Hong Kong ist eines der Wirtschaftszentren Chinas Foto: dpa

Viele ausländische Studenten gehen nach dem Studium wieder zurück in ihre Heimat. 

Stuttgart - Deutschlands Wirtschaft braucht hoch qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland. Aber wie lange brauchen die Einser-Schüler aus Indien und China uns noch? Während hier 100.000 Ingenieure im Jahr fehlen, sehen ausländische Studenten die größeren Karrierechancen mittlerweile in ihrer Heimat.

Zwar sind Vorlesungen in technische Fächer an deutschen Universitäten mit internationalen Studenten gespickt. Genau in diesem Bereich, bei Mathematikern, Computer-Experten und Ingenieuren, braucht die deutsche Industrie dringend Nachwuchs. Doch während sich die Politik noch um die richtige Strategie beim Thema Zuwanderung streitet, machen die Studenten aus dem Ausland ihre eigenen Pläne. Die besten Köpfe machen sich immer öfter auf den Weg nach Hause, um dort Karriere zu machen. Nachdem sie in Deutschland fast kostenlos studiert haben, sehen sie in Asien mittlerweile bessere Karrierechancen.

"Ich sehe in China bessere Berufschancen", sagt Hongyu Wei. Er ist 28 Jahre alt und studiert Fahrzeug- und Motorentechnik in Stuttgart. "Die Konkurrenz in China ist wegen der schnellen Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung viel größer als in Deutschland", sagt er. Während in Deutschland das Durchschnittsalter bei 43 Jahren liegt, sind die Chinesen im Schnitt gerade einmal 33. Über 20 Prozent sind unter 14 Jahre alt, in Deutschland sind das gerade einmal 13 Prozent. China ist ein junges Land mit enormem Wirtschaftswachstum. Doch es drängen so viele Menschen auf den Arbeitsmarkt, dass die Konkurrenz um hochklassige Ausbildung und gute Jobs gnadenlos ist. Noch drastischer sieht die Statistik bei Chinas großem asiatischem Konkurenten Indien aus. Das Durchschnittsalter liegt knapp unter 25. Fast 32 Prozent der Bevölkerung ist jünger als 14. Das entspricht im Fall Indiens fast 360 Millionen Menschen.

Für einen deutschen Hochschulabschluss nehmen ausländische Studenten Entbehrungen auf sich  

Das Beispiel von Hongyu Wei zeigt, was junge Chinesen bereit sind zu tun, um sich für diesen harten Wettbewerb mit deutschem Know-how zu rüsten. Der Maschinenbau-Student ist verheiratet. Seine Frau lebt aber nicht zusammen mit ihm in Deutschland, sondern zu Hause in China, genauer gesagt in der Nähe von Schanghai. "Ich habe als Student auch nicht das Geld, jedes Jahr zu ihr zu fliegen", erzählt er traurig. Trotzdem hat er sich für ein Studium in Deutschland entschieden. "Mit dem Abschluss aus Deutschland habe ich später hoffentlich einen Vorteil bei der Jobsuche", sagt Wei.

Der Weg zum Studium in Deutschland war lang. Nachdem er in China seinen Bachelorabschluss in Maschinenbau bereits erreicht hatte, nahm er an der Universität Sprachkurse in Deutsch. Danach folgten Anträge bei den staatlichen Behörden, Sprachprüfungen und schließlich die Ausreise nach Deutschland. Sein Ziel: Ein Master-Abschluss im Fach Maschinenbau in Deutschland. "In diesem Fach haben die Deutschen weltweit einen exzellenten Ruf", sagt Wei.

Für Hongyu Wei gibt es klare Unterschiede zwischen Deutschland und China. "Die Prüfungen an der Universität Stuttgart zu bestehen ist nicht leicht", berichtet er. "Das ist in China einfacher." Dafür sei es zu Hause deutlich schwerer, überhaupt eine Zulassung an einer chinesische Universität zu bekommen. "Die Konkurrenz ist einfach viel zu groß", erzählt Wei. Das Niveau des Studiums, sagt Wei, sei höher als in seiner Heimat.

In China gilt Deutschland als Anlaufstelle für exzellente und kostengünstige Ausbildung   

Das Leben in Deutschland empfindet der Maschinenbau-Student dagegen als beschaulich. "Der Stress in China ist viel größer als hier", erklärt Wei. Zwar sei Deutschland viel ruhiger und die Lebensqualität deutlich höher, aber es sei auch um einiges schwerer in Deutschland, eine große Karriere zu machen. Die Chance auf das große Geld liegt für den chinesischen Studenten in seiner Heimat, nicht in Deutschland. "Wer bereit ist, sich dem gnadenlosen Wettbewerb zu stellen, wird nach dem Studium in Deutschland wieder nach China aufbrechen und sein Glück versuchen", sagt Wei.

Laut Hongyu Wei denken viele seiner Landsleute ähnlich. Deutschland dient als Anlaufstelle für eine exzellente und dazu noch kostengünstige Ausbildung. Später wird noch ein bisschen Berufserfahrung gesammelt, um sich endgültig für den harten Wettkampf in China zu rüsten. Danach beginnt sprichwörtlich der Ernst des Lebens - der Konkurrenzkampf um die begehrten und gut bezahlten Jobs Asiens boomender Wirtschaft.

Dass die ausländischen Studenten die besseren Karrierechancen mittlerweile in ihrer Heimat sehen, bedeutet für die heimische Wirtschaft, dass Deutschland dabei ist, den Wettlauf um die besten Köpfe zu verlieren. Nur wer diesen Wettbewerb scheut, bleibt in Deutschland. Schon die Entwicklung der Immobilienpreise in den chinesischen Metropolen lässt keinen Zweifel daran, dass sich dort nur die Besten werden behaupten können. "Vor zehn Jahren lag der Kaufpreis in den Städten noch bei 260 Euro pro Quadratmeter", erinnert sich Hongyu Wei. "Heute kostet eine Wohnung in Schanghai 1000 bis 4000 Euro pro Quadratmeter."

Es gibt weitere Faktoren, die die Studenten aus China oder Indien wieder in die Heimat locken - die Familien. Das Familienbild in Asien unterscheidet sich vom europäischen. In China ist es üblich, dass alle Generationen unter einem Dach leben", erzählt der Student. "Wenn die Eltern alt werden, dann kümmert sich die jüngere Generation um sie." Einfachere Nachzugsregelungen für Angehörige wären also ein Punkt, der das Leben gut ausgebildeter Fachkräfte in Deutschland vereinfachen und den einen oder anderen zum Bleiben bewegen könnte.