Porsche-Mitarbeiter können Arbeitszeit flexibler bestimmen Foto: dpa

Pflegezeit, persönliche Auszeit, Arbeit von zu Hause aus – Porsche verwöhnt seine Belegschaft in Zukunft mit neuen Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung. Wer denkt, der erfolgsverwöhnte Sportwagenbauer hätte das nicht nötig, der irrt sich.

Stuttgart - Es ist nicht so, dass Porsche Probleme hätte, offene Stellen zu besetzen. Im Gegenteil: Auf rund 2000 Jobangebote im Jahr 2013 hat der Sportwagenbauer 73 000 Bewerbungen erhalten. Und weil sich herumgesprochen hat, dass die VW-Tochter auf einer Erfolgswelle schwimmt und rasant wächst, dürften es in diesem Jahr sogar 100 000 Bewerbungen sein. „Zahlreiche Spitzenplätze bei Arbeitgeberrankings unterstreichen die Attraktivität von Porsche für Arbeitnehmer“, sagte Personalvorstand Thomas Edig am Dienstag.

Doch ein Ruhekissen ist das nicht. Thomas Edig will den englischen Spruch vom „War for Talents – vom Krieg um die Talente“ eigentlich nicht in den Mund nehmen. Klar ist aber, dass sich auch ein hochattraktiver Arbeitgeber wie Porsche für den Kampf um die besten Köpfe rüsten muss. Hintergrund ist der demografische Wandel mit einem drohenden Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften, aber auch die geänderten Ansprüche einer ganzen Generation. Während früher bei Bewerbern das Prestige des Arbeitgebers und die Karrieremöglichkeiten zählten, geht es den Akademikern von heute mehr um die individuelle Gestaltung der Arbeit oder um die persönlichen Möglichkeiten der Weiterentwicklung.

Porsche reagiert darauf mit einem ganzen Bündel an neuen Möglichkeiten, die zusammen mit dem Betriebsrat vereinbart wurden. Mitarbeiter können in Zukunft etwa für die Pflege von Angehörigen eine Auszeit von drei Monaten nehmen und bekommen dabei weiterhin 75 Prozent ihres Gehalts. Die Kosten für die Porsche-Pflegezeit teilen sich Arbeitgeber und Betriebsrat. Wer auf Reisen gehen will, kann etwa drei Monate lang auf ein Viertel seines Gehalts verzichten und dafür einen Monat bezahlte Auszeit nehmen. Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, können maximal vier Prozent der Beschäftigten an maximal zwei Tagen der Woche von zu Hause aus arbeiten.

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Allerdings sind bestimmte Bereiche wie die Produktion davon ausgenommen. „Den Kotflügel kann man ja schlecht mit nach Hause nehmen“, scherzte Hück. Zudem baut Porsche die Kinderbetreuung an den Standorten Zuffenhausen, Weissach, Mönsheim und Sachsenheim deutlich aus. Es findet ein Kulturwandel statt“, sagt Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück. „Nur mit passenden Arbeitszeitlösungen kann eine motivierte und flexible Belegschaft intergalaktische Autos entwickeln und bauen.“

Möglich werden die Streicheleinheiten für die Mitarbeiter auch durch eine gesteigerte Produktivität. Wurden 2009 noch 142 Autos am Tag gebaut, verlassen derzeit mehr als 200 täglich das Werk in Zuffenhausen. „Ich bin überzeugt, dass sich dies in Zukunft noch steigern lässt“, sagte Hück.

Beim rasanten Ausbau des Standorts im Stuttgarter Norden kann Hück jetzt auch auf die volle Unterstützung der Stadt zählen. Nach seiner in unserer Zeitung geäußerten Kritik habe es ein Gespräch mit dem Stuttgarter OB Fritz Kuhn gegeben. „Das ist wie bei einer Zahnpastatube – wenn man unten drückt, kommt oben was raus“, sagte Hück. Der OB habe zugesichert, eine Lösung zu finden, die Anwohner und Mitarbeiter gleichermaßen zufriedenstelle. Der Betriebsratschef hatte vor allem die chaotische Verkehrssituation in Zuffenhausen beklagt. Eine zu kurze Ampelschaltung etwa am Kreisverkehr beim Porsche-Museum führe am Nachmittag regelmäßig zu langen Staus. Innerhalb von drei Jahren hat Porsche allein in Zuffenhausen die Zahl der Mitarbeiter um 3000 auf 8200 erhöht Bis 2016 sollen fast ebenso viele neue Parkplätze geschaffen werden. „Die Situation ist ungenügend, aber ich glaube, wir bekommen ein gutes Ergebnis hin“, sagte Hück im Hinblick auf die Verhandlungen mit der Stadtspitze.

Personalvorstand Thomas Edig betonte, man befinde sich in einem guten Dialog mit den Behörden. Kurzfristige Maßnahmen wie etwa ein grüner Pfeil auf Abbiegespuren könnten schnell umgesetzt werden, andere brauchten dagegen längere Zeit. So soll es ein ausführliches Verkehrsgutachten geben, das die Situation angesichts der Porsche-Erweiterung in Zuffenhausen näher beleuchtet. „Die Zusammenarbeit geht Schritt für Schritt voran“, sagte Edig.

In den kommenden Jahren dürfte sich die Situation zumindest in Zuffenhausen nicht mehr dramatisch verschärfen. Nach den vielen Zukäufen von Grundstücken und dem Personalaufbau will Porsche beim Wachstum auf die Bremse treten. Jährlich sollen in Zukunft etwa 1000 neue Mitarbeiter eingestellt werden, kündigte Personalvorstand Thomas Edig an. Dabei sind aber 150 übernommene Auszubildende pro Jahr sowie der Ersatz von ausscheidenden Mitarbeitern eingerechnet. Neu geschaffene Jobs wird es hauptsächlich im Ausland geben. „Wir müssen uns hier erst einmal konsolidieren“, sagte Hück. Man wolle nicht zu einer Legebatterie werden, sondern sich eine „Garagenduft-Mentalität“ bewahren.