Zehn hoffnungsvolle Krankenpflegekräfte aus Italien und ihre Betreuerinnen vom Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus freuen sich auf die künftige Zusammenarbeit – aber nicht auf das Zulassungsverfahren Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Deutsche Firmen brauchen dringend Fachkräfte – und werben gezielt im Ausland. Von dort strömen inzwischen immer mehr in die Region Stuttgart und ins Land. Doch für die Bearbeitung der Anerkennungsanträge ist in den Regierungspräsidien kaum Personal da.

Stuttgart - Die Stimmung ist festlich und beschwingt zugleich. Im Restaurant des Internationalen Bundes (IB) in Stuttgart-Vaihingen sitzen zehn junge Menschen an einem schön gedeckten Tisch. Sie kommen allesamt aus Italien und sind erst seit wenigen Wochen in Deutschland. An diesem Abend unterschreiben sie ihre Arbeitsverträge. Das Robert-Bosch-Krankenhaus hat sie als examinierte Krankenpflegekräfte angeworben. In Italien gibt es davon viele, aber kaum anständig bezahlte Stellen.

In Deutschland dagegen herrscht der absolute Mangel. Ähnlich wie bei Erzieherinnen, Ingenieuren oder anderen Berufen. Der IB, ein großer Anbieter aus dem Sozialbereich, hat vor wenigen Jahren auf Wunsch der Kunden mit der Anwerbung von Fachkräften im Ausland begonnen. Inzwischen sind allein durch diesen Anbieter an die 600 Leute vorwiegend nach Baden-Württemberg gekommen. „Die Nachfrage ist enorm“, sagt Programmgeschäftsführer Gerardo Cardiello. Und zwar auf beiden Seiten der Alpen. Nicht nur deutsche Firmen stehen Schlange, sondern auch italienische Fachkräfte. 3000 finden sich derzeit in der Datenbank des IB.

Die neuen Arbeitgeber wenden einiges an Zeit, Mühe und Geld auf, um die Fachkräfte zu integrieren. „Das geht nur in Absprache mit den Stationen und in einer Eins-zu-eins-Begleitung“, sagt Heike Lauber von der Pflegedirektion des Krankenhauses am Burgholzhof. Die ausländischen Fachkräfte seien nur ein Baustein der Personalstrategie, aber ein wichtiger. Nicht zuletzt von ihnen hängt ab, wie in Zukunft alte und kranke Menschen im Land versorgt werden.

Da sollte man annehmen, dass die Behörden mitspielen. Doch dort hapert es gewaltig. Zwischen 2010 und 2014 hat sich die Zahl der ausländischen Krankenpfleger, die beim Regierungspräsidium (RP) Stuttgart ihre Zulassung beantragen, versechsfacht. 1200 sind es allein hier im vergangenen Jahr gewesen, fast 3000 landesweit. Bis Mitte Mai sind es in diesem Jahr bereits 800 neue Anträge. Doch der Personalstand ist geschrumpft. Bis vergangenen November haben die vier Regierungspräsidien im Land diese Anträge jedes für sich bearbeitet – mit insgesamt acht Leuten. Seither ist das RP Stuttgart allein zuständig. Mit zwei Leuten. Ein Minus von 75 Prozent trotz Antragsflut.

Ähnlich sieht es bei den Erzieherinnen und Erziehern aus. Auch hier ist Stuttgart inzwischen allein zuständig – ohne Personalzuwachs. Dabei haben sich die Antragszahlen seit 2012 auf zuletzt 769 mehr als verdoppelt. Die angeworbenen Fachkräfte strömen, aber es ist bei den Behörden kein Personal da, um die Arbeitswilligen zu betreuen.

„Zusätzliches Personal wäre dringend nötig, um die Wartezeiten zu reduzieren“, sagt RP-Sprecher Robert Hamm. Trotz „immenser Anstrengungen“ würden die Bearbeitungszeiträume immer länger. In den Pflegeberufen müssen die Anträge laut Gesetz innerhalb von drei Monaten erledigt sein. „Das können wir nicht garantieren“, sagt Hamm. Auch die beiden Kräfte, die sich um die Anträge von Erziehern landesweit kümmern müssen, kommen nicht mehr nach. Die Wartezeit ist hier inzwischen auf bis zu vier Monate gestiegen.

Das liegt auch daran, dass es großen Klärungsbedarf gibt. Oft werden die Kandidaten nicht auf Anhieb anerkannt, sondern müssen Nachqualifizierungen machen. Die Abschlüsse sind in vielen Ländern schwer vergleichbar. Der Großteil der Kandidaten kommt sowohl in der Krankenpflege als auch im Erziehungsbereich derzeit vorwiegend aus Ost- und Südeuropa. Vorne liegen Rumänien, Kroatien, Ungarn, Bulgarien, Spanien und Italien. Vereinzelt finden sich inzwischen auch Kandidaten aus Syrien und dem arabischen Raum.

Die Fachkräfte staunen oft über die behördlichen Wege – oder scheitern an ihnen. Besonders, wenn sie nicht über ein organisiertes Anwerbeprogramm kommen. Einige der Neuzugänge des Robert-Bosch-Krankenhauses hatten es zuvor bereits auf eigene Faust in Deutschland versucht. „Die erste Anlaufstelle ist dann das Jobcenter. Aber die Wartezeiten für Sprachkurse sind lang. Hier alleine eine Arbeit zu suchen, ist sinnlos“, erzählt etwa Lorena Scaduto.

Der behördliche Schwergang könnte demnächst auch die Stadt Stuttgart treffen. Denn deren Vertreter waren inzwischen ebenfalls zur Auswahl von geeigneten Kandidaten in Neapel. Ende Juni sollen 15 Erzieherinnen kommen, um die größten Personallöcher in den Kindertagesstätten zu stopfen. Da könnten die langen Wartezeiten beim Regierungspräsidium zur unliebsamen Stolperfalle werden. Doch Signale auf Abhilfe gibt es vom Land bisher nicht.

Im Vaihinger IB-Restaurant ist die Stimmung bei den Neuankömmlingen dennoch gut. Die Freude über die neue Chance überwiegt. Der Rest kommt noch früh genug.