Nähten

Während Luisa erzählt, steht sie im Foyer der Handwerkskammer Region Stuttgart. Dort ist sie nicht allein. Unter dem Motto „Leben und arbeiten in Deutschland – nutze deine Chance“ haben neun Organisationen eine Informationsveranstaltung für italienische Zuwanderer auf die Beine gestellt. Neben der Kammer sind etwa die Wirtschaftsförderung, die Fachkräfteallianz Region Stuttgart oder die Bundesagentur für Arbeit mit dabei. Der Andrang ist riesig: Um die 200 Besucher drängen sich im Saal, die Sitzplätze reichen nicht aus.

In zweisprachigen Fachvorträgen erfahren die Gäste vieles Praktische. Wie bewirbt man sich in Deutschland? Wo lernt man am besten die Sprache? Wie sehen Arbeitsverträge aus, und wie werden Abschlüsse anerkannt? Im Foyer haben zudem viele Organisationen Stände aufgebaut, um die vorwiegend jungen Leute aus allen Berufsgruppen, viele von ihnen Akademiker, zu beraten. Die meisten sind erst seit einigen Monaten in Deutschland.

„Für Italiener machen wir eine solche Veranstaltung zum ersten Mal. Für Spanier hat es das bereits gegeben“, sagt Meike Augustin von der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart. Übers Internet und die verschiedenen Partner ist der Abend beworben worden – mit enormem Zuspruch. Annette Martucci vom Welcome Center Stuttgart am Charlottenplatz wundert das nicht: „Italiener sind die größte Gruppe von Ratsuchenden bei uns“, weiß sie. Seit Eröffnung der neuen Anlaufstelle für alle Neubürger im Oktober 2014 sind dort über 4000 Menschen beraten worden. „Ungefähr 600 davon waren Italiener“, weiß Martucci. Der Grund: „In Italien liegt die Arbeitslosigkeit junger, oft gut ausgebildeter Menschen in manchen Regionen bei 50 Prozent.“

Die Arbeitgeber hoffen auf Fachkräfte

Leute, auf die nicht wenige Arbeitgeber in der Region hoffen. „Wir freuen uns, dass Sie da sind“, begrüßt denn auch Claus Munkwitz die Gäste mit warmen Worten. „Verbunden mit etwas Anstrengung“ könne in unserer „Region des Willkommens“ jeder seine Ziele erreichen. Natürlich denkt der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer dabei besonders an die Berufsgruppen in seiner Zuständigkeit, in denen oft der Nachwuchs fehlt: „Wir wollen Sie aufrufen, sich die Möglichkeiten zur Ausbildung und Weiterqualifizierung in Handwerksberufen anzuschauen.“

„Wir haben es mit einem neuen Phänomen der Migration zu tun“, sagt der italienische Generalkonsul Daniele Perico. Wichtig seien letztlich zwei Faktoren: „Es geht um Deutschkenntnisse und berufliche Qualifikation.“

Beides können die jungen Pflegekräfte des Klinikverbundes inzwischen vorweisen. Fehlt nur noch die Anerkennung.